Moviebase Solstice
Tief hängende Sumpfzypressen, modrige Gewässer und Ungeziefer bis zum Umfallen. Die englischsprachigen Swamps prädestinieren sich als Schauplatz für eine ordentliche Gruselgeschichte geradezu. Hatchet macht es im aktuellen Fall eindrucksvoll vor und schickt eine Gruppe unerfahrener Reisender in die gefährliche Einöde und zaubert einen alten Mythos aus dem Ärmel. Was bei Adam Green gut funktionierte, lässt sich dann sicher auch auf andere Projekte übertragen. Vom herbstlich verregneten Wald ist es da kein großer Sprung bis nach Louisiana. Daniel Myrick erkor das Szenario für seinen dritten Spielfilm, den er nach dem durchweg erfolglosen The Strand in Angriff nahm. Und er ist von dem riesigen Hype um BWP noch immer gebrandmarkt.
Kurz nach dem mysteriösen Selbstmord ihrer Zwillingsschwester Sophie machen Megan und ihre Freunde einen Ausflug zu einem nahe gelegenen See auf dem Land, um gemeinsam die Sonnenwende (Solstice) zu feiern. Solstice, so der Volksmund, ist die Zeit des Jahres, in der es für Tote am einfachsten ist, mit den Lebenden in Verbindung zu treten. Und die Toten lassen nicht lange auf sich warten: Die verstorbene Sophie versucht, ihre Schwester auf ein dunkles Geheimnis aufmerksam zu machen, das die Geister nicht zur Ruhe kommen lässt. Zeichen, Geister und Unglück - ein Urlaub mit Folgen.
Was die Geschichte bereits in den Grundzügen andeutet, manifestiert sich ich im Film merklich. SOLSTICE als Drama mit diversen Mystery-Anleihen zu bezeichnen, wäre in diesem Fall sogar mehr als ratsam. Myrick beschränkt sich bis zum letzten Drittel des Filmverlaufs auf die Beziehung zwischen den Zwillingsschwestern, ohne dabei auch nur ansatzweise in die Materie einzudringen und eine Verbindung zu etablieren. Verschenkte Spielzeit. Gemächlich schiffen sich die Protagonisten von einem dramatischen Moment zum nächsten und tauschen Gespräche über unnatürliche Phänomene aus. Mit etwas Glück wird es von Zeit zu Zeit sogar richtig gruslig, was uns wieder zum Schauplatz des Horror-Dramas bringt.
Auf der Habenseite präsentieren sich durchaus talentierten Darsteller. Nach genauer Betrachtung fallen bekannte Akteure wie Shawn Ashmore oder R. Lee Ermey auf. Letzterer dürfte mit seinem Auftritt in Full Metal Jacket schon längst Kultstatus erlangt haben. Doch was nützen die besten Darsteller, wenn das Konzept nicht funktioniert? Myrick lehnt sich bei SOLSTICE zu weit aus dem Fenster, verspricht eine spannende Geschichte und bleibt dabei im seichten Metier haften. Der obligatorische Plottwist ist dann natürlich Ehrensache. Es hilft ihm nur leider nicht. Von einem Mann, der mit einem Budget von 30.000 Dollar Begeisterungsstürme auslöste, den wahren Horror aufblühen ließ und danach für Jahre in der Versenkung verschwand, hätten wir hier deutlich mehr erwartet.
SOLSTICE funktioniert auf einer Ebene, die ihm nicht zusteht. Ein Genre-Mix, der zu sehr ins Dramatische abdriftet und dennoch mit einem gewissen Anteil Horror überzeugen will. Trotz netter Verpackung ein folgenschwerer Fehlgriff. Die vergleichsweise geringen Produktionskosten sieht man der Produktion nicht an, wenn wir von einer schwarzen CGI-Gestalt absehen, die ab und an auf die Bildfläche tritt. So ist die neueste Regiearbeit des The Blair Witch Project Regisseurs ein freudloser Instant-Film geworden, der auch beim ersten Sichten nur geringfügig Wirkung verspricht und danach sicher nie wieder in den Player wandert.
>> verfasst von Torsten Schrader