Moviebase Fragile - A Ghost Story
Filmax International, Spaniens Vorzeigefilmschmiede in Spe, weiß mit immer neuen Produktionen zu gefallen. Im Rekordtakt veröffentlicht das Unternehmen viel versprechende Titel wie Jaume Balaguerós „Darkness“, dessen Erfolg selbst in den amerikanischen Kinos überraschte, oder die jüngst vom e-m-s Verleih in Deutschland veröffentlichte „Films to Keep You Awake" Horror Anthology, die für das spanische Fernsehen gedreht wurde. Balagueró zeichnete im Übrigen auch für den hier besprochenen „Fragile“ verantwortlich.
Mit seinem „Darkness“ und dem zuvor gedrehten „The Nameless“ legte Jaume Balagueró mehr als nur eine Kette erfolgreicher, und viel wichtiger, guter Titel aus Spanien auf den Tisch, die, um dem internationalen Publikum zu gefallen, vornehmlich mit amerikanischen und englischen Darstellern gedreht wurden. „Fragile“ bricht nicht mit dieser Tradition. Auch hier schaffte es Balagueró ausgezeichnet, geschichtliche Details mit der nötigen Portion Können zu verbinden. Ein immer währender Bestandteil seiner Filme: Geister. Eine Fähre schippert unter dem wolkenverhangenen Himmel über die raue See, und bildet damit den Beginn eines außerordentlich gelungenen Abenteuers.
Mercy Falls, ein baufälliges Krankenhaus auf einer einsamen Insel, mit finsteren Gängen und einer knarzenden Fahrstuhlanlage. Längst hätte das morsche Gemäuer geräumt werden sollen. Das verrottete Obergeschoss ist schon seit Jahren geschlossen, nur im Erdgeschoss wartet eine kleine Gruppe von Ärzten, Schwestern und kindlichen Patienten auf die Evakuierung. Neuankömmling Amy (Calista Flockhart), eine Krankenschwester mit traumatischer Vergangenheit, merkt schnell, dass in dem Hospital merkwürdige Dinge vor sich gehen. Aus dem abgesperrten 2. Stock dringen unheimliche Geräusche, und auf der Kinderstation ereignen sich immer wieder nächtliche Unfälle. Die Kinder sind nervös. Haben Angst. Vor etwas Unantastbarem, Unsichtbarem. Etwas, das nicht existieren dürfte, etwas voller Schmerz und Hass. Amy geht dem Grauen auf den Grund und stößt dabei auf ein schreckliches Geheimnis, auf ein Wesen, das weitaus schrecklicher, bösartiger und gefährlicher ist, als Amy je vermutet hat...
Krankenhäuser lösen bei den meisten Menschen bereits beim Anblick ein ungutes Gefühl aus. Verbinden sie die Seele doch mit dem Schrecken, der in jedem von uns sitzt. Die Angst vor diesen Gebäuden, voller Mediziner, Betten und steriler Abteilungen, kommt nicht von ungefähr, zeigt sie uns doch die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers auf. Diese Regung nutzt Balagueró fast schon schamlos aus. Die in grau und Blautönen gehaltene Farbgebung verleiht dem Hospital im Film, Mercy Falls getauft, ein monotones Aussehen. Steigernd kommt außerdem hinzu, dass diesem Gebäude das zweite Stockwerk abhanden gekommen ist, wie sich im späteren Verlauf natürlich noch als mysteriöses Übel herausstellt. Nicht ohne Grund...
Ruhig und gelassen führt uns der Film an die umschweifende Hintergrundgeschichte. Die Krankengeschichte der kleinen Charlotte ruht in der anfänglichen Einführungsphase auf dem Abstellgleis, was Zeit bietet, einzelne Charaktere näher zu definieren. In diesem Punkt ist eine klare und willkommene Weiterentwicklung des Jaume Balagueró zu erkennen. Detailliert ausgearbeitet, nähern wir uns schnell den Hauptakteuren im Geschehen, und der Horror im eigentlichen Sinne übernimmt die Nebenrolle. Zu großen Stücken lebt „Fragile“ ohnehin von der dramatischen Natur. Für diese Aufgabe konnte „Ally McBeal“ Darstellerin Calista Flockhart geworben werden, deren darstellerische Leistungen sich mehr als erhaben präsentiert. Mit ihrem gefühlvollen technischen und ausdrucksstarken Spiel vermittelt Flockhart eine Ebene, die den meisten Produktionen dieser Art verwehrt bleibt, und trägt die Handlung gleichzeitig auf schweren Schultern.
„Fragile“ wäre nicht „Fragile", wenn da nicht wenigstens eine Handvoll Anleihen bei der Konkurrenz zu erkennen wären. So spiegelt die Geschichte eines kranken Mädchens, das auf Grund ihres Leidens in den Rachefeldzug zieht, nicht von ungefähr die Grundzüge des asiatischen „Ringu“ wider. Da sich der Verlauf zu großen Stücken sehr vielseitig in der Präsenz und Auslotung einzelner Bereiche präsentiert, wollen wir dieses kleine Manko aber einfach unbeachtet vorbeiziehen lassen. Weit schwerwiegender ruht die Last der Unglaubwürdigkeit auf „Fragile“, drückt die ungebremste Euphorie dennoch nicht vollends ins Bodenlose, was nicht zuletzt an der Liebenswürdigkeit der Präsentation liegt.
Das Tempo der Herangehensweise bleibt obendrein bemerkenswert. Rast Flockhart in vereinzelten Szenen mit ungebremster Kraft Richtung Herzinfakt, werden bereits in der darauffolgenden Sekunde ruhigere Töne angeschlagen, um die Geschichte auf gewohnte Bahnen zu lenken. Wie bereits in den vorigen Werken, gelingt es Balagueró erneut, eine tragende und zugleich schaurige Atmosphäre zu erzeugen, die ungeübte Augen mit großer Sicherheit zum Wachbleiben überredet. Die Darstellung des auftretenden Geisterwesens manifestiert sich durch übliche Gebrauchsgegenstände oder Wände, die wie von Geisterhand mit Rissen gezeichnet werden. Knochen spielen in „Fragile“ eine tragende Rolle, werden sie unterlegt von markerschütternden Schreien doch mehr als einmal gebrochen.
Es ist erfrischend, wie geistreich, originell und dennoch gewohnt sich dieses Geister-Drama präsentiert, ohne einen Anflug von Langeweile aufkommen zu lassen. Im groben Blickwinkel betrachtet ist „Fragile“ allein als Weiterentwicklung bekannter Grundprinzipien zu verstehen, verbindet diese jedoch mit einer ausgesprochen spannenden Geschichte, überzeugenden Effekten und Gähnsehautgarantie. Das ist mehr, als man sich vom überwiegenden Teil dieser speziellen Art von Film in den letzten Jahren versprechen konnte. Allein deshalb ein definitiver Geheimtipp!
>> verfasst von Torsten Schrader