(Anti-)Frauenfilm? Oder auch: "Viel Lärm um...ein bisschen was." Der sogenannte "Hype" ist ein Vorbote, der einem Film sowohl Fluch als auch Segen einbringen kann. Wesentliche Bestandteile dieser Spezies sind im Normalfall eine kräftig wälzende PR-Trommel, kombiniert mit hohen Erwartungen. Garniert man dies jetzt noch mit einem großen Namen, wie beispielsweise dem Titel "Silent Hill", so kommt der "Hype" in die Gänge, bis er schließlich auf dem Höhepunkt seines Daseins abhebt und einen Höhenflug startet, oder hinfällt und mit blutigen Knien und gebrochener Nase wimmernd über die Zielgerade kriecht. Letzteres wie beispielsweise im Titel "Silent Hill".
Dabei fing alles doch so gut an: Game-Designer
Akira Yamaoka kreierte im Jahre 1999 ein Videospiel namens "Silent Hill", das dank seiner bedrückenden Atmosphäre, dem genialen Gameplay und der mitreißenden Story bald Kultstatus in den Kreisen der Zocker erreichte. Kein Wunder das dem Horror-Wunderkind mit -zig anderen Genre-Anleihen bis zum heutigen Tage drei Sequels folgten - und Teil 5 befindet sich bereits in der Mache. Mindestens genausolange wie die Erfolgsgeschichte der Serie dauerte die Zankerei um deren Filmrechte. Namhafte Hollywoodfirmen rannten scharenweise die Türen der Spieleschmiede Konami ein, bis schließlich ein unscheinbarer Filmemacher die oberste Chefetage überzeugte:
Christophe Gans, seines Zeichens Franzose und Regisseur solch durchaus sehenswerter Filme wie "Pakt Der Wölfe" oder "Crying Freeman" bekam den Zuschlag. Relativ schnell fand sich dann auch ein Drehbuchautor: mit
Roger Avary, dem Scheriberling von "Pulp Fiction", konnte so gut wie nichts mehr schiefgehen. Konnte? Hätte können? Nein, nicht mal der Konditional rettet die Sache: ging schief. Setzt man nämlich unseren guten, alten Bekannten namens "Hype" in Relation zum Endprodukt, dem fertigen Film, so ist "Silent Hill" eher ein Fall zum (um beim Videospiel-Jargon zu bleiben) auswerfen, bzw. deinstallieren.
Die junge Mutter Rose (
Radha Mitchell, ganz passabel) ist verzweifelt auf der Suche nach einem Heilmittel für ihre Tochter Sharon (
Jodelle Ferland, wer kennt sie nicht? Hätte ihre Sache aber gruseliger machen können) in eine psychiatrische Anstalt einweisen zu lassen, ergreift sie mit ihrer Tochter die Flucht. Sie will sich auf den Weg nach Silent Hill machen, einer Stadt, deren Namen Sharon immer im Schlaf vor sich hin murmelt. Rose ist fest davon überzeugt, dass sie dort die Antworten auf all ihre Fragen finden wird. Ihr Ehemann Christopher (
Sean Bean - Moment, hat der nicht schon den Vater des verstörten, kleinen Mädchens in "The Dark" gespielt? Hat er etwa nochmal geheiratet? Eigentlich dürfte er ja dann schon Erfahrung haben, oder? Leider nein. Sean, geh zurück zu Goldeneye!) hält dagegen gar nichts von Roses Idee, das Geheimnis von Silent Hill ergründen zu wollen. Rose macht sich zusammen mit ihrer Tochter auf den Weg in die mysteriöse Stadt, doch kurz vor der Stadtgrenze taucht plötzlich eine seltsame Gestalt mitten auf der Straße auf. Rose versucht auszuweichen, doch ihr Auto gerät außer Kontrolle. Als sie wieder zu sich kommt, ist ihre Tochter verschwunden. Zusammen mit einer Polizisten (
Laurie Holden, bei aller Zartheit doch sehr maskulin, passend zur Polizisten-Rolle) aus der Nachbarstadt macht sich Rose auf die verzweifelte Suche nach ihrem Kind. Ziemlich schnell wird klar, dass die Stadt aus Sharons Träumen ein höchst merkwürdiger Ort ist: nach einer verheerenden Brandkatastrophe scheint Silent Hill wie ausgestorben. Umgeben von dichten Nebelschwaden hausen dort seltsame Spukgestalten. Die Stadt wird immer wieder von einer dunklen Macht heimgesucht, die alles, was mit ihr in Berührung kommt, zerstört. Auf der Suche nach ihrer Tochter stößt Rose auf die düstere Geschichte von Silent Hill und die Gründe, warum auf der einst streng puritanischen Stadt nun ein grausamer Fluch liegt. Doch das ist noch nicht alles. Erschrocken muss sie feststellen, dass ihre Tochter Teil eines noch viel größeren und furchtbaren Geheimnisses ist...
So die Inhaltsangabe im Presseheft. Liest sich gut, oder? Wenn man sich jetzt die fesselnde Magie der Silent Hill Videospiele ins Gedächtnis ruft, hört sich das doch nach einer unwiderstehlichen Kombination an, oder? Um ehrlich zu sein: diesen Eindruck hat man auch in der ersten Hälfte des Filmes. Bevor der Plot nämlich richtig ins Rollen kommt, besticht der Film durch unglaubliche (und ich meine unglaubliche!) Nähe zu seinen virtuellen Vorbildern. Sobald unsere Protagonisten nämlich in Silent Hill angekommen sind, wird der Zuschauer von einer unheimlich unheimlichen Atmosphäre umschlossen, die Ihresgleichen in anderen Spiele-Umsetzungen vergeblich sucht. Das beginnt beim schweren Nebel, der sich wie eine Decke über das Dorf legt, dem kontinuierlichen Ascheregen und nicht zu vergessen dem wahnsinnig stimmigen Soundtrack, der jedem Zocker eine ordentliche Dosis Endorphine einspritzen wird - soundtracktechnisch wurde nämlich vieles 1:1 vom Spiel übernommen. Das geht vom orchestralen Score bis hin zum Silent Hill-typischen Trip Hop. Dann - ja, dann kam der lang erwartete Moment der Gänsehaut: Mutter Rose steigt die Kellertreppen eines Hauses hinab, als die Sirenen zu heulen beginnen. Mit einem Mal wird sie von absoluter Dunkelheit umhüllt. Ein Feuerzeug ist die einzige Lichtquelle weit und breit. Was den Sound angeht gehören die Sequenzen, wenn die Sirene ertönt, zu den atmosphärisch überragendsten Szenen der Soundgeschichte. Da muss man sich nicht mal vor Sternenkriegen, T-Rexen und Tripods verstecken! In Zusammenarbeit mit der düsteren Optik, die durch bemerkenswerte Kamerafahrten und extremen Blickwinkeln noch unterstrichen wird, erreicht "Silent Hill" bereits nach kurzer Laufzeit seinen Höhepunkt. Sind wir nämlich über die durchaus interessante erste Hälfte des Filmes hinweg, welche fast die Bezeichnung "interaktiv" verdient hätte und somit das Paradebeispiel für eine geniale Symbiose aus Spiel und Film gewesen wäre, beginnt das Drehbuch sich auszutoben...
Himmel und Hölle mögen
Roger Avary beistehen. Im Presseheft wird die verschachtelte, mehrdimensionale Handlung, die sich auf gleich vier Ebenen (!) abspielt, bis zum Abwinken rechtfertigt. Wofür das Ganze? Der Film ist nicht schwer zu verstehen, der Film ist nur schwer zu glauben. Was zum Teufel ist nur in dich gefahren, lieber Roger? Du! Du, der für den absolut genialen "The Rules Of Attraction - Die Regeln Des Spiels" verantwortlich bist! Stattdessen machst du aus einem Projekt, das Gold wert ist, einen großen, belanglosen Dreckklumpen. Ich frage mich wirklich wie es möglich ist, einen Major Titel gegen Ende so ins lächerlich-Abstruse zu lenken, dass selbst B-Movies locker mithalten können. Das kann, das darf einfach nicht wahr sein. Und das hat nichts mehr mit dem angestrebten Surrealismus zu tun, sondern ist einfach nur Kindertheater ohne Jugendfreigabe. Während des unspektakulären, jedoch sehr, sehr ausführlich erzählten Endes (ihr kennt "Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs"? Ungefähr so...) wird der Film nämlich zu einem derart überzogenen High-Budget Splatterfest (mit durchaus bösem Ende für vorwiegend weibliche Teilnehmer), dass jeder Fan von "Evil Dead" und "Tanz der Teufel" einen zweiten Frühling erleben wird. Die vorhergehende Ansammlung unfreiwilliger Komik lässt sogar noch mehr an die guten, alten Zeiten von Ash und Lionel erinnern: wenn die scheinbar inquisitionsgeilen Sektenmitglieder unsere weiblichen Protagonisten zum x-ten mal als "Witch" beschimpfen und lauthals "Burn her!" schreien, kann man es sich einfach nicht verkneifen an die lustigen Cartoon-Figuren aus Michael Moores "Bowling For Columbine" zu denken, die ähnlich stupide handelten. Alles in allem kann man sagen, dass
Roger Avary sich in seinem sichtlich erzwungenem Genremix und einer Parabel über religiösen Fanatismus genauso verirrt, wie Hauptdarstellerin Sharon im verschlafenen Örtchen Silent Hill. Den Rest erledigen hirnlose Dialoge und überzogene Handlungen, welche ein Mittelstufler in einem Übungsaufsatz besser hinbekommen würde.
"Silent Hill" startet wie eine Rakete, schaurig, atmosphärisch, witzig, dramatisch, fesselnd, erstaunlich - verglüht jedoch kläglich beim Austritt aus der Atmosphäre und verliert sich im ewigen All. Der erhoffte Überflieger, der dieser Film hätte sein können, ist er keinesfalls. Da halfen weder geniale Filmeschöpfer noch jegliche Bestandteile unseres allseits beliebten Hypes. Wer sich diesen Film ansieht soll sich an den stimmigen Szenen, während Silent Hill von der Dunkelheit dominiert wird, erfreuen und ordentlich Angst vor den genial designten Kulissen und Monstern (grausig, schaurig schön!) bekommen. Dank vieler Fans der Videospiele und zahlreicher, neugieriger Kinogeher, aufmerksam geworden durch den Hype, wird der Film sicherlich sein Publikum finden. Und einige werden dem Film auch sicher viele positive Aspekte abgewinnen können. Auch traue ich mich zu behaupten, dass dieser Film sicher noch als Inspiration für den einen oder anderen Filmemacher dienen wird. Aber für mich, als Spieler der Teile 1,3 und 4 und großen Fan von
Roger Avary ist dieser Film gerade mal Durchschnitt. Schade eigentlich.
>> geschrieben von Dominic Stetschnig
An die Leute, die den Film gesehen haben: Runterscrollen und sich einen Vorschlag ansehen, wie der Film vielleicht hätte enden können SPOILER In der Szene gegen "Ende", als Sharon sich elegant durch die Dark Nurses schlängelt und den Raum mit dem "Dämon" erreicht und alles ganz hell wird, hätte Folgendes passieren können: Ich fand es zwar gut das der Film in dieser Sequenz idiotensicher aufgeklärt wurde, auch wenn die Aufklärung an sich unbefriedigend war. Das ganze hätte man jedoch auch durchaus inszenatorisch, während des ganzen Filmes machen können. Mein perfektes Ende wäre nämlich dann gewesen, dass Sharon in den Raum hingeingestürtzt wäre, alles sich weiß erhellt und die Stimme des kleinen Mädchens gesagt hätte: "Congratulation Sharon. You've made it 'til the end. You've overcome all obstacles and managed to come here. You're reward is that you now know the truth". Dann noch: "*Abschließenden Satz zur Auflösung der Story, eventuell mit Interpretationsfreiheit, soll zum Nachdenken anregen*". Und dann, abschließend: "Game Over", mit einem passenden Schriftzug aus der Silent Hill Reihe. Lust darüber zu diskutieren? Dann surft auf unser Forum und tauscht euch aus!