Moviebase Teufelskind Joshua
In Zeiten von Horror-Splattergranaten wie „Saw“ und „Hostel“ werden Genrevertreter ohne Blut zu einer wahren Rarität. George Ratliff kehrt zu diesen Filmen zurück und präsentiert dem geneigten Zuschauer mit Joshua Horror in seiner eigentlich bösartigsten Form. Was wöchentlich auf einem deutschen Privatsender in den Haushalten zu sehen ist, kommt im Januar als amerikanische Version in die Kinos. Dass dabei auch noch ein junger Bube der Auslöser des realen Horrors ist, macht Joshua zu einem ruhigen, aber dennoch bösen Film.
Zwar benimmt sich das 9-jährige Wunderkind Joshua (Jacob Kogan) nicht unbedingt normal, aber dennoch könnten die Cairns zumindest auf den ersten Blick ohne weiteres als New Yorker Upper-Class-Vorzeigefamilie durchgehen: Vater Brad (Sam Rockwell) verdient als Banker an der Wall Street einen dicken Haufen Kohle und begleitet seinen Sohn trotzdem regelmäßig zu seinen Fußballspielen, Mutter Abby (Vera Farmiga) schmeißt zuverlässig den Rest des Haushalts. Doch dann stellt sich erneuter Nachwuchs ein, die kleine Lily wird geboren. Die Anspannung ist groß, hatte sich Joshua in seiner Anfangszeit doch einst als unerträglicher Schreihals entpuppt, der seine Mutter mit seinem Geplärre gar in tiefe Depressionen stürzte. Doch die Ängste scheinen unbegründet, Lily erweist sich als ausgesprochen ruhiges Baby. Während sich die Eltern über den stillen Familienzuwachs freuen, keimt in Joshua offenbar so etwas wie Eifersucht. Und mit einem Mal, kurz nachdem die Meerschweinchen in Joshuas Schulklasse elendig verreckt sind, fängt Lily dann doch noch an zu schreien. Und hört wochenlang nicht wieder damit auf...
Vielen wird Joshua mit Sicherheit nicht schmecken. Ruhige Bilder sorgen zunächst für eine angenehme Atmosphäre, die Familienidylle scheint perfekt. Sam Rockwell, bekannt aus der Stephen King-Verfilmung „The Green Mile“ als Fiesling Wild Bill, mimt hier den netten und glücklichen Familienvater, die hübsche Vera Farmiga (Running Scared, Departed) bildet den perfekten Gegenpol. Bis zur Geburt der Tochter leben die Cairns ein vorbildliches Leben. Dann ändert sich alles schlagartig…
Der Film spielt mit den Gedanken des Zuschauers. Irgendwas sagt dem Betrachter, dass der 9-Jährige Joshua nichts Gutes im Schilde führt. Beweise dafür werden allerdings nie erbracht, so dass man annimmt, die Eltern des Jungen hätten nicht mehr alle beisammen und fangen an, durchzudrehen. Bis man wirklich erfährt, was hinter den ganzen Stimmungsschwankungen steckt, vergeht der Film, ohne dabei an einer Stelle unrealistisch zu sein. Die Mutter kommt mit dem schreienden Töchterchen nicht mehr klar, muss in eine Klinik eingewiesen werden. Vater und Sohn sind somit auf sich alleine gestellt. In diesen Szenen zeigt sich das gute Zusammenspiel zwischen Jacob Kogan und Sam Rockwell. Während der Vater immer weiter am Rad dreht und völlig verzweifelt, bleibt Klein Joshua vollkommen gelassen und ruhig. Dass hinter dieser Fassade ein Wesen mit Absichten steckt, die eigentlich nur ihm zu Gute kommen sollen und in erster Linie nicht wirklich böse gemeint sind, mag man zunächst nicht glauben.
Denn im Grunde ist der Gedanke Joshuas gar kein Einzelfall. Nicht selten gibt es in Haushalten mit einem älteren Kind Probleme, sobald ein Neuankömmling hinzu stößt. Die Eltern kümmern sich liebevoll um das Baby, während das erste Kind, in diesem Falle Joshua, immer mehr vernachlässigt wird. Was tut man da nicht alles, um ein kleines bisschen mehr Aufmerksamkeit zu bekommen? Eben genau dieses Problem hat Joshua. Die Eltern sind nur noch für seine Schwester da, unternehmen mit dem Jungen fast nichts mehr. Von Minute zu Minute nimmt der wahre Horror seinen Lauf, Joshua gibt seinen Eltern zu spüren, was Sache ist. Über eine abgedrehte irre Mutter und einen verzweifelten Vater kann der kleine Mann da nur lachen. Wer kann einem 9-Jährigen Kind schon böse sein? Aber wer ahnt auch, dass es zu solchen Dinge in der Lage ist?
George Ratliff baut die Spannung bis hin zum Ende ruhig und bewusst auf, um den Zuschauer in die Irre zu führen, ihn denken zu lassen. Dass Kinder böse sein können wissen wir bereits seit „Das Omen“, in dem Damien den Teufel höchstpersönlich verkörperte, oder „Das Dorf der Verdammten“, in dem eine komplette Kinder-Kleinstadt zu schrecklichen Wesen mutiert. Joshua setzt das fort, baut aber weder auf übernatürliche noch satanistische Kräfte. Das Kind wird zu der Person, zudem es die Eltern machen.
Wer Kinder mag, wird Joshua hassen. Wer Splatter und Blut sehen möchte, liegt hier ebenso daneben. Freunden von ruhigen und emotionalen Real-Horrortrips dagegen sei Joshua ans Herz gelegt.
>> verfasst von Janosch Leuffen