Moviebase Awake
Es ist eine Grundangst des modernen Menschen, der sich in medizinische Behandlung begibt: Während der Operation zwar nach Außen hin alle Zeichen der Narkose zu zeigen und bewegungsunfähig, innerlich aber hellwach und schmerzempfindlich geblieben zu sein. Allein die Vorstellung, jeden Schnitt zu spüren, den die Ärzte tun, ist furchtbar genug. Was aber, wenn das Personal während der OP auch noch über einen herzieht?
Die Schmerzen sind anscheinend Clayton Beresefords (Hayden Christensen) geringstes Problem, während er hellwach auf dem OP-Tisch liegt – jedenfalls werden sie in „Awake“ nur zu Beginn seiner Herztransplantation thematisiert, danach wendet er sich ganz anderen Schwierigkeiten zu. Aus den Gesprächen der Ärzte rund um den Chirurgen Jack Harper (Terrence Howard), Claytons bestem Freund, erfährt er nämlich nach und nach, dass die Operation nicht ganz so durchgeführt wird, wie er sich das eigentlich vorgestellt hatte.
Mag sein, dass Regisseur Joby Harold bereits nach kurzer Zeit aufgefallen ist, dass ihm kein brauchbarer Weg eingefallen ist, Claytons körperliche Schmerzen für den Film zu inszenieren – dem Zuschauer wird jedenfalls nicht entgehen, wie wenig aufregend blutige Nahaufnahmen von schneidenden Skalpellen sind, die mit Christensen Stöhnen und Schreien unterlegt wurden. Vielleicht hat Harold deshalb darauf verzichtet, den physischen Schmerz länger als ein, zwei Minuten nach Beginn der Operation noch zu thematisieren. Der Handlungslogik nach konzentriert sich Clayton stattdessen ganz auf möglichst viele schöne Erinnerungen an seine ihm frisch angetraute Frau Samantha (Jessica Alba). Ganz unproblematisch ist die Ehe nicht, denn seine strenge und sehr besitzergreifende Mutter Lilith (Lena Olin) ist von dieser Verbindung alles andere als begeistert. Und auch an Jack Harpers medizinischen Qualifikationen hat sie erhebliche Zweifel.
„Awake“ bemüht sich nach Kräften, in dem Verwirrspiel, das Clayton von seinem OP-Tisch aus nach und nach aufdeckt, für den Zuschauer falsche Fährten auszulegen. Leider gelingt ihm das nur mäßig; zu stereotyp überzeichnet sind die eingeführten Figuren, als dass man diesen Charakterisierungen nicht misstrauen müsste, und zu durchschaubar sind viele der Voraussetzungen, als dass man nicht von Anfang an den Braten riechen würde. Zumal wenn dem Plot die Glaubwürdigkeit geopfert wird: Dass bei einer Herztransplantation nur zwei Ärzte und eine Krankenschwester anwesend sind, erscheint für eine so komplexe Operation doch etwas unrealistisch.
Aber, zugegeben, Realismus ist für einen Film dieses Themas vielleicht auch nicht der richtige Anspruch – auch die Häufigkeit von intraoperativen Wachzuständen wird im Vorspann des Films wohl eher höher angegeben als realistisch wäre. An der Vorhersehbarkeit und Durchsichtigkeit des Plots (Joby Harold ist auch für das Drehbuch verantwortlich) ändert das natürlich ebenso wenig wie der medizinisch motivierte Plottwist kurz vor Schluss. Letztlich ist die aus den von Clayton belauschten Gesprächen und in Flashbacks durch seine Erinnerungen ans Licht kommende Wahrheit mindestens für jene Zuschauer kein bisschen überraschend, die schon den einen oder anderen Film gesehen haben, der sich an solchen Versteckspielchen versucht.
Immerhin sind die schauspielerischen Leistungen der Protagonisten einigermaßen brauchbar. Im Fall von Hayden Christensen, der als Anakin Skywalker in den neueren „Star Wars“-Filmen bestenfalls hölzern agierte, mag das sogar ein wenig überraschen. Allein Lena Olin vermag es allerdings, ihrer Figur Leben und vor allem Komplexität einzuhauchen: Ihre Lilith Beresford ist ebenso stark wie verletzlich, und ihre besitzergreifende Art, ihr dominantes Auftreten hat, das gehört zu den interessanteren Enthüllungen der Story, ganz bestimmte Gründe.
>> verfasst von Rochus Wolff