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Evil DeadDas Set-Design in "Chained" ist sehr stimmig. Wurde das Set speziell für den Film entworfen?

Nein, das Haus stammte aus einem anderen Film und sollte abgerissen werden, was ich verhindert habe. Wir hatten sehr wenig Geld für die Produktion zur Verfügung. In Sachen Design habe ich versucht, möglichst viele warme Lichtquellen hinzuzufügen, denn das wirkt in diesem Kontext am unheimlichsten: Es gibt nichts schockierenderes als eine familiäre Atmosphäre, in der das Grauen ausbricht. Das Haus sollte Sicherheit vermitteln, aber sich als das genaue Gegenteil entpuppen. Das gleiche wollte ich mit den Szenen erreichen, die im hellen Sonnenlicht spielen – ich wollte scheinbar sichere Orte und Stimmungen umkehren.

Wie hast du die beiden hervorragenden Jungschauspieler, die "Rabbit" verkörpern, gefunden?

Beide haben bei mir über Skype vorgesprochen, und genau dort habe ich ihnen auch den Job gegeben. Castings halte ich persönlich für Bullshit. Der jüngere der beiden, Evan Bird, spielt in einer kanadischen Krimiserie mit, so bin ich auf ihn aufmerksam geworden. Auf seinem Bewerbungsvideo war eine kurze Sequenz, in der er weint. Das hat mich emotional so mitgenommen, dass ich wusste: Das ist mein Rabbit! Überraschenderweise waren seine Eltern einverstanden. Wie aber schon bei "Surveillance" habe ich darauf geachtet, dass die Kinderschauspieler keine grausigen Szenen mitansehen, das ist mir sehr wichtig. Eamon Farren ist Australier und wurde mir von meinem Casting-Director empfohlen. Als ich mit ihm geskypt habe, konnte ich es kaum fassen: So ein fröhlicher Mensch, der aber gleichzeitig fähig war, sich in diese düstere Geschichte hineinzuversetzen.

Rabbit wird unter unmenschlichen Bedinungen gefangen gehalten.

Was hatte die MPAA an deinem Film auszusetzen? Was musstest du für das R-Rating entfernen?

Das ist so absurd. Sie sagten mir, der Film fühle sich zu echt an. Kommt schon, das ist ein gewalttätiger Film, natürlich soll er echt aussehen. Ich wollte sicherlich nicht, dass er lustig oder sexy wird. Na ja, letztlich musste ich aber nur eine Szene mit einem Kehlenschnitt entfernen.

Das Ende deines Films wirkt ein wenig unpassend, als würde es nicht zum Rest des Films gehören.

Ich stimme dir zu. Das hat folgenden Grund: Mir wurde dieses Projekt von den beiden Produzenten angeboten, als es noch auf dem originalen Drehbuch von Damian O'Donnell beruhte. Darin ging es um einen Taxifahrer, der ein Serienkiller ist. Er hält diesen Jungen gefangen und am Ende kommt heraus, dass er es im Auftrag seines Bruders, dem Vater des Jungen, getan hat. Das originale Skript war extrem brutal und auf Verstümmelungen fokussiert, weniger auf die Charaktere. Ich sagte zu den Produzenten: Ich nehme die Herausforderung an, denn ich brauche dringend einen Job, aber nur, wenn ich das Drehbuch umschreiben darf und mehr Charaktertiefe hinzuzufügen kann. Das habe ich getan, aber ich musste mich auch den Wünschen der Produzenten anpassen. Ich weiß, dass sich das Ende etwas übereilt anfühlt und ich hoffe, das in einem zukünftigen Director's Cut ändern zu können.

Viele Filme, die sich mit so heiklen Themen beschäftigen, rutschen ja oftmals ins Exploitative ab. Wie hast du das versucht zu verhindern?

Ich hasse Torture Porn und wollte mit so etwas auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden. Ich wollte trotz des emotionalen Themas keinesfalls nur Gore aus Selbstzweck liefern, und trotz aller Balance auch nicht zu viel Sympathie für den Killer aufkommen lassen.

Ich habe mir kürzlich noch einmal dein Debüt "Boxing Helena" angesehen und mir sind einige Parallelen zu "Chained" aufgefallen...

Haha, ich habe den Film schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Als ich jung war, habe ich ihn mir allerdings sehr oft angeschaut.

In beiden Filmen gibt es das Motiv des Gefangenseins, der Immobilität...

Definitiv. Das ist aber keine Obsession von mir. Ich mag es einfach, wenn Charaktere nicht weglaufen können und darum ihr wahres Ich offenbaren müssen. Man müsste mal eine gute Geschichte über Leute in einem feststeckenden Fahrstuhl schreiben – die Leute können nicht weg, sie müssen ihre Probleme nun einfach irgendwie lösen. Mir geht es immer hauptsächlich um die Charaktere, und so war es mir wichtig, bei dieser Auftragsarbeit über einen gefangenen Jungen, die Beziehung zwischen Entführer und Opfer zu gestalten.

Hat Bob ein neues Opfer in seine Gewalt gebracht?

Diese Kammerspiel-Ästhetik hat ja auch immer etwas von Theater...

Auf jeden Fall, so fühlt es sich auch beim Drehen an. Das hat mich auch so daran begeistert, in diesem Set zu arbeiten: Es fühlte sich an, wie auf einer Theaterbühne.

Kommen wir mal auf deine Faszination mit dem "Monster im Menschen" zu sprechen, die sich in "Chained" in dem Killer Bob zeigt. Deinen Film "Hiss" kann man ja leider nirgendwo sehen, aber...

(unterbricht) Das ist nicht mein Film, schau ihn dir keinesfalls an. Sieh dir die Dokumentation"Despite The Gods" (Regie: Penny Vozniak) über das ganze Desaster an, mehr will ich dazu auch gar nicht sagen. (lacht)

Aber auch da geht es ja um das Monster im Menschen, um eine Schlangenfrau...

Das stimmt, allerdings geht es eher um eine mythologische Kreatur, die von menschlichen Monstern gejagt wird. Aber ja, ich bin fasziniert von den schrecklichen Dingen, die sich Menschen antun und deren Konsequenzen, und das versuche ich mit dieser Art von Filmen auszudrücken. Auf "Chained" bezogen: Siehst du was passiert, wenn du dein Kind schlägst und es zwingst, Sex mit der eigenen Mutter zu haben? Sowas geht nicht einfach weg, it's a big fucking deal! Das verändert diese Person für immer. Aber... ja, ich mag Monster, weil ich nicht mit Monstern lebe. Einige meiner Ex-Freunde mögen Monster gewesen sein, aber naja... (lacht) Ich führe ein sehr glückliches Leben, bin verliebt, habe eine wunderbare Tochter, lache jeden Tag. Darum beschäftige ich mich mit düsteren Dingen nur in meinen Filmen.

Es gab ja in letzter Zeit einige spektakuläre Fälle im echten Leben, die deiner Fiktion in "Chained" gar nicht mal so unähnlich sind. Wie bist du damit umgegangen? Ich schätze, du musstest viel Fingerspitzengefühl beweisen, um niemanden auf den Fuß zu treten, oder den Anschein zu geben, du willst mit diesem heiklen Thema nur Geld machen.

Während ich die Geschichte geschrieben habe, legte ich Wert darauf, jedem eine eigene Stimme zu geben. Hätte Rabbit nie gesprochen oder wäre Angie gestorben, das wäre zu fürchterlich gewesen und wäre an meiner Idee vorbeigegangen. Andererseits kann ich mir als Filmemacherin auch nicht ständig darüber Sorgen machen, wer sauer auf mich sein könnte, sonst würde ich das Haus nie verlassen – und ich habe ohnehin eine definitive Tendenz zur Agoraphobie. Ich überlege einfach: "Würde mich das aufregen? Und wenn ja: In einer guten oder schlechten Weise?" Ist es produktiv oder einfach nur beleidigend? Denn beleidigend möchte ich auf keinen Fall sein.

Wird Rabbit denn am Ende selbst zum Monster?

Eine sehr gute Frage. Ich hoffe, dass viele Leute sich diese Frage nach dem Film stellen. Das wollte ich übrigens auch am Ende von "Surveillence" erreichen: Was wird aus Jessica, nachdem sie all diese schrecklichen Dinge gesehen hat, allein am Straßenrand? Die Frage ist "nurture versus nature" - Erziehung oder biologische Anlagen? Ich glaube, dass Rabbit eine so glückliche Kindheit erlebt hat, dass er in der Lage ist, auch in schlimmen Situationen gute Entscheidungen zu treffen. Bob hatte diesen Rückhalt in seiner Kindheit nicht und wird deswegen zum Monster. Aber ohne Zweifel ist Rabbit schwer geschädigt von seinen Erlebnissen und kann Sex und Gewalt vermutlich nur schwer auseinander halten. In meinem Director's Cut wird das am Ende hoffentlich noch deutlicher werden.

Rabbit untersucht die blutigen Überreste

Deine Charaktere scheinen dir ja alle sehr wichtig zu sein.

Danke, dass du das sagst! Ja, das stimmt, und das schließt auch Bob mit ein. Ich wollte, dass wir mit ihm leiden, wenn wir sehen, wie er in seiner Kindheit verletzt wurde. Selbst seine Mutter verlässt ihn schließlich und verhindert seine Misshandlung nicht. How fucked up can you get? Das ist das Schlimmste, was ich mir persönlich vorstellen kann: Gezwungen werden, mit der eigenen Mutter zu schlafen und dann von ihr verstoßen werden. Das würde meine Beziehung zu Frauen garantiert zerstören. Und vielleicht würde ich dann ein paar von ihnen töten, wie Bob es macht. Umarmen kann er sie nur, wenn sie tot sind, denn dann können sie nicht weg.

Du begibst dich da wirklich in ziemlich extreme Gefühlswelten.

(lacht) Ach Quatsch, sind doch ganz subtil! (lacht) Nein, du hast recht, aber ich mag die Extreme. Auch das zwingt Charaktere, ihre wahre Seite zu zeigen.

Könntest du dir vorstellen, diese extremen Zustände auch in anderen Genres auszuloten? Beispielsweise in einer romantischen Komödie.

Absolut, das würde ich sehr gerne machen. Ich arbeite zur Zeit auch an einer Horrorkomödie. Aber das nächste Projekt wird zunächst wieder sehr düster.

Kannst du darüber schon mehr erzählen?

Der Film wird "A Fall From Grace" heißen, Tim Roth spielt die Hauptrolle. Es wird wieder ein Serienkiller vorkommen, aber es geht auch um einen geheimen Ring von Pädophilen. Verfolgt wird dieser von einem drogenabhängigen Detective, der zuvor schwer verwundet wurde. Das ist nicht alles, aber ganz grob die Kernelemente.

Ziemlich düster..

Allerdings. Danach aber kommt mein Vampir-Werwolf-Zombie-Nerd-Film! Das wird sehr lustig und ich freue mich total darauf. Der Film wird "The Monster Next Door" heißen. Eine "normale" Komödie würde ich auch gerne drehen, aber bisher hat mich noch kein Drehbuch begeistert. Ich habe eine ziemlich gute Liebesgeschichte im Kopf, allerdings eine ziemlich düstere Liebesgeschichte! (bricht in Lachen aus)

Stets an der Leine gehalten: Rabbit beim Saubermachen.

Viele Leute sagen ja, dass es schwieriger ist, das Publikum zum Lachen als zum Schreien zu bringen.

Naja, echte Angst ist auch ziemlich schwierig. Die traurigste Stelle in "Chained" für mich ist etwa, wenn Rabbits Mutter ihm zuruft, er soll sich die Ohren zuhalten, als der Killer sie aus dem Auto zieht. Sie weiß genau was kommt, aber das letzte was sie in ihrem Leben tut, ist, ihr Kind zu beschützen. Ja, du hast Recht, Lacher sind schwer zu bekommen. Ich finde aber zum Beispiel, es gibt auch in "Chained" reichlich witzige Momente.

Dein Cameo-Auftritt zum Beispiel.

(lacht) Ja, aber der wurde eher aus der Not heraus geboren, da wir uns kein Archivmaterial leisten konnten. Aber abschließend: Ja, ich möchte nicht nur düstere Filme drehen, nur scheint mich dieses Material in letzter Zeit immer wieder zu finden. Grundsätzlich aber möchte ich möglichst viele verschiedene Dinge ausprobieren, alles andere wäre Stillstand.

>> verfasst und geführt von Tim Lindemann




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