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Moviebase Agnosia

Agnosia
Agnosia

Bewertung: 45%

Userbewertung: 85%
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Originaltitel: Agnosia
Kinostart: Unbekannt
DVD/Blu-Ray Verkauf: 01.07.2011
DVD/Blu-Ray Verleih: 01.06.2011
Freigabe: Unbekannt
Lauflänge: - Minuten
Studio: Telecinco Cinema
Produktionsjahr: 2010
Regie: Eugenio Mira
Drehbuch: Antonio Trashorras, Javier Gullón
Darsteller: Martina Gedeck, Eduardo Noriega, Félix Goméz, Jack Taylor, Luis Zahera, Sergi Mateu, Santi Pons, Miranda Makaroff

Es ist ein seltsames Zusammentreffen der Zufälle, dass die junge Joanna (Bárbara Goenaga) gerade an jenem Tag ihren Zusammenbruch erleidet, an dem ihr Vater, Artur Prats (Sergi Mateu), dieses besondere neue Gerät vorführen möchte. Eine Schar potentieller Käufer, von der umtriebigen Lucile Prevert (Martina Gedeck) zusammengeführt, will begierig sein neues Teleskop bewundern – leicht doppelt so stark wie die bisher existierenden, aber doch klein genug, dass man es als Zielfernrohr auf ein Gewehr stecken kann. Und gerade als dieses Instrument im Dienste verfeinerter optischer Wahrnehmung vorgeführt werden soll, bricht Joanna – wie sich später zeigen soll, aufgrund einer Enzephalitis – zusammen und wird nie wieder normal sehen können. Gesichter und Menschen, auch Räume erscheinen ihr nur noch als verwaschene Schemen. Allein Farben kann sie gut auseinanderhalten, und der Sternenhimmel ist das einzige, was sie auch nach ihrer Krankheit noch sehen kann.

Seither trägt Joanna ein Mark auf ihrer Stirn, und ihr Vater hat alle Unterlagen zu seiner Erfindung vernichtet, von der er nicht will, dass sie in falsche Hände gerät – Joannas Sturz und Krankheit sind ihm warnendes Vorzeichen genug. Viele Jahre später – im Barcelona von 1899 – hat aber das Interesse daran nicht nachgelassen; Krieg ist schließlich, so darf man vermuten, immer irgendwo, und Prevert hat nach wie vor großes Interesse daran, mit Prats' Teleskop Geschäfte zu machen. Und so ist „Agnosia“ zu allererst die Geschichte einer ausgefeilten Spionageaktion – als Prats sein Geheimnis nämlich mit ins Grab nimmt, versuchen Prevert und ihre Verbündeten, die Informationen von Joanna zu erhalten. Zentrale Figur ist dabei der Gauner Vicent (Félix Gómez), der sich Joanna gegenüber als ihr Verlobter Carles (Eduardo Noriega) ausgeben soll.

Ein solcher Plot kann natürlich nur deshalb funktionieren, weil er die Krankheit Joannas und ihre Wahrnehmungseinschränkungen ebenso als zentralen Prämisse etabliert wie die wenig libertäre Geschlechterkonstellation des gehobenen spanischen Bürgertums am Ende des 19. Jahrhundert. Aber „Agnosia“ ist dennoch nicht primär ein Historienfilm oder gar ein Zeitportrait. Zwar gibt es einige Szenen, die in ihrer liebevollen Nachgestaltung des Barcelona der Vergangenheit an die Mühe erinnern, die sich Luc Besson etwa bei der Darstellung von Paris in „Adèle und das Geheimnis des Pharao“ gegeben hatte.

Das Interesse von Regisseur Eugenio Mira gilt weniger den Äußerlichkeiten als mehr den inneren Beschränkungen, denen die Figuren unterstehen. Joannas Krankheit wird nach Aussage ihres Arztes (Jack Taylor) dadurch hervorgerufen, dass die Wahrnehmung der Welt bei ihr völlig ungefiltert wie bei einem kleinen Kind ankommt, dass sie von der Menge der Eindrücke schlichtweg überwältigt sei. In gleicher Weise ist sie aber eben auch für moralische Verhaltensweisen offen, die ihrer Zeit und gesellschaftlichen Position eigentlich nicht zugänglich waren; und genau dadurch wird sie sich später den eher leidenschaftlichen denn platonisch-romantischen Zuwendungen von Vicent (den sie gleichwohl für ihren Bräutigam hält) öffnen.

Wenn man so will, kann man „Agnosia“ also auch als Parabel über gesellschaftlichen Wandel und gar die Auflösung patriarchaler Ordnung lesen, in dem die vom Vater hergestellte und gesellschaftlich sanktionierte Erbfolge – der Nachfolger in der Arbeit wird zugleich Nachfolger im Amt des Familienoberhaupts – durch die Kraft des Krieges (als „Vater aller Dinge“) und den Einfluss der proletarischen Schichten angegriffen wird. Allerdings ist Miras Film weder so eindeutig lesbar noch findet er einen Weg, um seine eigene Bilderwelt zu beschränken und zu fokussieren. So liefern die Bilder von der Vorführung des Fernrohrs ganz zu Beginn des Films einen mystischen Unterton, den der Film nie wieder einzulösen oder auch nur zu treffen vermag. Auch deutet sich mit dem Fernrohr, das in seiner konkreten Form Elemente des Steampunk aufzurufen geeignet ist, und Joannas Zusammenbruch eine Durchlässigkeit zum Fantastischen an, die sich später nicht wiederfindet: Dafür verbleibt der Film über die meiste Zeit zu sehr einer realistischen Weltsicht verpflichtet.

Weil der Film all das anreißt und nicht auszuwählen vermag, sieht man schließlich zu viel: ein Liebes- und Beziehungsdrama, eine Spionagegeschichte und eine moralische Parabel mit fantastischen Elementen. „Agnosia“ bietet zu viel zur gleichen Zeit an, und wie in Joannas Blick wird es unmöglich, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen. Es bleiben verschwommene Szenen in wunderschönen Farben. Und irgendwo darüber der Sternenhimmel.

>> verfasst von Rochus Wolff

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