Moviebase Gravity
Die Oscar-Saison 2014 geht in die heiße Phase. Als großer Favorit der 86. Academy-Awards gilt Alfonso Cuaróns Science-Fiction-Drama „Gravity“, der unter anderem in den Königskategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“ nominiert ist. Nun steht das Werk in den Händlerregalen zum Kauf bereit und macht deutlich, dass man seine einzigartige Entfaltung tatsächlich am besten im Kino erleben sollte, wenn sich noch eine Chance ergibt.
Sandra Bullock, die ebenfalls für einen Goldjungen als „Beste Darstellerin“ nominiert wurde, spielt die Medizintechnikerin Dr. Ryan Stone, die während ihrer ersten Shuttle-Mission von ihrem Kollegen Matt Kowalsky (George Clooney) unterstützt wird. Doch was anfangs nach einem puren Routineeinsatz aussieht, entwickelt sich zum nackten Überlebenskampf, als das Raumschiff plötzlich von herumfliegendem Weltraumschrott getroffen wird. In aussichtsloser Situation versuchen die beiden, sich in der unendlichen Weite des Alls zu retten – aber der Sauerstoff reicht nicht mehr lange.
So ein Zwei-Personen-Kammerspiel im weiten Raum kann schnell langweilig werden. „Gravity“ scheint da anfangs keine Ausnahme zu machen. Weshalb ausgerechnet eine Medizintechnikerin an der defekten Konsole herumschrauben muss, sei einmal dahingestellt. Die Geschichte an sich birgt zudem wenig Inhalt und beschäftigt sich im Grunde nur mit den beiden Hauptfiguren, die Opfer eines tragischen Unglücks werden.
Im Finale tragen Alfonso und sein Sohn Jonás Cuarón, die zusammen das Drehbuch verfassten, dann etwas zu dick auf. Das ist freilich immer noch Geschmackssache und der Schlusspunkt macht dem Filmtitel auch konsequenterweise alle Ehre. Jedoch scheint dieser Akt wie herausgerissen und steht im kompletten Kontrast zum bisher Gezeigten. Und genau deshalb ist es wichtig, sich der audiovisuellen Wucht dieses Meisterstücks hinzugeben. Für denjenigen, der über kein 3D-Heimkino verfügt und auf die normale Blu-ray oder DVD ausweichen muss, könnte sich der Oscar-Anwärter deshalb etwas zäh gestalten. Denn hier geht genau das verloren, was „Gravity“ so einzigartig und lohnenswert macht.
Visuell ist Cuaróns erster Spielfilm seit „Children of Men“ von 2006 der helle Wahnsinn. Wohl noch nie wurde der Einsatz von 3D-Effekten so innovativ und virtuos eingesetzt wie hier. Mitten aus dem All dringt die Kamera ins Helminnere von Stone ein und verwandelt sich im fliegenden Wechsel in eine Point-of-View-Einstellung (inklusive Atemdunst am Visier), die das Drama unglaublich beklemmend und realistisch werden lässt.
Insgesamt wirkt der nervenzerfetzende Ausflug in den Weltraum wie aus einem Guss, der aufgrund der gefühlten fehlenden Schnitte keine Zeit zum Luftholen lässt. Wir sind Teil dieses Abenteuers und schleudern zusammen mit den Hauptdarstellern schwerelos herum, dass uns schwindlig wird. Cuarón beweist einmal mehr, dass er einer der versuchsfreudigen Filmemacher unserer Zeit ist.
Das Erlebnis funktioniert aber eben nur, wenn ein Kino aufgesucht wird oder sich im heimischen Wohnzimmer alle nötigen Komponenten wiederfinden. Bleibt zu hoffen, dass Warner Bros. „Gravity“ nach einer erfolgreichen Oscar-Verleihung noch einmal in die Kinos bringt. Wer ihn im Oktober verpasst hat, sollte dann unbedingt ein Lichtspielhaus aufsuchen, am besten noch eins mit Dolby-Atmos-Soundsystem. Dann dürfte dieser Trip das ultimative Ereignis werden. Denn genau für solche Filme wurde Kino erfunden.
Tipp: Jonás Cuaron erzählt in einem Kurzfilm „Aningaaq“ die Geschichte eines Inuit, der Kontakt zu einer Astronautin hat, die wir bestens kennen.
Fazit: Spektakuläre Optik mit dem bisher kreativsten Umgang von 3D. „Gravity“ liefert große Bilder, lässt dafür in der Handlung etwas nach.
>> verfasst von Janosch Leuffen