Moviebase Bela Kiss
Als angehender Filmemacher hat man es in Deutschland nicht leicht. Schon gar nicht, wenn man sich für sein Debüt das Horrorgenre aussucht. Genau das hat Lucien Förstner getan und sich damit auf ein schwieriges Territorium begeben. Und als könnte es abgedroschener kaum sein, prangert über seinem Erstling auch noch das in Mode gekommene Siegel „nach einer wahren Begebenheit“. Alles Anzeichen also, die erfahrungsgemäß wenig Gutes mit sich bringen.
Umso mehr erstaunt es, was der ehemalige Filmstudent aus seinem ersten Werk herausholt. Basierend auf den Taten des ungarischen Serienkillers Béla Kiss strickte Förstner eine typische Genregeschichte, die auf optischer Ebene überzeugt. Zum großen Wurf reicht es aber noch nicht.
Béla Kiss gilt als einer der grausamsten Serienmörder des 20. Jahrhunderts. Zu Beginn des ersten Weltkrieges tötete er über 20 junge Frauen. Die Leichen wurden in Alkohol eingelegt in Metallfässern auf seinem Anwesen in der Nähe von Budapest aufgefunden. Die Körper waren blutleer. Gerüchten zufolge wurde Béla Kiss noch Jahrzehnte später rund um den Globus gesehen. Allerdings konnte er nie gefasst werden und so ist der Verbleib dieses Mannes bis heute ungewiss.
Fast ein Jahrhundert später versteckt sich, in einem abgelegenen Hotel mitten im Wald, eine Gruppe von fünf jungen Bankräubern vor der Polizei. Unter falschem Namen genießen sie zunächst die Anonymität dieses Ortes, der Unterschlupf für den diskreten Ehebruch bietet. Doch mit jedem Tag steigert sich das Unbehagen der Gesuchten. Im Haus gehen merkwürdige Dinge vor sich. Fernab von der Zivilisation schnappt die Falle zu, als sich die grausamen Ereignisse überschlagen und eine Brücke in die Vergangenheit bauen. Binnen kürzester Zeit entwickelt sich der vermeintlich sichere Ort zu einem tödlichen Albtraum. Ein Kampf um Leben und Tod beginnt, in dem ein längst Totgeglaubter höhere Ziele verfolgt.
Die Vorahnungen scheinen sich gleich am Anfang zu bestätigen, wenn fünf Freunde in einem alten VW-Bus über eine einsame Straße inmitten tiefer Wälder fahren. Erinnerungen an den Kultklassiker „Texas Chainsaw Massacre“ werden geweckt – und die kommen nicht von ungefähr. In einem Interview gab Förstner an, großer Fan von Marcus Nispels Slasherremake zu sein. Doch anders als bei seinem deutschen Kollegen entpuppt sich die Gruppe als eine Bande Krimineller, was dem Umstand eine ganz andere, wesentlich dramatischere Note verleiht. Jegliches Mitgefühl für die Protagonisten wird somit von vornherein ausgeschlossen, gegebene Erwartungen geschickt umschifft.
Für den weiteren Verlauf gilt das leider nicht. Im mysteriösen Waldhotel angekommen, beginnt eine recht zähe Tortur für die anwesenden Gäste. Angesprochen wird sich – um anonym zu bleiben – nur mit Figuren aus bekannten Märchen. Ein netter Einfall, der sich allerdings als nichtig herausstellt. Ziemlich schnell wird klar, dass der berühmt-berüchtigte Massenmörder irgendetwas mit der Herberge zu tun haben muss. Bevor der wahre Horror ansteht, vergeht aber eine ganze Stunde. In dieser Zeit versäumt Förstner, die Spannung und dadurch den Anreiz hoch zu halten, unbedingt wissen zu wollen, was da eigentlich vor sich geht.
Optisch hingegen ist „Bela Kiss: Prologue“ ein kleiner Leckerbissen. Während die gegenwärtigen Szenen farblos und kalt gehalten sind, faszinieren die Rückblenden mit Zeitlupeneffekt und hohen Kontrasten. Förstner zeigt Mut und probiert einfach mal etwas anderes aus, was sich zugleich bezahlt macht. Seine Arbeit ist visuell sehr ansprechend und zeigt, dass nicht jede Genrekost aus heimischen Gefilden konventionelle Wege geht. Zögerlich und zurückhaltend präsentiert sich der Regisseur und Drehbuchautor nur dann, wenn es darum geht, den blanken Horror in seiner ganzen Härte darzustellen. Letztlich bleibt auch das Geschmackssache, etwas näher hätte die Kamera aber durchaus hinschauen dürfen.
Der im Filmtitel stehende Prolog kann das Langfilmdebüt von Lucien Förstner treffender kaum beschreiben. „Bela Kiss“ ist eine ausgedehnte Einführung auf den Nachfolger, der offensichtlich kommen wird. Genau daran krankt das Buch. Für eine anderthalbstündige fiktive Einleitung bietet die Handlung zu wenig Stoff und wirkt langatmig. Das ist insofern schade, weil Förstner im finalen Akt dann wiederum demonstriert, was alles möglich gewesen wäre. Ein überzeugender Schlusstwist wartet auf den Zuschauer und lässt hoffen, dass der zweite Film mit mehr erzählerischer Finesse aufwartet. Die Bildsprache hingegen kann gerne beibehalten werden.
>> verfasst von Janosch Leuffen