Moviebase Nightmare - Mörderische Träume
Lang und funkelnd erstrecken sie sich von den Fingerenden, elegant arrangiert zieren sie die Hand des Charakters und wirken, durch die hohen und monotonen Wetz- und Klackgeräusche, beinahe wie richtige Messer. Nein, es ist nicht die Rede vom exklusiven Fingerschmuck eines Transvestiten, sondern von einem der gefährlichsten Mörder der Filmgeschichte, der sich mit diesem Handschmuck durch die Träume der jungen Bewohner der Elm Street schleicht...
Mit Michael Myers begann es 1978, als Regisseur John Carpenter mit dem ersten Teil der mittlerweile stark angewachsenen Halloween-Reihe die Horrorwelt betrat und bald zum Kultobjekt wurde. Das Slashergenre war geboren, die Fans lechzten nach neuen Figuren, mehr Filmen mit dieser kompromisslosen Tötungsmoral. Natürlich musste man nicht lange warten, bis das nächste Slasherprojekt geboren war, ob jedoch ernsthafte künstlerische Absichten oder vielleicht eher der im Hinterkopf versteckte Geier mit großen Dollarzeichen in den Augen der Grund für diesen Film waren, ist fraglich. 1980 ist also als das Geburtsjahr des nächsten Slashers zu verzeichnen, Friday the 13th betitelt von nun an die gewaltvollen Geschehnisse im Camp Crystal Lake. Das Pionierwerk Halloween wurde zum Kult und Friday the 13th lebte diese Rolle vollends nach, auch wenn die Imitation des Genreerstlings deutlich zu erkennen war. Aus einschneidenden Ereignissen aus seiner Kindheit und der tragischen Geschichte um einen unter Schlafstörungen leidenden Jugendlichen formt Regisseur und Drehbuchautor Wes Craven ein weiteres Script, welches ebenfalls dem Slashergenre zuzuordnen ist. 1984 erscheint dieses Drehbuch in Form eines Films in den Lichtspielhäusern. A Nightmare On Elm Street prangert es auf den Kinoplakaten, welches mit 4 krallenartigen Schnitten versetzt ist.
Craven versorgte das Genre mit der mittlerweile mehr als nötigen Portion an Innovation, was ihm mit der mörderischen Traumwelt des Kindermörders Freddy Krueger hervorragend gelang – ein Klassiker im Horrorfilm sowie eine der kultigsten Charaktere wurden mit dem ersten Nightmare-Film zur Welt gebracht.
Als wäre ein Teenagerleben an der Highschool nicht schon anstrengend genug, bekommen vier Jugendliche ihre verdiente Ruhe nicht einmal mehr zuhause in den eigenen vier Wänden. Der erholsame Schlaf wird in der Elm Street nämlich zur bösartigen Qual und versetzt Nancy sowie ihre drei Freunde in Angst und Schrecken. Eine finstere Gestalt, mit einem Klingenhandschuh als Waffe tragend, verfolgt sie im Traum. Leider hat dieses Monstrum einen enorm großen Drang seine pikant verzierten Handschuhe in das Fleisch der Jugendlichen zu bohren – deshalb beginnt eine Hatz nach dem Mörder, um die Todesserie zu stoppen. Die Grenzen zwischen Traum und Realität werden übergangen und der Schlaf wird auf einmal zur bedrohlichsten Institution der vier Freunde...
Die finstere Gestalt mit modrigem Schlapphut und löchrigem Pullover ist wohl jedem bekannt, der sich auch nur annähernd dem Horrorfilm angetan fühlt. Der rot-grün gestreifte Wollpullover wurde ebenso zum Markenzeichen wie eben auch der mit Klingen besetzte Handschuh, der diesem Perversling als Mordwaffe dient. Unser allseits beliebter Freddy sieht zwar im Gesicht eher aus wie die vom Italiener bestellte Pizza mit doppelt Käse, jedoch wird er mehr und mehr zur Kultfigur, die sich direkt neben dem verstummten Herrn Myers und dem wasserscheuen Jason Vorhees einreiht. Das Trio Infernale, welches mehr Teenieherzen auf dem Gewissen hat als die Backstreet Boys je hatten und haben werden.
Freddy Krueger, mehrfacher Kindermörder, sucht nach seiner Hinrichtung durch die Stadtbewohner seine Rache, indem er deren Kinder im Traum terrorisiert und dies schließlich im Mord endet – dieser ist jedoch kein Traum, sonder real; allen Schlafsuchenden sei fortan also geraten, dies besser zu unterlassen. Wunderbar inszeniert findet man die widerwilligen Infiltrationen Kruegers in den unschuldigen Traumwelten von Nancy und ihren Freunden wieder, hier setzt der Film wirklich Maßstäbe. Wes Craven hat beim Schreiben dieses Kultobjektes wahrlich an mehr als Profit gedacht, weshalb ein optisch sehr ansprechender und inhaltlich höchst interessanter Film das Resultat ist. Es wurden Tatsachenberichte, Kindheitsereignisse Cravens, kultwahrende filmische Akzente und handwerklich starke Leistungen verbunden, welche einen erschreckenden, doch gleichermaßen unterhaltenden Slasher zur Folge hatten. A Nightmare On Elm Street war anders, es war kein asoziales Zertreten und Zerlegen von jugendlichen Opfern, sondern ein kreativ durchdachtes Werk, welches trotz einiger Logikfehler und der eher dürftigen schauspielerischen Leistungen überzeugte - ein gruseliges und innovatives Werk, das fesselte.
Vor allem handwerklich punktet dieser Film, da meisterlich inszenierte Szenen wie das den jungen Johnny Depp (übrigens sein Schauspieldebüt) verschluckende Bett oder das drehende Zimmer, welches es aufgrund eines intelligent ausgetüftelten Mechanismus Tina im Film ermöglicht, an Wänden und der Decke zu laufen, was natürlich einen verblüffenden Effekt nach sich zieht. Ebenso beeindruckend sind die düster engen Räumlichkeiten des Heizungskellers, der die Behausung des im Traum lauernden Freddys darstellt. Optisch schlichtweg souverän und stark umgesetzt, präsentiert sich der Film keinesfalls billig oder trashig, sondern erlaubt es sich dadurch, eindeutige Qualitäten zuzusprechen und beinhaltet deshalb mehrere Szenen, dessen Bilder sich durchaus längere Zeit im inneren Auge des Betrachters festklammern.
Definitiv wird man auch Robert Englund nicht vergessen, der Krueger mit vollster Hingabe spielt. Leidenschaft für diese Rolle kann an dieser Stelle sicherlich erkannt werden. Wunderbare Gestik und Mimik machen den Traummörder zur absolut glaubhaften Erscheinung, eine Erscheinung, die dem Publikum der 80er Jahre feuchte Träume verlieh, oder war das ein anderes Metiere?
Der Film hat einfach Daseinsberechtigung, markiert er doch einen wichtigen Punkt im Horrorgenre und ist aufgrund der gut ausbalancierten Position zwischen erschreckendem Slasher und makaber-ironischem Witzeln der Kultfigur Kruegers, die der Film einnimmt, was jedoch erst in den Fortsetzungen stärkeren Ausdruck verliehen bekommt. Das Nightmare-Debüt ist dunkel, geheimnisvoll und spannend, der niedrige Bodycount kommt der Atmosphäre, die der Film aufbaut, nur zu Gute und gibt ihm zum richtigen Moment wieder das entsprechende Tempo. So wird das Erzähltempo in Schwung in Gang gehalten und wird deshalb nie wirklich langweilig. Die stark umgesetzten Mordszenen lassen daher auch über die ein oder andere Länge hinweg sehen, in denen sich der Film jedoch nie zu verlieren droht.
Craven schuf mit A Nightmare On Elm Street einen wichtigen Film, der das Genre bis heute prägt und seinen Einfluss bis dato bemerkbar macht. Aufgrund einer starken Inszenierung und der innovativen Idee, welche hinter dem ganzen Freddy-Konzept steht, ist der Film auf jeden Fall ein Horrorhit. Zwar reicht es nicht aus, um zur Perfektion zu loben, doch besitzt er viel zu viele tolle und starke Aspekte, die ihn einfach unumgehbar machen. Kultig, unterhaltend, spannend und verdammt cool. Eins, zwei, Freddy kommt vorbei...
>> geschrieben von Benjamin Johann