Moviebase Black Sheep
Einen Horrorfilm ohne aktuellen/gesellschaftsspezifischen Bezug zu schaffen, gestaltet sich mittlerweile unmöglich; in BLACK SHEEP muß sich in erster Linie die Gentechnologie Tritte gegens Schienbein gefallen lassen, als ein von skrupellosen Pharma-Unternehmern geklontes Babyschaf aus der Petrischale flüchtet. Als sich die Kreatur (ein rattenähnlicher Paarhufer-Hybrid) an einem der 40 Millionen Schafe auf Neuseelands Weidegründen nährt, wird sie zum Katalysator einer exponentiell wachsenden Fleischfresser-Epidemie, wie man sie aus dem Zombie-Genre kennt.
Immer häufiger halten ironische Versatzstücke Einzug in das Genre des Tierhorrors. Während man in ARAC ATTACK oder AMERICAN WEREWOLF IN PARIS auf vordergründigen Slapstick setzt, ist die Machart des Humors in BLACK SHEEP subtiler: allein das absurde Konzept, eine der friedliebendsten Gattungen der irdischen Fauna zur blutdürstigen Nemesis zu erheben, sorgt für ausreichend gedüngten humoristischen Nährboden, auf dem sich letztendlich gar eine dramaturgisch ausgefeilte Geschichte pflanzen lässt, welche abseits ihrer ironischen Eskapaden als richtiger Film funktioniert, und damit dem bewusst zur Farce verkommenen SHAUN OF THE DEAD überlegen ist, welcher einer TV-Sitcom gleich die schnellen Lacher abarbeitet.
Tatsächlich ist der Film derart prall gefüllt, daß bei vielen Höhepunkten die Zeit fehlt, ihr Potential bis zum Äußersten zu treiben. So erreicht dann auch der unvermeidliche Angriff einer amoklaufenden Schafherde auf eine nichtsahnende Festgesellschaft, trotz liebevoll inszenierter blutrünstiger Details, zu keinem Zeitpunkt den orgiastischen Pegel des BRAINDEAD Finales. Und eine, glücklicherweise kurz gehaltene, Verfolgungs-Sequenz in einem Stall ist zu unübersichtlich geschnitten und weiß mit wenig mehr als verwackelten Nahaufnahmen im Halbdunkel für Dynamik zu sorgen.
Dank seiner vielseitigen Protagonisten, welche mit allerlei Schrulligkeiten und liebenswerten Marotten den Horrorspaß erst wirklich genießbar machen, geht das Konzept auf. Es mag noch so intensiv auf der Leinwand splattern, das Kernstück eines guten Horrofilms sind seine Darsteller, mit denen man mitlacht, mitfühlt und mitfiebert. Das wusste schon Peter Jackson in BRAINDEAD, und BLACK SHEEP bleibt diesbezüglich keine Ausnahme.
Es ist eine Freude, Jonathan King zuzuschauen, wie er sich einerseits bekannter Versatzstücke des Genres bedient, und dabei mit stetig erfrischender Situationskomik bei Laune hält. Nicht nur die Genindustrie muß bluten, auch ihren eifrigen Kontrahenten, den militanten Tierschützern, geht es an die Wolle: New-Age-Fanatismus, Feng Shui, Veganismus: BLACK SHEEP lässt keine Gelegenheit aus, blaue Augen zu verteilen. Und im besten Fall werden solcherlei Attacken gar als plot-relevante Pointen eingesetzt.
Im Effekte-Workshop besinnt man sich alter Werte, will heißen, die rabiaten Übergriffe der Tierwelt auf den Menschen finden abseits vom Computer statt und überraschen mit animatronischer Perfektion und sympathischen Latex-Konstrukten. Das Blut spritzt handgemacht, und eine Verwandlungs-Sequenz zum überdimensionalen Schafsmonster erinnert nicht von ungefähr an den oskar-gekrönten Effekt aus AMERICAN WEREWOLF. Eine Auszeichnung gibt es dafür heutzutage nicht mehr, dafür aber jede Menge Sympathie-Punkte beim nostalgischen Zuschauer.
>> verfasst von Alexander Karenovics