Moviebase Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre
"Beruhend auf wahren Ereignissen" – dieser Zusatz scheint in den letzen Jahren vor allem bei Horrorfilmen äußerst in Mode gekommen zu sein. Dem Zuschauer soll somit das Gezeigte näher gebracht werden, nahezu in den Bann ziehen. Das muss und kann nicht bei jedem Film gelingen, bei diesem hat es aber hervorragend funktioniert. Jedoch würde dieser Streifen auch ohne den erwähnten Zusatz den Zuseher fesseln. Denn der deutsche Regisseur Marcus Nispel erzeugt Panik, Angst und Schrecken fast mit nur einem Stilmittel: Atmosphäre.
Sommer 1973: Eine Gruppe junger Leute ist im VW-Bus über die staubigen Straßen von Texas unterwegs. Die Stimmung ist ausgelassen. Plötzlich erscheint wie aus dem Nichts eine Frau auf der Landstraße und wird fast von dem Bus erfasst. Sie scheint verwirrt zu sein, redet unverständlich und von Todesangst gezeichnet vor sich hin. Widerwillig lässt sie sich von der Gruppe mitnehmen, doch als die Fahrt sie scheinbar an den Ort des Horrors zurückbringt, dreht sie völlig durch. Auf der Suche nach Hilfe stößt die Clique in einer kleinen, abgelegenen Stadt auf deren bizarre Einwohner. Die Tankstellenwirtin, der Polizist und der alte Mann im Rollstuhl scheinen etwas Schreckliches zu verbergen. Unter mysteriösen Umständen verschwinden nach und nach die ersten Freunde, die Gruppe wird auseinandergerissen. Dann hören die Übriggebliebenen zum ersten Mal das Geräusch einer Motorsäge!
„Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass Remakes älterer und kultiger Horrorstreifen nicht immer in die Hose gehen müssen. Michael Bay („Die Insel“) hat zu diesem Ergebnis allerdings am wenigsten beigesteuert, fungierte er doch lediglich als ausführender Produzent. Ein größeres Lob sollte da schon an den Cast und das Team um den deutschen Werbefilmer Marcus Nispel gehen. Schnell freundet man sich mit der jungen Truppe an, die doch nur ein Konzert ihrer Lieblingsband Lynard Skynard besuchen möchten. Herrlich verrückte Charaktere, die die Jugend der siebziger Jahre widerspiegeln. Allen voran sexy Jessica Biel geht in ihrer Rolle als taffes Girlie richtig auf. Es dauert auch gar nicht lange, bis das Partygrüppchen eine durchgeknallte – anders kann man es wohl kaum beschreiben – Passantin aufgabelt, die sich im Van der Freunde das Leben nimmt. Da fangen die Sorgen erst richtig an. Denn ab sofort beginnt eine atmosphärisch düstere und extrem beängstigende Hetzjagd, bei der die verschiedensten Personen vorgestellt werden. Ein Sheriff, der alles andere als freundlich und zuvorkommend gegenüber den Hilflosen ist, und eine Familie, mit der irgendetwas nicht ganz stimmt. Zudem treffen wir einen kettensägenschwingenden Massenmörder, der tief im Inneren seines Wesens vielleicht doch noch so etwas wie Herz besitzt. Ich spreche natürlich vom legendären Leatherface.
Marcus Nispel gelingt es fast den gesamten Film über, die finstere Atmosphäre beizubehalten und dem Zuschauer ein Gefühl von Atemnot und Panik zu geben, dass erst nach Ende des Massakers langsam nachlässt. Dabei benutzt Nispel die ein oder andere Kameraeinstellung und –fahrt, die sehr makaber, aber raffiniert daherkommt. Auch die stets dunklen Farbtöne ziehen runter, ein Schatten hier, ein Geräusch da machen das ganze Szenario zu einem Höllentrip. Wer in der Gartenbaubranche tätig ist, sei gewarnt: Spätestens nach „Texas Chainsaw Massacre“ werden Kettensägen nicht mehr zu ihren Freunden gehören. Denn was allein der Sound einer solchen in Zusammenspiel mit Leatherface in einem alten Haus mitten im Nirgendwo bewirkt, ist kaum auszuhalten. Auch an Blut mangelt es beim Kettensägen-Massaker selbstverständlich nicht. Da wird ein Bein abgehackt, oder auch mal zwei, hier der Arm und einige andere Körperteile. Und auch Fleischerhaken aus der Metzgerei werden nicht immer für das benutzt, wofür sie eigentlich gedacht sind. Dabei zuzusehen, wie ein zwar verrückter, aber dennoch liebenswerter Jungspund wie ein Schwein aufgehängt wird, erfordert nicht nur starke Nerven, sondern auch ein gesundes Maß an Schmerzunempfindsamkeit. Wer hier nicht wenigstens sein Gesicht vor Schmerz verzerrt, ist entweder Indianer oder im falschen Film.
Kurz vor Ende wird es dann – man mag es kaum glauben – sogar etwas rührselig. So brutal und kompromisslos Leatherface die ganze Zeit über meuchelt, weiß man als Zuschauer doch mehr als die Darsteller. Irgendwas Menschliches hat das Geschöpf. Deswegen tut er einem fast ein bißchen leid, als er nicht nur seine geliebte Kettensäge, sondern auch den die Säge bedienenden Arm lassen muss. Aber was wäre ein Horrorfilm, ohne nicht mindestens ein Klischee bedient zu haben? Genau: Kein Horrorfilm. Das liefert uns dann Nispel selbstverständlich auch: Der Böse steht noch einmal auf, Autos beziehungsweise Trucks passieren dann die Straße, wenn’s gerade nötig ist und am Ende geht doch wieder alles gut aus. Dafür hätte dann der Showdown zwischen Mrs. Biel und dem Ledergesicht gerne etwas ausgereifter sein dürfen.
Aber was will man mehr? Perfekt ist „Texas Chainsaw Massacre“ mit Sicherheit nicht, aber sicherlich besser als so manch anderes Remake und packender als manch anderer Horrorstreifen. Langweilig wird’s nie, zu sehr steckt man im Geschehen. Die Effekte und die Atmosphäre sind großartig und Leatherface wird auf eine ganz besondere Art und Weise dargestellt. Meine Empfehlung: Unbedingt ansehen und dann auf Dezember freuen, wenn Leatherface erneut zu uns kommen wird…
>> verfasst von Janosch Leuffen