Audition, zu Deutsch „Vorsprechen“. Für manche eine große Chance, mit ihrem Können zu punkten. Für andere nur ein Mittel zum Zweck. Miike’s neuer Ausflug steckt wieder einmal voller Tücken. Was am Anfang nach einer hinreißenden Geschichte voller Liebe und Sehnsucht anmutet, wird schnell zu einem albtraumhaften Verlangen nach Liebe. Wie bei allen Miikes kann man auch hier gleich vorweg schreiben, dass auch „Audition“ nicht alle Geschmäcker treffen wird.
Alles beginnt ganz langsam. Aoyama sucht nach einer langen, trostlosen Zeit wieder Beistand in seinem Leben. Ganz recht kommt ihm da, dass sein Freund Yasuhisa beim Film arbeitet und ein vorgetäuschtes Casting organisiert, um eine Traumfrau für ihn zu finden. Leicht fällt es nicht, die Richtige unter 30 Bewerberinnen zu finden. Doch Aoyama hat bereits im Vorfeld eine Wahl getroffen: Asami soll es sein. Schade nur, dass diese hübsche Frau ein tödliches Geheimnis birgt, wie Aoyama noch herausfinden wird. Genauso gemächlich wie der Film beginnt, zieht er sich auch in den ersten anderthalb Stunden. Eine luftige Liebegeschichte mit zwei Partnern, die vom Alter rein gar nicht zusammen passen wollen.
Asami scheint genau die Richtige zu sein. Sie besitzt ein vornehmes Verhalten, gute Bildung und ist zudem noch hübsch. Was kann sich ein Mann im bereits recht rüstigen Alter schon mehr wünschen? Asami überzeugt bereits zu Beginn mit ihrer merkwürdigen Art. Sie wirkt schüchtern, ist aber dennoch recht aufdringlich, wenn es darum geht, von ihrem Geliebten wahrgenommen zu werden. Auch die asiatische Art, wie die Menschen miteinander umgehen, wirkt für westliche Zuschauer des Öfteren etwas befremdlich. So kommt es, wie es kommen muss. Aoyama macht ihr bereits nach wenigen Treffen einen Heiratsantrag. Natürlich fackelt Asami nicht lange und willigt ein. Hat sie doch endlich das Glück gefunden, nach dem sie bereits seit Jahren sucht und dessen Hoffung ihr auch durch die schwersten Zeiten geholfen hat.
Das Szenario wirkt bis zur Hälfte des Films sehr warm und ist des Dramas sehr zuträglich. Die starre Kamera fängt das Geschehen um das verliebte Paar wie selbstverständlich ein. Die große Wende lässt jedoch nicht lange auf sich warten. Nachdem Asami und Aoyama eine gemeinsame Nacht in einem Hotel verbringen, ist sie plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Erst jetzt merkt unser Hauptdarsteller, dass dieses junge Ding ein böses Geheimnis birgt. Asami, in der Vergangenheit von Männern missbraucht und gequält, will Rache nehmen an all denen, die sie nur ausnutzen wollen. Ein Rachefeldzug mit einer sadistischen Folterkammer beginnt. Gespickt oder auch aufgelockert, wie man es denn nehmen will, wird der Verlauf durch Rückblenden Asamis bisheriger Taten. Da wären zum Beispiel ein Mann, den sie in einem alten Leinensack gefangen hält. Drei Finger, Füße und Zunge mussten leider dran glauben, da er Asamis Sehnsucht nach voller Hingabe nicht standhalten konnte.
Takashi Miike hätte seine beiden Hauptdarsteller nicht treffender wählen können. Asami ist das typische Mädchen. Unschuldig, gutaussehend und auch noch leicht rumzukriegen. Man würde nie vermuten, dass dieses Mädchen auch nur einer Fliege was zu leide tun könnte. Doch auf diesen Aspekt baut Miike nun mal stark. „Erwarte das Unerwartete“ könnte man hier fast behaupten. Aoyama’s Charakter verkörpert den normalen, arbeitenden Geschäftsmann, der gutes Geld verdient, ausgewachsene Kinder besitzt und nach dem Tod seiner Frau eine neue Lebenspartnerin sucht. Neben der guten Ausarbeitung der Rollen werden beide Hauptdarsteller auch noch perfekt gespielt.
Miike gelingt mit „Audition“ die perfekte Balance zwischen mehreren Genres. Was am Anfang nach einer normalen Liebeskomödie aussieht, entwickelt sich im laufe der Zeit zu einem traurigen Drama, dass zum Schluss mit vielen Horror bzw. Thriller Elementen aufwartet. Ich will speziell vom Schluss nicht viel preisgeben. Eines kann jedoch gesagt werden: Schonungsloser hätte Miike das Ende nicht darstellen können. Ohne viel Takes wird gezeigt, wie Asami Rache übt und dabei auch Freude zu empfinden scheint: „Stich und Stich und Stich und Stich …“.
Am Ende bleibt zu fragen, was uns dieses Machwerk sagen will. Sollen sich gequälte Kinder in ihrem späteren Leben allesamt so kompromisslos wehren, auch wenn sie dabei über Leichen gehen müssen? Vielleicht ist Miike hiermit auch nur ein Hilfeschrei für alle unterdrückten Frauen gelungen, die sich in der männerbeherrschten Welt endlich durchsetzen sollen. Ein wirklich guter Film, der gerade zu Beginn leider einige Längen hat. Das fulminante Ende kommt etwas plötzlich, wenn man bedenkt, dass der restliche Verlauf doch eher langsam vonstatten ging. Erstklassige Darsteller machen die wenigen Schwächen, die in „Audition“ aufzufinden sind, jedoch schnell wieder wett. Im Grunde kann wie bei fast jedem asiatischen Film gesagt werden: Wer sich auf die ruhige Machart einlässt, wird später umso mehr belohnt.