Wer sich schon immer darin gefiel, der kalifornischen Filmschmiede Hollywood den kreativen Bankrott zu attestieren und jedem neuen Sommerblockbuster mit vor Ekel gekräuselter Oberlippe zu begegnen, für den ist der Kino-Sommer 2011 wahrlich ein Fest. Zumindest gefühlt scheinen die Multiplexe in diesem Jahr besonders gefüllt zu sein mit den lieblosen Aufgüssen erfolgreicher Vorlagen, mit Sequels, Prequels oder Spin-Offs. Harry Potter dreht die mittlerweile achte Runde, Teenie-Vampire rüsten sich zum vierten Aufmarsch, die X-Men erscheinen in der ein oder anderen Gestalt auch schon zum fünften Mal. Ein erneute Bearbeitung des "Planet der Affen"-Stoffes überrascht zunächst: Klar, rechnet man die ursprünglichen Filme aus den Siebzigern mit dazu, kommt auch dieses Franchise mittlerweile auf stolze sechs Ausgaben (plus eine TV-Serie), nach Tim Burtons künstlerischem Debakel von 2001 hätte es aber vielleicht offensichtlichere Projekte gegeben, die sich zur Neuverfilmung anbieten. Der offenkundige Grund liegt, wie immer, in den nackten Zahlen: Man mag ob der Kritik an Burtons Werk (ausgesprochen übrigens auch vom Regisseur persönlich) glatt vergessen, dass der Film 2001 beinahe das erfolgreichste Startwochenende hinlegte, nur überholt vom ersten Abenteuer eines gewissen Zauberlehrlings. Nun nimmt also Rupert Wyatt auf dem "affigen" Regiestuhl Platz und liefert erstaunliche Ergebnisse.
Dem britischen Regisseur, dessen Debüt "The Escapist" auf nicht allzu große Resonanz stieß, gelingt es tatsächlich, um die relativ hanebüchene Story dieses Prequels einen "echten" Film zu kreieren; will sagen, eine äußerst clever inszenierte Science-Fiction-Parabel, die nicht, wie viele andere Prequels, als inhaltsloser Lückenfüller verpufft, sondern zu jeder Minute spannend und zu keiner albern wirkt. Was bei einem Film mit sprechenden Affen zweifellos ein hoher Verdienst ist. Es gelingt dem Film vor allem durch die grandiose Kameraarbeit, die Wandlung jener Affen von bloßen sympathischen Haustieren zu individuellen Charakteren plausibel zu bebildern, indem die Bilder teils spektakulär deren Perspektive annehmen; eine stilistische Entscheidung, die sich im Kontext der Story als von fundamentaler Wichtigkeit erweist. Denn, wie jeder weiß, der "Planet der Affen" ist und war nie etwas anderes als unsere Erde, drastisch verändert durch grausame Gen-Experimente an Schimpansen. Diese Vorgeschichte zum Kultklassiker von 1968, wie der Mensch durch sein unverantwortliches "Gott-Spielen" mit der Natur schließlich von den Affen von der Erde verdrängt wird, erzählt der Film angenehm beiläufig, ordnet seine Figuren niemals dem Drang unter, möglichst passgenau an die Ereignisse des ersten Teils anzuschließen.
Um die wendungsreiche Story nur knapp zu umreißen: Der junge Forscher Will Rodman (James Franco – so sehen Wissenschaftler nur in Hollywood aus) testet im Labor einer großen Pharmafirma sein selbstentwickeltes Heilmittel für Alzheimer an Labor-Affen. Nach einem verheerenden Fehlschlag sollen alle Versuchstiere getötet werden. Will gelingt es, eines der Jungtiere vor dem Tod zu retten, indem er den kleinen Affen aus dem Labor schmuggelt. Der auf Caesar getaufte Affe wächst fortan bei dem Forscher zu Hause auf und entwickelt schon bald eine geradezu unheimliche Intelligenz...
Es ist das erstaunliche Gespür für Genre-Inszenierung, das Wyatts Film deutlich über den Durchschnitt der zeitgenössichen Blockbuster hebt. Natürlich finden sich auch in dem sperrig betitelten "Rise Of The Planet Of The Apes" immer wieder die für Hollywood typischen Klischees und Dialogpannen. Nicht nur, aber, dass sich diese Fauxpas in engen Grenzen halten, nein, spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem Will den freundlichen Affen Ceasar in das heruntergekommene Tierheim des bösartigen Pflegers Landon geben muss, schwingt sich der Film zu neuen Höhen hinauf. Der Aufenthalt im Tierheim ist beinahe komplett aus der Perspektive des Tieres gedreht und verwandelt den Film so, konsequenterweise, zum reinrassigen Knastdrama. Es macht einfach nur Spaß mitanzusehen, wie Wyatt hier die klassischen Versatzstücke des Gefängnisfilms gleichzeitig persifliert und hochleben lässt, indem er dessen Perspektive durch den Blick von, nun ja, Affen filtert: Der sadistische Wärter, die Streitereien unter den "Gefangenen", schließlich die heroische Flucht – alle Elemente sind vorhanden. Die teilweise etwas dick aufgetragene Tierschutz-Botschaft des Films erreicht hier ihren cineastischen Höhepunkt. Ebenso clever inszeniert der Film den Aufstand der Affen gegen die menschlichen Unterdrücker: In bester Tradition von solchen Revolutionsfilmen wie "Che" oder gar "Panzerkreuzer Potemkin" spürt der Zuschauer hier am eigenen Leib das wütende Brodeln unter der Oberfläche der Ausgebeuteten, das sich schließlich in verzweifelter Gewalt gegen das bestehende System entlädt.
Man wundert sich über die Tiefe und Liebe zum Detail, die hier investiert wurde, ist eine auch nur minimale Vielschichtigkeit im modernen amerikanischen Action-Film doch mittlerweile eine exotische Rarität. Der enorm hohe Spaß- und Spannungsfaktor, der von Regisseur Wyatt und vor allem auch von "Herr der Ringe"-Kameramann Andrew Lesnie mit großer inszenatorischer Kompetenz kombiniert wird, lässt auch über die kleinen Schwächen des Films hinwegsehen: Etwa das teils störende Overacting (leider auch von der bezaubernden Freida Pinto) oder die stellenweise etwas zu offensichtlich computeranimierten Affen (es stand kein einziger echter Primat vor der Kamera). Der vom scheinbar auf ewig zum CGI-Chargen verdammten Andy Serkis gesteuerte Affe Caesar weiß allerdings in seiner immer menschlicher werdenden Mimik zu überzeugen. "Rise Of The Planet Of The Apes" ist ein Film, dem man jedem Hollywood-Verdrossenen empfehlen kann, um sich davon zu überzeugen, dass es zumindest manchmal noch etwas zu entdecken gibt in der Traumfabrik.
>> verfasst von Tim Lindemann