Wenn sich der gemeine Thrillerfan damit konfrontiert sieht, sich eine "Ballade" anzusehen, so zieht dies meist ein Augenrollen mit begleitendem "Och nööööö!" nach sich. Doch nicht in diesem Fall! Wenn sich nämlich der Master Of Horror, David Cronenberg, höchstpersönlich an ein Graphic Novel macht, welches da A History Of Violence heißt, werden des Fans' Augen groß und die Kinnlade klappt nach unten. Anders als Filme, die sich mit dem Thema Gewalt an sich auseinandersetzen, verliert sich der Zuseher während dem Genuss dieses Filmes in ihrer Notwendigkeit, um nicht fast zu sagen Alltäglichkeit von Gewalt.
Tom Stall (Viggo "Aragorn" Mortensen) besitzt ein kleines Dinner mitten in einer amerikanischen Idylle, in der der Hund begraben liegt. Als Familienvater kümmert er sich liebevoll um seine Frau (Maria Bello), seinen Sohn Jack (Ashton Holmes) und seine kleine Tochter. Doch eines Tages wird die heile Welt von Grund auf erschüttert - zwei skrupellose Gangster überfallen Toms Lokal und wollen eine Kellnerin kaltblütig ermorden. Plötzlich geschieht etwas Unerwartetes: Tom überwältigt die beiden Ganoven und bringt sie auf brutale Art und Weise um. Logisch das er kurz darauf zum "Local Hero" wird und das ganze Land über ihn spricht. Sein Dinner kann sich vor Besuchern kaum mehr retten - doch leider finden sich wieder ungebetene Gäste ein. Unterwelt-Boss Carl Fogarty (genial: Ed Harris) nennt Tom nämlich die ganze Zeit "Joey" und behauptet steif und fest ihn zu kennen. Handelt es sich hierbei um eine Verwechslung oder hat Tom eine Vergangenheit, über die niemand Bescheid weiß? Natürlich handelt es sich um Letzteres...
Ich traue mich A History Of Violence mit einer Mozart'schen Symphonie zu vergleichen, welche von einem 200-Mann Orchester im Wiener Opernhaus gespielt wird. Spätestens als Tom nämlich die Gangster im Restaurant überwältigt, hat Cronenberg den Zuschauer genau da wo er ihn haben will: nämlich im Film, nicht als Beobachter, sondern als Komplizen. Und genau wie die Klänge der Symphonie umgibt uns die Atmosphäre des Films während seiner kompletten Laufzeit. Sei es die extrem ruhige Anfangssequenz, die turbulenten "crescendo" während den geschickt platzierten und richtig dosierten Gewaltausbrüchen oder die völlige Stille die uns in der letzten Filmminuten umhüllt. Der Regisseur versucht nicht, im Gegensatz zu Michael Haneke mit Funny Games, uns eine Moral mit der Faust aufs Auge zu drücken und mit ausgestrecktem Zeigefinger auf uns zu zeigen und zu sagen "sieh dich an, du findest Spass an medialer Gewalt". Im Gegenteil, es wird dargestellt wie allgegenwärtig Gewalt ist und wie einfach es ist, dass sie Einzug ins alltägliche Leben findet. Dabei konfrontiert uns Cronenberg mit einigen herrlichen Widersprüchen: ob nun der Familienvater Gangster kalt macht und gleichzeitig seinem Sohn, nach einer Schulprügelei, beibringt, dass Gewalt keine Lösung ist, lässt auf den Schluss kommen das Subjektivität auch in Sachen Gewaltausübung eine übergeordnete Rolle spielt.
An der Inszenierung gibt es nichts zu meckern: zwar basiert der Film auf einem Graphic Novel, besitzt aber keinerlei Comic-typische Spuren. Zurückhaltend, ja fast schon devot schleicht er sich in die Köpfe der Zuseher ein und regt zum nachdenken an. Die schauspielerischen Leistungen sind im Großen und Ganzen überdurchschnittlich: Viggo Mortensen hat sich nun endgültig vom ewigen Aragorn wegentwickelt, Maria Bello liefert eine wesentlich bessere Mutter ab als im eher mäßigen The Dark und Ashton Holmes beweist, dass er großes Potential und somit eine große Zukunft vor sich hat. Genial ist übrigens die Besetzung von Ed Harris, einen idealeren Darsteller hätte man für die Rolle des Carl Fogarty wohl nicht finden können.
Effektmäßig gibt A History Of Violence so einiges her: zwar halten sich die Gewaltausbrüche an sich in Grenzen, sind jedoch derbe realistisch dargestellt. So ist es dann wohl, wenn jemanden am Boden liegendem mit voller Wucht die Kehle eingetreten wird. Bei soviel Gewalt darf natürlich der Sex nicht fehlen, denn wie jeder von uns seit eh und je weiß gehören diese beiden Elemente zusammen wie Pfeffer und Salz. Doch da lasst ihr euch am besten selbst überraschen. Denn einen Blick ist dieser Film auf jeden Fall wert! Eine kompromisslose und berührende Gewaltballade, die einem so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen wird.
>> geschrieben von Dominic Stetschnig