Moviebase Wächter des Tages - Dnevnoy dozor
Es werde Licht...
Aus Nacht wird Tag, der Krieg zwischen den beiden konträren Beschützer-Fraktionen der paranormalen Balance geht in die zweite Runde. Für Skeptiker des ersten Teils bleibt es weiterhin bei einer schattigen Vorhersage: der Film macht es seinen nörgelnden Antagonisten nicht gerade schwer, Kritikpunkte gar schmerzhaft ins Ziel zu manövrieren, denn wenig hat sich an Präsentation und verwerteten Handlungselementen geändert. Trotzdem macht WÄCHTER DES TAGES vieles besser: aus einer unzähligen Vielfalt an roten Fäden seines arg zerfahrenen Vorgängers ist eine überschaubare Menge an Handlungssträngen geworden, welche zudem als dicht gewickelter Knäuel aus Action und Plot kaum Zeit zum Atmen lassen, geschweige denn, das wilde Treiben zu hinterfragen.
Erstmals werden aus Charakteren greifbare Persönlichkeiten mit individuellen Antrieben und Konflikten. Hastete WÄCHTER DER NACHT noch von Handlungspunkt zu Handlungspunkt, weil angesichts der schier übermächtigen parallelen Erzählstränge einfach keine Zeit war, sich den Charakteren auf einer entspannten Schiene zu nähern, hat man jetzt einen Gang zurückgeschaltet und gönnt vor allem der zentralen Figur Anton ein sympathisches Privatleben. Comical Relief kommt ins Spiel, als Anton (um den Spähern der Gegenseite zu entgehen) den Körper mit seiner Partnerin Olga tauscht. So muß die hinlänglich bekannte Bodyswitch-Thematik für einen immerhin unterhaltsamen Sideplot herhalten, in dem Anton im Körper einer Frau die Gunst der Stunde nutzt, um bei seiner heimlich angebeteten Svetlana Informationen über seine Person aus erster Hand einzuholen. An Gags oder stimmungsvollem Wortwitz wurde also nicht gespart. Wenig wird um den heißen Brei gelabert, stattdessen kommt man in plotrelevanten Gesprächen schnell zum Punkt, zudem werden Dialoge mit ausnahmslos kurzweiligem Schauspiel und/oder optischen Gimmicks kredenzt. So wird es denn auch trotz Überlänge selten langweilig.
Jedoch passen zwischen "keine Langweile" und "prächtiger Unterhaltung" mehr als nur ein Teller Borschtsch: so vermag es das Drehbuch nicht zu kaschieren, daß das zu beschützende Gleichgewicht ein äußerst abstraktes Konstrukt bleibt, und auch sonst die Konsequenzen vieler Handlungen nicht immer offenbar werden. Viel wird vom "Bewachen der Balance" gesprochen, wie dies jedoch praktisch umgesetzt wird, bleibt so dunkel und vage wie das Innere einer mit Kaviar gefüllten Pirogge. In vieler Hinsicht ist DAYWATCH überladen, möchte alles aufeinmal und folgt dabei keiner inneren Logik; Gestaltwandler, Vampire, Dimensionsübergänge: Alles sieht prächtig aus, täuscht aber nicht darüber hinweg, daß viele fantastische Ideen selbstzweckhaft für den Einsatz oppulenter Spezial-Effekte implementiert wurden. Da legt dann auch schonmal ein Auto einen rasanten Drift an einer vertikal gelagerten Häuserfront hin.
Dass Timur Bekmambetov ein visionärer Regisseur ist und ein Auge für beständige Bilder hat, steht außer Frage. Umso irritierender mutet es an, daß eine im Mittelalter angesiedelte Action-Sequenz eines brachial bebilderten Kavallerie-Angriffs einerseits mit rasant gefilmten Schwertwechseln protzt, von solch großartigen Bildkompositionen dann aber im Endschnitt nicht mehr als halbe Sekunden übrig bleiben und stattdessen die Lücken mit verwackelten Nahaufnahmen von grimmig dreinschauenden Köpfen gefüllt werden. Glücklicherweise räumt Bekmambetov den SFX im weiteren Verlaufe deutlich mehr Zeit ein, mit nahezu rauschhaften Imaginationen die Leinwand zu erobern.
Und diese sind erschreckend plastisch geraten, müssen sich vor internationaler Konkurrenz nicht verstecken, und fordern dankbarerweise der Netzhaut ab, was den Gehirnzellen vorenthalten bleibt. Besonders ein apokalyptisches Szenario zum Ende des Films, mitsamt zerberstender Gebäude und Weltuntergangs-Stimmung, überzeugt atmosphärisch und hält so manchen Wow-Moment in der Trumpffarbe bereit. So ist DAYWATCH letzten Endes ein überborderndes Fantasy-Spektakel, welches im Hinblick auf sinnvoll genutzte, prall gefüllte Spielzeit so einige kürzlich gelaufene Hollywood-Blockbuster (SPIDERMAN 3, FLUCH DER KARIBIK 3) locker in die Tasche steckt.
Der sich leider im Aufwärtswind befindliche Trend, in einer Epilepsie-trächtigen Collage möglichst viele bebilderte Schlüsselelemente bereits in die Preview zu integrieren, hat leider auch in WÄCHTER DES TAGES ein allzu leichtes Opfer gefunden. Wer den Film noch sehen darf, ohne durch den Schnelldurchlauf im offiziellen Trailer verdorben zu sein, darf sich glücklich schätzen. Allen anderen bleibt entweder das Warten, auf dass sich seliges Vergessen einstelle, oder per Strichliste die unselig verbratenen Money-Shots abzuhaken.
>> verfasst von Alexander Karenovics
Ansonsten - was die Einschätzung des Films angeht, bin ich eurer Meinung, der Film ist zwar weiterhin mehr ein brachialer Videoclip, denn eine langsame Charakterstudie, doch im zweiten Teil macht es mehr Spaß, als im ersten - der aus meiner Sicht viel zu unausbalanciert war.
Etwas zu den Punkten hier habe ich anzumerken:
> Wenig wird um den heißen Brei gelabert, stattdessen kommt man in plotrelevanten Gesprächen schnell zum Punkt
und
> Viel wird vom "Bewachen der Balance" gesprochen
Wenn der Rezensent die Presseversion von FOX gesehen hat, die russisch mit englischen UTs daherkommt, dann hat er leider eine verfälschte Version gesehen - denn in jener Version unterscheiden sich die Untertiteln von den gesprochenen Dialogen auf eine fast schon fahrlässige Weise. In die Szenen, wo die Charaktere durch ihre Dialoge lebendig werden, hat FOX USA ganz andere, erklärende, Sätze gelegt, die dem westlichen Zuschauer die Situation zig mal erläutern sollen. Bleibt zu hoffen, dass sich die deutsche Synchro mehr an den Originaldialogen orientieren wird.
PS: Außerdem entstanden durch das Rausschneiden von 18 Minuten (im Vergleich zur russischen Fassung) teilweise haarsträubende Anschlußfehler.