Moviebase Texas Chainsaw Massacre - Blutgericht in Texas
Tobe Hooper schuf mit „Texas Chainsaw Massacre“ einen Genreklassiker und erlangte damit einen Kultstatus, der nur noch von seinem fiktiven Monster Leatherface übertroffen wurde. Bis heute hat der Film nichts an Faszination verloren. Gunnar Hansen wurde zur Horroikone durch seine Figur des Kettensägen schwingenden Monstrums und verlieh diesem Werk sein ganz persönliches Flair. Aufgrund seiner drastischen Gewaltdarstellung stand Hoopers Film lange Zeit auf dem Index – und erlebt nun, 30 Jahre nach der Beschlagnahmung, eine gebührende Auferstehung auf Blu-ray und DVD. Die Sammler-Box ist dabei so prall gefüllt, dass Leatherface vor Freude weinen dürfte.
Bei „The Texas Chainsaw Massacre“ handelt es sich nicht um einen reinen Splatterfilm, es ist kein herkömmlicher Horrorfilm und auch ist er kein überstilisiertes Psychodrama – was aber nicht heißen soll, dass Hooper solche Themen als Inspirationsquelle unbeachtet ließ. Dieser Film ist ein Kunstwerk. Er hält dem Betrachter mit dem genial gewählten Titel sowohl einen imaginären Spiegel in Form der annullierten, erwartungsvollen Hoffnung, sich der Schlachtungsriten erfreuen zu können, vor. Mit Freunden und Bekannten des Regisseurs wurde der Streifen verwirklicht und steht somit für echte, unverfälschte und vor allem aufrichtige Filmkunst. Denn das ist das Texas Chainsaw Massacre nun wirklich – Genrekino in seiner reinsten Form.
Es beginnt als idyllischer Sommerausflug. Die vier gutgelaunten jungen Menschen in ihrem Auto ahnen noch nicht, dass dieser freundliche Tag zum entsetzlichsten, schrecklichsten und letzten ihres Lebens wird. Als ihnen in einer einsamen Gegend das Benzin ausgeht - ganz in der Nähe eines alten Schlachthofs - nimmt ihr grauenvolles Schicksal seinen Lauf...
Wie ein vor Blut strotzendes Schlachtspektakel lesen sich sowohl Filmtitel als auch Inhaltsangabe, jedoch wird sich der daran Ergötzende schnell abwenden. Exploitative Brutalitätsorgien fehlen gänzlich, weil der Anteil visueller Gewalt niedrig gehalten worden ist. Und zum Glück ist dem auch so, da nämlich zum einen die Intension Hoopers, eine gewisse Ernsthaftigkeit zu erhalten, untermauert wird und zum anderen der Film sich dadurch seinen Ausnahmestatus sichern kann. Das zeichnet diesen außergewöhnlichen Film in der nicht immer ruhmreichen Welt des Splatterkinos aus und zeigt seinen teils stupiden Überbietungsdrang, welcher besonders in den 70er und 80er Jahren unter den Regisseuren florierte.
Überraschend unblutig ist der Film nämlich, mit dem Kettensägenmassaker im Titel, was ihm jedoch keine Intensität abspricht, denn diese fällt erschreckend dicht aus. Die Perversionen, welche die inzestuös lebende Familie an der kleinen Reisegruppe auslebt, werden ihrer simplen Inszenierung entgegen wirkend wahnsinnig real und stark aufgenommen. Es ist nicht das ausufernde Vernichten menschlicher Körper, sondern die distanzierte, misanthropische Diffamierung der Opfer der Familie. Auf kleinen dreckigen Schund reduziert, der Achtung ihrer Peiniger nicht wert, beginnt ein aussichtsloser Kampf gegen die kompromisslosen Psychopathen. Frei nach dem Slasherprinzip holt nun der fiktiv personifizierte Tod in der Gestalt des Leatherface jeden Einzelnen von ihnen ab – ein Wahnsinn, der in diesem krankhaften Szenario zum reinsten Terror wird. Terror für die Protagonisten als auch eine reinste Tortur für den Betrachter selbst. Ausgefallene Kamerawinkel und nicht der Norm entsprechende Bildverständnisse, zum Beispiel die Sonnenspiegel auf der Linse, lassen den Film nicht nur narrativ, sondern auch optisch und akustisch zum Massaker werden.
Die Soundkulisse arbeitet hier ähnlich perfide wie bei Lynchs Mitternachtsklassiker „Eraserhead“, da sie eben wie beim genannten Beispiel die Handlung permanent begleitet und vertieft. Doch wird sie nicht ausgeschmückt, sondern wie ein nicht enden wollender Vorgang von penetranter Hinterlistigkeit des Hinrichtens, der mechanisierten Tötung eines Schlachthofes, was ja immerhin das Setting ist, ausgeführt. Wetzende Klingen, schweres aneinander reibendes Metall, Dampfen, Pochen oder schlichtweg automatisiertes, mechanisches Rattern – eine knapper Einblick in die manuell geschaffene Tonwelt von Tobe Hooper und „The Texas Chainsaw Massacre“. Ein Soundtrack, der keiner ist, aber wie nur selten den Film in äußerst expressiver Weise zu unterstützen weiß, ihn deshalb auch als Filmmedium so unglaublich authentisch erscheinen lässt.
Sally Hardesty (Marilyn Burns) symbolisiert in diesem Film eine äußerlich wichtige Rolle, nämlich die des Final Girls – die letzte Überlebende. Sie muss sich die Seele aus dem Leib brüllen und verleiht damit dem verzweifelten Überlebensschrei Ausdruck, der in den Perversionen und Abnormalitäten der Schlachterfamilie zu ersticken droht. Gekonnt durch die Kameras eingefangen, kann man das blanke Entsetzen erkennen, welches sich während ihrer Fesselung an einen Stuhl in ihren Augen bildet. Ihre letztendlich doch geglückte Flucht führt aber zu einer beeindruckenden Szene des Films. Als nämlich die noch schreiende Sally auf Leatherface zurückblickt und der wie von Sinnen seinen anmutenden Tanz mit der Kettensäge vollführt. Im orangeroten Gegenlicht gefilmt, besitzt dieser Filmmoment unglaublich viel Aussagekraft und macht dem Terror selbst nach Sallys Entkommen noch kein Ende.
„The Texas Chainsaw Massacre“ erzeugt mit einfachsten Mitteln große Wirkung. Ebenso wie der trampende Edwin Neal es im Film immer wieder an seiner Hand vollzieht, schneidet der Film wie ein verrostetes Messer in das Auge des Zuschauers. Eine fast provokative Analogie zwischen der schockierten Reisegruppe und dem Zuschauer; man wird genötigt, missbraucht, der Freiheit beraubt, terrorisiert und das im höchsten Maße, was aufgrund der nahezu blutleeren Umsetzung schlichtweg bewundernswert ist. Kein Massaker auf der Leinwand, dass sich in roten Bächen verliert, sondern ein Massaker für den Zuschauer, seine Sinne und Sehgewohnheiten. Deswegen darf dieser Film getrost als Klassiker, Kultfilm und herausstechendes Werk der 70er Jahre angesehen werden, welcher bis heute seinen Titel als markierende Geburt des Terrorfilms nicht eingebüßt hat.
Ultimate Collector's Edition: Mit der restaurierten Fassung bringt Turbine Media Group das lange Zeit indizierte Werk nun in einer liebevollen Sammler-Edition mit vier Discs auf den Markt. Die damals herausgeschnittenen Szenen wurden dafür wieder hinzugefügt und aufwändig nachsynchronisiert, so dass erstmals eine durchgängig deutsche Sprachfassung vorliegt. Auch das Bild sieht gegenüber den älteren Fassungen wesentlich besser aus. Der originale 16mm-Film wurde hierfür neu abgetastet. Und nicht nur deshalb lohnt sich ein Kauf der Box. Auf den zwei Bonus-DVDs befinden sich sage und schreibe knapp sechs Stunden Zusatzmaterial. Darunter verschiedene Dokumentationen, Outtakes und entfernte Szenen sowie eine zweistündige Expertenrunde zur Zensurgeschichte. Das absolute Highlight stellt jedoch das 64-seitige Buch zur Zensurgeschichte von „Texas Chainsaw Masscacre“ dar. Es beinhaltet interessante Details zur Beschlagnahmung mit den Original-Gutachten und Gerichtsurteilen. Welche Szenen wurden damals beanstandet und warum? Das Lob geht an Turbine Media Group, die mit dieser wunderbaren Filmbox das Herz eines jeden TCM-Fans und Filmfreundes höher schlagen lassen. Und wer nach der Betrachtung aller Scheiben Hunger bekommen hat, kann sich eine leckere Kopfsülze zubereiten. Das Rezept dazu findet sich im beigelegten Buch.
>> geschrieben von Benjamin Johann, Janosch Leuffen