Moviebase Eden Lake
Für ein nettes Wochenende auf dem Land schlagen Jenny und Steve (Kelly Reilly und Michael Fassbender) aus London ihr Zelt an einem kleinen See auf. Schon bald soll dort eine „Gated Community“ entstehen, eine mit Wachdienst und Mauern nach außen abgeschlossene Siedlung für Besserverdiener; noch sind davon aber nur ein paar Bauwägen, unfertige Absperrungen und ein riesiges Werbeschild zu sehen.
Auf dessen Rückseite hat jemand die Botschaft „Fuck off, yuppie cunts!“ hinterlassen – ein erster Hinweis darauf, dass die Landbevölkerung den wohlhabenden Städtern nicht unbedingt wohlwollend gegenübersteht. Und obwohl Jenny und Steve sicher nicht das nötige Kleingeld für einen Platz in der neuen Siedlung hätten, begegnen ihnen die Menschen im einige Kilometer entfernten Dorf nicht allzu freundlich. Richtig Ärger gibt es allerdings mit einer Gruppe Jugendlicher, die sich neben den beiden am Strand niederlassen und zunächst nur ihre Musikanlage sehr laut aufdrehen. Später dann machen sie eine Spritztour mit Steves Auto, und damit beginnt die Situation allmählich äußerst unheilvoll zu eskalieren.
Die Grundkonstellation von „Eden Lake“ erinnert sicher nicht von ungefähr an all die Backwood-Slasher, die vor allem das amerikanische Kino hervorgebracht hat, von „The Texas Chainsaw Massacre“ bis hin zu „The Hills Have Eyes“: Immer sind es die etwas verwöhnten Städter, die den gerne degenerierten (wenn nicht mutierten) und stets gewaltbereiten Landeiern in die Hände und unter die Klingen fallen. Dieser Film aber nimmt, und das ist bemerkenswert, das Genre und stellt es mit beherztem Schwung auf die Füße der britischen Realität. Fast unheimlich scheint es dem Regisseur zu sein, das konnte man beim Fantasy Filmfest von ihm hören, wie sehr sich seit der Entstehung des Drehbuchs vor einigen Jahren in Sachen gewalttätiger Kinder und Jugendlicher die Realität seinem Film angenähert hat.
Manche dieser jungen Leute in „Eden Lake“ sind noch nicht einmal richtig in der Pubertät angekommen; sie sind gleichgültig, zumindest gegenüber einfachen Formen von Gewalt, werden aber, als der Konflikt mit Jenny und Steve einmal offen ausgebrochen ist, von dem Alphatierchen ihrer Gruppe zu immer weiter gehenden Taten gedrängt und schließlich gezwungen. Richtig böse will man jedoch selbst diesen Jungen zunächst nicht nennen: Dafür ist die Gewalt zu wenig gezielt, fortwährend ahnt man die Ausweglosigkeit aus der einmal hergestellten Situation, die auch die Täter umtreibt. Dem Regieerstling von James Watkins, der auch das Drehbuch verfasst hat, gelingt eine für das Genre bemerkenswert dichte und überzeugende Darstellung der einzelnen Figuren, die sich nie auf einfache Muster reduzieren lässt. Zugleich entwickelt der Film mit seiner unerbittlich voranschreitenden Logik der Eskalation einen ungeheuren Sog, in dem man der Handlung atemlos folgt, während man zugleich ihren Fortgang fürchtet. Mit ähnlich erschreckender Intensität und vergleichbarem Realitätsbezug konnte zuletzt allenfalls „Wolf Creek“ auffallen.
Wie in dem australischen Slasher weidet sich auch „Eden Lake“ nicht an den Gewaltdarstellungen; hier ist kein voyeuristischer Kick zu holen. Stattdessen beobachtet der Film seine Figuren sehr genau in ihrer schrittweisen Entwicklung. Das ist auch bei den Tätern sehr eindrücklich; am tiefsten brennt sich jedoch Jennys Verwandlung in die Erinnerung ein. Ihr gehören die ersten Szenen, in denen sie - rothaarig, mit heller Haut - liebevoll ihrer Arbeit als Kindergärtnerin nachgeht. Und ihr gehören später jene Momente, in denen sie, von Kopf bis Fuß in Schlamm gehüllt, aus dem nur noch das Weiße ihrer Augen hervorleuchtet, wie eine dunkle, schmutzige Naturgewalt auch vor Gewalt gegen Kinder nicht mehr zurückschreckt.
Natürlich schwingt, man ahnt es in dieser Gegenüberstellung, die Frage der richtigen Erziehung bei „Eden Lake“ von Anfang an bis zum dann doch irgendwann vorher- oder wenigstens absehbaren Ende immer mit. Eine einfache Moral oder Lektion dazu hat dieser durch und durch beeindruckende Film aber nicht zu bieten. Außer vielleicht, dass es womöglich immer jene am härtesten trifft, die es am wenigsten verdienen.
>> verfasst von Rochus Wolff