Moviebase House of the Devil, The
Wider aller Erwartungen schafft es dieses kleine, unbekannte Filmchen auf dem diesjährigen 23. Fantasy Filmfest sich in die Reihen der ganz Großen einzugliedern. Schon die mehr als klischeebehaftete Geschichte senkt die im Vorfeld gehegte Neugierde: Die junge Studentin Samantha hat die Nase von ihrer Zimmergenossin gehörig voll und mietet deshalb Hals über Kopf eine eigene Wohnung an. Doch die muss natürlich auch bezahlt werden; also geht Samantha auf Jobsuche und wird auch gleich fündig: „Babysitter needed“ verkündet ein Aushang an der Uni. Also leicht verdientes Geld.
Doch nicht nur die Arbeitgeber erweisen sich als höchst mysteriös: Samantha bekommt den Schützling erst gar nicht präsentiert und schließlich stellt sich auch noch heraus, dass es gar kein Kind gibt. Denn eigentlich soll Samantha auf die „Mutter“ des Hausherren aufpassen, und diese darf wenn möglich aber auch nicht gestört werden. Eine anbrechende Mondfinsternis und ein Haus mitten im Nirgendwo tun ihr Übriges, um Samantha eine unvergessliche Nacht im „Haus des Teufels“ zu bieten...
So viel zur höchst unoriginellen Handlung des Streifens - doch hier kommt der Clou.
Regisseur Ti West, der bisher noch keine wirklichen Glanzleistungen hervorbrachte (man denke nur an das CGI-Debakel „The Roost“), hat mit diesem Werk eine nahezu perfekte Hommage an den Horrorfilm der frühen Achtziger geschaffen. Was Tarantino mit seinem Grindhouse Projekt „Death Proof“ noch durch eine gehörige Portion Ironie auch dem „modernen“ Publikum zugänglich zu machen versuchte, präsentiert uns Ti West bierernst und gänzlich ohne jenes Augenzwinkern. Letzteres scheint momentan im Mainstream-Horror jedoch genauso „in“ zu sein wie die sich an Härte, Länge und Masse in immer wieder neue Höhen (und Tiefen) steigernden Gewaltexzesse. Auch auf letzteres verzichtet West hier dankenswerterweise sehr zu Gunsten der stets stimmigen, bedrohlichen Atmosphäre.
Von den schlichten Stop/Motion Opening Credits, mit typischer Synthesizeruntermalung, bis hin zu Mode und Ausstattung. Allen voran Hauptaktrice Samantha (erfrischend natürlich: Jocelin Donahue) stilecht mit Dauerwellen, Walkman und Hochwasserjeans. Doch diese künstliche Authentizität besteht nicht nur auf der Oberfläche. Gerade aus diesem Grund verkommt der Film zu keinem Zeitpunkt zu einer puren Retro-Modenschau - der Teufel steckt hier eben auch im Detail.
West ist es nämlich auch gelungen, ein Stückchen Zeitgeist in seinen Bildern einzufangen. Die wilden Siebziger mitsamt ihrer Ideen und Ideale sind endgültig ausgeklungen. Der Banken- und Börsenboom steht bevor, und mit ihm das Aufkommen der „Ellbogengesellschaft“. Man ist letztendlich auf sich allein gestellt. So auch Samantha, die sich dem unheimlichen Babysitterjob trotz angebotener Hilfe unbedingt alleine ausliefern möchte. Es ist auch die Zeit, in der Serienkiller mit Hilfe der Medien zu omnipräsenten Monstern stilisiert werden und Dahmer, Bundy, Ramirez etc. durchs Land geistern. Xenophobie sowie Paranoia finden ihren Eingang ins kollektive Bewusstsein. Überall könnte der Tod lauern, jeder einsame Highway, jeder Nachbar, jeder dunkle Wald wird so zur Projektionsfläche jener Panikmaschinerie. Genau dieses Gefühl allseits herrschender Bedrohung scheint der Film zu atmen, jedes Bild wirkt davon durchtränkt und hält den Zuschauer konstant auf Spannung. Hinzu kommt eine beinah permanente Streicheruntermalung, welche dem Zuschauer den gesamten Film über vermeintliche Gefahren anzukündigen scheint. Umso wirkungsvoller entfalten sich schließlich die spärlich eingesetzten Schockmomente sowie das Finale, welches recht abrupt beginnt und knapp pointiert endet.
Somit entspricht selbst die Dramaturgie dem klassischen Horrorfilm: Fast eine Stunde geschieht - bis auf eine einzige Ausnahme - wirklich gar nichts. Wir sehen Samantha zu, erkunden mit ihr das unheimliche Anwesen und warten auf das bevorstehende Grauen, was sich allerdings erst in den letzten, alptraumhaften 15 Minuten offenbart.
Eine gelungene, wohltuende Alternative zum momentan angesagten Geisterbahnhorror.
>> verfasst von Christian Wagner