Moviebase Shutter - Sie sehen Dich (Remake)
Ob sie tatsächlich existieren, jene hüllenlose Wesen, die uns im Genre des Öfteren einen Schauer über den Rücken jagen? Wird das Thema im europäischen und amerikanischen Raum heutzutage größtenteils unter den Tisch gekehrt oder als Hirngespinst abgetan, genießen übernatürliche Erscheinungen im asiatischen Raum eine kulturelle Akzeptanz, die ihresgleichen sucht. Riten, Zeremonien und Aberglaube, der besagt, die Verstorbenen einer Familie über den Tod hinaus zu ehren, bestätigen dies. Kaum verwunderlich also, dass sich unzählige Filmemacher in Fernost dieser Thematik angenommen haben und auch zukünftig annehmen werden. Diese Geister, geneigte Filmfans kennen sie bereits aus Ju-On: The Grudge, Ringu oder The Eye, treten allesamt verstärkt in einer Form auf den Plan: Als weibliches Wesen, das nicht nur durch seine langen, vornehmlich schwarzen Haare fesselt. Auch Shutter machte hier keinen Unterschied.
Als Nicky ihren angetrunkenen Freund Benjamin nach einer Hochzeitsfeier heimfährt, überrollt sie eine junge Frau, die plötzlich aus dem Nichts über die Straße rennt. In Panik verleitet Benjamin Nicky zur Fahrerflucht. Auch wenn dies die Beziehung stark belastet, der Alltag holt das Pärchen schnell wieder ein. Besonders Benjamin findet sich bald wieder in seinem Fotografenjob. Doch seine Bilder sind plötzlich durch bizarre Verzerrungen und grelle Lichter unbrauchbar. Und Nicky wird immer häufiger von brutalen Albträumen geplagt, in denen ein gespenstisches Mädchen sie erbarmungslos verfolgt. Als auch Benjamins Nächte von dieser Vision gestört werden, beginnen die beiden mit Nachforschungen über die vermeintliche Tote. Zurück am Unfallort erfahren sie, dass eine Leiche nie gefunden wurde.
2004, die Welle asiatischer Filme, die sich fast wöchentlich in die Regale heimischer DVD-Händler schmuggelten, war bereits am Versiegen, als uns Thailand mit Shutter das Fürchten zu lehren versuchte. Das Regiedebüt der beiden Filmemacher Banjong Pisanthanakun und Parkpoom Wongpoom glänzte durch sein einfaches, mit geringen Mitteln finanziertes Szenario, das seine Fasziniation speziell aus diesem Grund erhalten konnte. Auch wenn unschwer zu erkennen ist, dass die thailändische Antwort auf japanische Filmkost wie The Ring alles andere als innotiv war, präsentierte sich die Geistermär als effektive Abhilfe gegen Langeweile. Shutter, ein amerikanisches Remake aus der Feder der beiden Regisseure, die zwar das Drehbuch beisteuerten, den Regiestuhl jedoch lieber dem Japaner Masayuki Ochiai (Kansen) überließen, setzt diesen Werdegang ohne Umschweife fort - leider im negativen Sinne.
Um der typischen Vorgehensweise amerikanischer Neuverfilmung, die Handlung prompt in das produzierende Heimatland zu verlegen, leichte Änderungen vorzunehmen und die Darstellerriege mit zumeist blutjungen Newcomern zu besetzen, einen Strich durch die Rechnung zu machen, blieb der Handlungsort exotisch - wie im Falle von The Grudge. Eine Amerikanisierung, die lediglich zur Hälfte auf den Plan tritt. Feierten Nicky und Benjamin die ersehnte Hochzeit noch im überfüllten und nie schlafenden New York, zieht es den angehenden Fotografen für eine neue Arbeitsstelle nach Tokio, wo das Paar fortan in einem überaus großzügigen Loft wohnt. Ochiai nimmt sich anfangs Zeit, die mit Joshua Jackson und Rachael Taylor besetzten Hauptfiguren einzuführen. Das Glück des verliebten Pärchen steht im Mittelpunkt des Geschehens. Die Feier, ein Flug, erholsame Flitterwochen am Fuße des Fujiyama. Doch es kommt, wie es kommen muss. Die trügerische Idylle nimmt ein jähes Endes, als Jane auf dem Weg nach in das Liebesnest ein junges Mädchen auf der Straße überfährt. Doch war dort wirklich jemand?
Eine Frage, ein Stilbruch. Noch immer von unzähligen Zweifeln übersät, nimmt Benjamin seinen Job auf, während Jane in bester Lost in Translation Manier durch die Straßen Tokios flaniert, merkwürdig klingende Gespräche belauscht und die Eigenarten der Bevölkerung auf Film bannt: Videospiele. Alles scheint perfekt, wäre da nicht diese junge Frau, die sich vermehrt in spiegelnden Oberflächen bemerkbar macht. Die Suche nach dem fatalen Geheimnis kann beginnen. Shutter führt seinen Antagonisten so konsequent und ohne viel Aufhebens in das verherrschende Geschehen ein, das ein starker Bruch zur bisherigen Stimmung bemerkbar wird. Aus dem Genre bekannte Soundeffekte und schnelle Schnitte verdeutlichen das zunächst wenig gefährlich wirkende Übel. Wo das Original mit fein dosierter Subtilität punktete, geht Shutter mit dem bekannten und ungeliebten Holzhammer auf das Publikum los. Ein Spannungsbogen, der die nötige Verbindung zwischen Gut und Böse zieht und dabei einen vermeintlich normalen Alltag zelebriert, lässt sich schmerzlich vermissen.
War das Geschehen bis zu jenem Zeitpunkt verstärkt auf Charakterzeichnung bedacht, zählen fortan lediglich zwei pochende Fragen, die es über die restliche Spieldauer zu beantworten gilt: Was will dieses Mädchen eigentlich und wo kommt es her? Weshalb weigert sich Benjamin immerwährend gegen die Akzeptanz des Übernatürlichen? Als Fleisch gewordenes Sarah Michelle Gellar Abziehbild hangelt sich Rachael Taylor als ermittelnde Detektivin von Hinweis zu Hinweis, die ihr wie von Geisterhand untergeschoben werden. Sie liefert eine solide Leistung, die ihre Stärken vornehmlich aus den dramatischen Momenten zieht, kann ihre Präsenz dank des eingeschränkten Drehbuchs jedoch nicht vollends ausspielen. Wesentlich blasser zeigt sich an dieser Stelle bereits Joshua Jackson, der sich von dem ganzen Geistertreiben wenig beeindruckt zeigt und charakterlich wie mimisch auf dem Niveau eines Cursed (Wes Craven) verharrt.
Bis zum bitteren Ende, das der Redewendung "Ein Problem zu schultern" eine ganz neue Bedeutung verleiht, zeigt sich das Verlebte spannungs- und seelenlos. Was Ochiai an Effekten bei der Fotografie opferte, sparte der Filmemacher am entscheidenden Punkt ein. Wie soll sich das Publikum fürchten, wenn der Ursprung allen Übels als gelangweilten Fräulein in der Ecke weilt, das jede Form von Make Up vermissen lässt? Setzt ein Horrorfilm auf ein allseits bekanntes Muster aus musikalischer wie schnitttechnischer Tiefe, das jedwede Doppelbödigkeit vermissen lässt, sollte sich das Geisterwesen zumindest durch eine ansehnlich erschreckende Form in die Köpfe der Zuschauer spielen. Das thailändische Original überzeugt auf beiden Ebenen, das amerikanische Remake auf einer kaum vorhandenen, blassen ersten. Ein Remake nach Strickmuster F, das den Zuschauer vom Nägel kauenden Häufchen Elend zum gähnenden auf-die-Uhr-Schauer werden lässt.
>> verfasst von Torsten Schrader