Moviebase Dead Girl
Der Film von Regisseurin Karen Moncrieff heimste bereits den San Diego Film Critics Society Award für das beste Drehbuch ein, für den Independent Spirit Award war das Werk nominiert. Karen Moncrieff übte sich bisher eigentlich als Schauspielerin in diversen TV-Produktionen. „The Dead Girl“ ist ihre vierte Regiearbeit und das zweite von ihr geschriebene Drehbuch. Für die Rollen konnten Hollywoodgrößen wie Brittany Murphy, James Franco und Piper Laurie gewonnen werden. Auch Rose Byrne, zuletzt in „Marie Antoinette“ und demnächst in „Sunshine“ sowie „28 Weeks Later“ zu sehen, ist mit von der Partie. Mit einer solchen Besetzung kann doch nichts schief gehen – oder?
Die verweste Leiche eines Mädchens wird gefunden. Wer ist das Opfer? Was ist der grausam entstellten Unbekannten zugestoßen? Stilsicher und mit sehr erschütternden Wendungen beleuchtet Regisseurin Karen Moncrieff aus fünf Perspektiven den Mordfall; präsentiert uns eine bitter clevere Montage menschlicher Schicksale und Abgründe. Ein von ihrer Mutter (Piper Laurie) streng unterdrücktes Mauerblümchen (Tony Collette) entdeckt die Tote – und schafft sozusagen im Anblick des Todes unvermittelt den Sprung in ihr eigenes Leben. In den folgenden Kapiteln lernen wir weitere am Unglück beteiligte Personen kennen: Die Medizinstudentin, die in der Frauenleiche ihre vermisste Schwester zu erkennen glaubt. Die Mutter (Mary Gay Harden), die auf den Spuren ihrere ermordeten Tochter Wahrheiten erkennen muss, die sie nie ihren Frieden finden werden lassen…
Direkt vorweg: „The Dead Girl“ ist kein typischer Vertreter des Horrorgenres. Wer Blut, Greueltaten oder körperliche Brutalität erwartet, liegt hier völlig falsch. Dennoch bleibt Brutalität nicht aus, sie bewegt sich viel mehr in der Psyche, im Hintergrund des Films. Wer sich darauf einlässt, taucht in ein verstörendes Werk ab, welches vor allem durch ruhige Bilder, passende Musik, emotionale Szenen und hervorragende Schauspieler geprägt wird. Unterteilt in fünf Episoden, die jeweils von einem Charakter der Geschichte erzählen, beginnt „The Dead Girl“ mit dem Auffinden desselbigen.
Inmitten einer traumhaften Kulisse mit wunderschönen Bildern, die zugleich aber auch Einsamkeit ausstrahlen, startet die erste Episode namens „The Stranger“. Die Finderin der Leiche nimmt den Zuschauer mit in ihr unglückliches Leben, in dem sich mit der Einführung des Fremden (Giovanni Ribisi) Neues auftut. Dank des brillanten Schauspiels der Akteure macht sich bald eine dramatische und unangenehme, aber auch zugleich anrührende Atmosphäre breit, die den Zuseher fesselt und mitfühlen lässt. Denn so traurig das Gezeigte auch sein mag, so ist es doch für die Betroffene selbst ein wichtiger Schritt in einen neuen, vielleicht besseren Lebensabschnitt. Die Episode wird durch eine ungewöhnliche Liebesszene beendet, die erst einmal verdaut werden muss.
Die Schwester im zweiten Part „The Sister“ hat mit dem Tod des Mädchens nur indirekt zu tun. Viel mehr sieht „die Schwester“ in dem „Dead Girl“ ihre vermisste und lang gesuchte Schwester. Denn die Leiche des Mädchens weist zunächst gleiche Merkmale wie die der gesuchten Schwester auf. Alles scheint endlich aufgeklärt, doch es kommt anders. Auch in der zweiten Episode macht sich ebenso das wunderbare Acting bemerkbar. Die Charakterenzeichnung beschränkt sich nicht nur auf das stumpfe Auflösen des Rätsels, sondern bringt dem Publikum die Person in all ihren Details, Liebenswürdigkeiten und Gemeinheiten näher.
Im dritten Abschnitt wird das unzufriedene Eheleben einer Frau mit ihrem seltsamen Mann beleuchtet. Mehr und mehr deckt die alte Frau das gar nicht so liebliche Verhalten ihres Ehemanns auf. Emotional bewegt sich auch „The Wife“ auf höchster Ebene und bildet sogesehen den Höhepunkt des Gesamtwerks. Allmählich wird hier nämlich aufgeklärt, was für ein Spiel der ansonsten so ruhige Ehemann außerhalb seiner zerrüttelten Ehe tatsächlich treibt. Und auch der Zuschauer verknüpft im Kopf das Gezeigte, kommt Stück für Stück hinter die ganze Situation.
Die Mutter des Opfers begibt sich im vierten Akt „The Mother“ auf die Suche nach ihrer Tochter. Dabei trifft sie auf die prostituierte Freundin des Opfers, die Licht ins Dunkel bringt. Ganz nebenbei erfährt die nervlich völlig zerstörte Mutter auch noch, dass sie eine Enkelin von ihrer vermissten Tochter geschenkt bekommen hat. Höchst dramatisch, dabei traurig und erschütternd präsentieren sich die Figuren in diesem Teil der Geschichte. Bishin zur nebensächlichsten Person agieren die Darstellerinnen so, wie man es sich für einen guten Film wünscht. Mitreißend, kraftvoll, authentisch. Mit einem freundlichen Handeln mutterseits klingt „The Mother“ aus.
Den Schlusspunkt des „Dead Girls“ setzt die Tote. Perfekt besetzt mit einer abgewrackten und fertigen Brittany Murphy, taucht der Zuschauer in das depressive Leben einer jungen Mutter, die sich auf dem Weg zum Geburtstag der zweijährigen Tochter befindet. Auf ihrer Reise wird sie immer wieder verletzt, enttäuscht und belogen. Die Hingabe einer seelisch und körperlich völlig fertigen Mutter, die ihrer Kleinen nur ein Geschenk übergeben möchte, vermittelt Murphy äußerst glaubhaft. Endlisch scheint sie die perfekte Mitfahrgelegenheit gefunden zu haben, die sich allerdings bald darauf als Anfang vom Ende entpuppt. Nun zeigen sich auch die Verbindungen zu den vorherigen Episoden, alles wird entschlüsselt. Und so endet das dramatische und ungemein verstörende Werk der Regisseurin Karen Moncrieff.
Was „The Dead Girl“ ausmacht, sind sein perfekter Cast, fünf mitreißende Episoden, die auch unabhängig voneinander oder neu geordnet erzählt werden können, die Verbindungen, bei denen Aufmerksamkeit erforderlich ist und die Tatsache, dass es auch möglich ist, packende Krimithriller ohne Unmengen von Blut zu inszenieren. Zwar gibt es ein paar Längen, die aber dank Story und Darsteller nicht sonderlich ins Gewicht fallen.
Ein typischer Horrorfilm ist „The Dead Girl“ absolut nicht. Eher ein ruhiges Albtraumbuch, welches durch Realismus und psychische Härte besticht. Wer sich darauf einlässt, sieht einen Arthousefilm mit Tiefgang. Unbedingt empfehlenswert!
>> verfasst von Janosch Leuffen