Moviebase Maniac
Dass Elijah Wood nicht nur Ringe herumtragen kann, bewies er bereits als Kevin in der düsteren Comic-Adaption „Sin City“ oder im Schläger-Drama „Hooligans“. Das Image des kleinen liebenswerten Hobbits konnte der Schauspieler dadurch ablegen und sich auch in anderen Filmrichtungen Rollen sichern. Das brachte ihn nun mit Regisseur und Produzent Alexandre Aja und seinem langjährigen Partner Franck Khalfoun zusammen.
Khalfoun, der bereits in einigen Aja-Produktionen als Darsteller auftrat, lieferte sein durchwachsenes Regie- und Drehbuchdebüt mit dem Horrorthriller „P2 – Schreie im Parkhaus“ ab, bei dem Aja als Produzent fungierte. Für „Maniac“ fiel die Aufgabenverteilung ähnlich aus: Alexandre Aja verfasste das Drehbuch und produzierte, Khalfoun übernahm die Regie – und übertrifft seinen Erstling mit dieser Arbeit um Längen.
Frank (Elijah Wood) lebt zurückgezogen und einsam in Downtown Los Angeles. Ganz allein betreibt er einen Laden, den er von seiner verstorbenen Mutter geerbt hat und in dem er Schaufensterpuppen restauriert. Nachts zieht er durch die Straßen und macht Jagd auf Frauen, die er tötet, skalpiert und entkleidet. Mit diesen Trophäen schmückt er zu Hause seine Puppen. Dadurch, so glaubt er, haucht er ihnen Leben ein. Aufgewachsen mit einer promiskuitiven Mutter, die ihn immer vernachlässigt hat, hofft Frank nun seine innere Leere füllen zu können.
Eines Tages taucht die junge Künstlerin Anna (Nora Arnezeder) in seinem Laden auf. Fasziniert von den Schaufensterpuppen bittet sie, diese fotografieren zu dürfen, und kommt mit Frank ins Gespräch. Natürlich hat Anna keine Ahnung, mit wem sie da gerade Freundschaft schließt…
Ein Schauspieler lebt durch seine Präsenz und seinen Wiedererkennungswert beim Publikum. Als Elijah Woods endgültiger Durchbruch kann zweifelsohne sein Engagement als Frodo in der „Herr der Ringe“-Trilogie angesehen werden, sieht man einmal von seiner Jugendrolle als Sandy im Tierabenteuer „Flipper“ ab. Elijah Wood hat dieses besondere Etwas, das ihn aus der Masse von Darstellern herausstechen lässt. Umso verwunderlicher ist es daher, dass der Amerikaner für die Rolle des Frank in „Maniac“ zusagte. Sein Antlitz bleibt hier nämlich über weite Strecken verborgen.
Und das hat seinen guten Grund, denn Regisseur Franck Khalfoun lässt den Zuschauer die Geschichte mit den Augen des psychisch labilen Frank erleben. Bis auf zwei Ausnahmen sehen wir nur das, was auch Frank sieht. Wackelig wird es dabei übrigens nie. Diese Wahl der subjektiven Wahrnehmung führt zu einem ungemein intensiven Filmerlebnis, das direkt in Mark und Bein geht. Eine solche Inszenierung ist für uns immer noch weitestgehend ungewohnt und erinnert ein wenig an einen Egoshooter. Nur hat diesmal nicht der Zuschauer die Kontrolle über das Geschehen, sondern Frank. Und seine Taten sind es, die uns in seine seelischen Abgründe und die klaffende Wunde aus seiner Kindheit blicken lassen.
Die jungen Tage von Frank waren von Leid und Missachtung geprägt, weshalb sich der junge Restaurateur in ein blutiges Hobby flüchtet. Frank geht wenig zimperlich mit seinen unschuldigen Opfern um. Fersen werden durchtrennt und die Kopfhaut samt Haaren ohne mit der Wimper zu zucken vom Schopf skalpiert. Weggucken ist dabei unmöglich, schließlich sind wir gefangen in Franks Körper und sehen alles mit an, was auch er sieht. Das ist phasenweise fast schon unerträglich hart, weil unglaublich realistisch und schockierend. Es ist eben die subjektive Kamera, die das Ganze dermaßen nah an den Kinobesucher heranträgt, dass eine Flucht unmöglich scheint.
Ganz auf Elijah Wood verzichten konnte Khalfoun letztlich aber nicht. Wahrhaftig in Erscheinung tritt Wood immer dann, wenn er sich selbst in einer spiegelnden Fläche sieht und in einer der Szenen, in denen die Kamera kurzzeitig seinen Kopf verlässt und eine andere Position einnimmt. Wood war dennoch bei jedem Dreh anwesend und folgte Kameramann Maxime Alexandre („Silent Hill: Revelation 3D“) auf Schritt und Tritt durch die Kulissen, um stets mit dabei zu sein und die Rolle zu leben. Dies gelingt ihm über die komplette Spielzeit.
In dreckigen, kalten, teils sterilen, aber sehr ästhetischen Bildern und mit dem industriellen sowie schaurig-schönen Soundtrack macht sich Unbehagen breit, wird die Stimmung immer düsterer und angespannter. Frank ist krank, er ist eine Bestie, die uns mit auf ihren blutigen Streifzug durch die Nächte und in ihre perversen Gedanken nimmt. Am Ende mag vielleicht das letzte Quäntchen Hintergrund fehlen, das uns die morbiden Gelüste von Frank vollkommen glaubwürdig übermittelt. Dennoch ist Alexandre Ajas und Frank Khalfouns böses Slasherdrama dank eines ambitionierten Hauptdarstellers, einer immens furchteinflößenden Atmosphäre und der unverbrauchten Herangehensweise eines der gelungensten Horror-Remakes der letzten Jahren – und definitiv nichts für schwache Nerven.
>> verfasst von Janosch Leuffen