Moviebase Eclipse - Biss zum Abendrot
Man stelle sich vor, der beste Freunde würde aus unerfindlichen Gründen nicht mehr altern. Schon seit 150 Jahren befände er sich auf dieser Erde, bliebe jedoch ewig jung und sähe die Zeitgeschichte an sich vorüberziehen. Was läge näher als sich mit diesem Menschen über all die spannenden Dinge zu unterhalten, die er zweifellos in seinem langen Leben durchlitten haben muss? Den Hauptfiguren der erfolgreichen "Twilight"-Saga kommt das scheinbar nie in den Sinn. Der faszinierende, wenn auch beängstigende Hintergrund des Vampir-Prinzips wurde in den ersten beiden Filmen höchstens als schmückendes Beiwerk oder Hintergrund für die kitschige Romanze zwischen Bella Swan (Kristin Stewart) und Edward Cullen (Robert Pattinson) benutzt, oftmals mit unfreiwillig komischen Konsequenzen. Die Wahl des Regisseurs David Slade für den dritten Teil des Franchise ließ auf Besserung hoffen, zeigte sich Slade doch immerhin für einen exzellenten Thriller ("Hard Candy") und einen passablen Vampir-Horror ("30 Days Of Night") verantwortlich. Eine Hoffnung, die sich nur teilweise erfüllt...
Schon nach den ersten Minuten von ″Eclipse″ kann man tatsächlich aufatmen: Die bodenlose Belanglosigkeit des zweiten Teils erreicht der dritte Ableger zu keiner Minute. Das zeigt vor allem, dass in der Twilight-Saga einiges vom jeweiligen Regisseur abhängt. Denn die durchaus düsteren, innovativen Untertöne der Vorlage, die Blockbuster-Routinier Chris Weitz in ″New Moon″ gnadenlos glattgebügelt hatte, lässt Slade in ″Eclipse″ nun zumindest teilweise an die Oberfläche hindurchdringen. So nimmt der Film etwa zum ersten Mal das in den Romanen zentrale Thema Sex auf, und tut dies sogar auf eine für Jugendliche zugängliche aber auch nicht zu platte Art und Weise. Die hollywoodsche Prüderie bricht aber auch in ″Eclipse″ wieder hervor: Während Edward in den Romanen noch aus Angst vor dem Kontrollverlust über seine Blutgier den Beischlaf mit Bella verweigert, findet man im Film eine eher typisch amerikanische Motivation: ″Erst wenn wir verheiratet sind″, erklärt Edward, ″Du weißt doch, ich bin da altmodisch.″
Positiv ist auch zu vermerken, dass sich der Film deutlich mehr als seine Vorgänger für die Lebens- und Sterbensgeschichten seiner vampirischen Protagonisten interessiert. So werden in kurzen Rückblicken die Geschichten des Cullen-Clans erzählt, die tatsächlich zu den besten Momenten des Films gehören, weil das eintönige Geschmachte von Bella und Edward auf diese Weise erfrischend aufgebrochen wird. Ganz nebenbei erhält der Zuschauer noch einen Einblick in das Vampirleben im Wilden Westen bzw. zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs. Einer der größten Schwachpunkte des zweiten Teils war die verbissene Ernsthaftigkeit, die die Romanze zwischen Edward und Bella beherrschte und sie umso unnatürlicher und konstruierter erscheinen ließ. In ″Eclipse″ zieht nun erfreulicherweise ein klein wenig Selbstironie in das Franchise ein. So kommentiert der kühle Edward die Angewohnheit seines Nebenbuhlers, Werwolfjunge Jacob, der ständig seinen muskulösen Oberkörper präsentiert, lakonisch mit den Worten: "Doesn't he own a shirt?"
Trotz all dieser löblichen Verbesserungen gibt es in "Eclipse" auch wieder zahlreiche Momente, in denen man vor Fremdscham am liebsten im Boden versinken würde: Die gekünstelten und schmalzigen Dialoge zwischen Bella und Edward, das hölzerne Schauspiel mancher Nebendarsteller oder die Tatsache, dass jede Figur, die im Drehbuch mit dem Attribut "böse" versehen wurde, bei jedem ihrer Auftritte dämonisch grinsen muss, damit auch der dümmste Zuschauer versteht, wo die Fronten verlaufen. Generell hat man das Gefühl, dass die Macher der "Twilight"-Saga ihre jungen Zuschauer für anspruchslos und blöd halten. Nur so lässt sich der oft so lieblos konstruierte Storyverlauf oder die blass gezeichneten Figuren erklären. Schade, dass sie mit diesem Konzept auch noch derart überwältigenden Erfolg haben. Denn auch wenn die Vorlagen von Stephanie Meyer nicht vor Inspiration sprühen, so hätte man aus den teilweise spannenden Ideen der Romane doch auch wirklich clevere und trotzdem unterhaltsame Filme für ein jugendliches Publikum produzieren können.
"Eclipse" ist weiß Gott kein guter Film, aber ohne Zweifel der bisher beste der "Twilight"-Saga. Als Zuschauer hat man zumindest teilweise das Gefühl, dass in den Figuren Leben steckt und man kann zum ersten Mal begreifen und mitfühlen, was Bellas Wunsch, selbst ein Vampir zu werden, für ihr weiteres "Leben" bedeuten würde. Diesen Aspekt arbeitet David Slade tatsächlich gut heraus und gegen Ende gibt es zudem die bisher mitreißendste Action-Sequenz der Saga zu bewundern. Bleibt abzuwarten, wie Regisseur Bill Condon, der für die letzten beiden Teile verpflichtet wurde, seine Aufgabe bewältigt. Außer einigen TV-Episoden ist Condons Vita bisher noch reichlich leer. Es ist also völlig offen, ob die "Twilight"-Saga in ihrem (in den Büchern übrigens überraschend düster und blutig geratenem) Finale noch einmal an Fahrt aufnimmt oder endgültig im Stumpfsinn versinkt.
>> verfasst von Tim Lindemann