Moviebase Repo! The Genetic Opera
Irgendwann Anfang der 2040er greift eine seltsame Krankheit die Organe der Menschen an; nur der Geneco-Konzern unter Rotti Largo findet eine Möglichkeit, das Leben der Menschen durch Organtransplantationen zu verlängern. Schnell entwickeln sich Transplantate und Implantate zum modischen Statement, und die Firma lässt sich ihre Arbeit auch gerne teuer bezahlen. Wer seine Raten allerdings nicht regelmäßig begleichen kann, bekommt unerfreulichen Besuch vom Repo-Man, der dann eine Organ Reposession vornimmt - das Organ kehrt zum Weiterverkauf in den Besitz von Geneco zurück. Was den Betroffenen meist nicht gut bekommt.
Statt einer grimmen Geschichte von Organhandel und Kapitalismus erzählt "Repo! The Genetic Opera" eine schwarze Komödie aus dem Jahr 2057, besser: gerät zu einem formidablen schwarzen Musical. Hier wird wenig gesprochen und dafür umso mehr gesungen; das ist noch morbider, als es kürzlich "Sweeney Todd: The Demon Barber of Fleet Street" sein konnte, auch wenn niemand aus dem "Repo!"-Ensemble schauspielerisch Johnny Depps Klasse erreicht. "Repo!" ist das, was passiert, wenn man die "Rocky Horror Picture Show" konsequent modernisierend weiterdenkt: Bildeten seinerzeit noch "deviante" Formen von Sexualität und Lust den offenen Subtext der Erzählung, so geht es hier um den Körper als Modeaccessoire, um lustvolle Perversionen und Drogen. Betäubungsmittel der Wahl ist da aktuell Zydrate, das zur Betäubung bei Transplantationen wie Plastischer Chirurgie verwendet wird, aber leider süchtig macht. Für den Schwarzmarkt beschaffen es die einschlägigen Dealer auf den Friedhöfen – sie entziehen die blaue leuchtende Flüssigkeit dort direkt den Gehirnen der Verstorbenen.
Wem das noch nicht grenzwertig genug ist, kann sich auch am Gesicht von Amber Sweet delektieren – die Tochter des Geneco-Gründers versorgt sich regelmäßig mit neuen Operationen, und irgendwann gerät ihr die Gesichtshaut etwas aus den Fugen. Klatschpressenkönigin Paris Hilton spielt diese Amber in ihrer definitiv bisher besten und einzigen sehenswerten Filmrolle.
Im Zentrum der Handlung steht aber eine ganz andere: Shilo Wallace (Alexa Vega), deren Mutter während ihrer Geburt gestorben ist und mit Rotti Largo verlobt gewesen war, bevor sie ihren Nathan (Anthony Head) kennen lernte. Dieser versucht seine Tochter Shilo, die seit ihrer Geburt an einer geheimnisvollen Krankheit leidet, vor den Unbilden der Welt zu schützen – und verbringt ansonsten seinen Tag mit eher dubiosen Tätigkeiten. In ihm verbindet sich eine traumatisierende Vergangenheit mit einer sehr unerfreulichen Gegenwart, und beides beginnt plötzlich eine Rolle zu spielen, als der todkranke Rotti Largo versucht, sich der Tochter seiner verstorbenen Geliebten anzunähern.
"Repo!" basiert auf dem gleichnamigen Bühnenstück von Darren Smith und Terrance Zdunich, der in diesem Film auch in einer größeren Rolle als Grabräuber zu sehen und zu hören ist. Beide Autoren haben das Stück auch für den Film adaptiert, dennoch merkt man "Repo!" auch sehr deutlich die Handschrift Darren Lynn Bousmans an, der vor allem durch seine bisher drei "Saw"-Filme bekannt geworden ist. Das wird sich vor allem im visuellen Stil des Films deutlich, dessen Verfallsszenarien gelegentlich an der Oberfläche schon sehr an die "Saw"-Filme erinnern. Sehr rasch fallen dann aber andere Elemente im Setdesign auf, die man irgendwo zwischen "Blade Runner" und Steampunk ansiedeln könnte, während das Aussehen einiger Hauptfiguren – viel Schwarz und Spitze unter weiß geschminkten Gesichtern – wohl nicht von ungefähr an aktuelle Jugendkulturen anschließt. Nebenfiguren laufen gerne in S/M-Outfits herum oder wirken, als seien sie direkt (in gerade noch bekleidetem Zustand) einem Krankenschwesterporno entsprungen.
So eklektisch sich der Film im Visuellen präsentiert, so bunt durcheinander geht es dann auch bei der Musik: von Bombastrock über Industrial bis Japanpop sind die verschiedensten Strömungen der Populärmusik zu hören. Musik, visuelle Stilrichtungen, Körperpolitik und Sex: In "Repo!" geht alles fröhlich eklektisch durcheinander, werden zudem hemmungslos albern Organe durch die Gegend geschmissen und Menschen zerteilt. Es splattert vor sich hin, und ganz unbemerkt schleichen sich durch dieses ganze dunkel-bunte Spektakel Fragen nach unserem eigenen Körperverständnis ein – bis wann ein Körper eigentlich unser Körper ist, und welchen finanziellen Wert eigentlich menschliches Leben hat.
Schwer kommt das freilich nie daher, allenfalls ganz en passant als Demaskierung: Einer von Amber Sweets nichtsnutzigen Brüdern hat sich ein Plastikgesicht aufoperieren lassen. Wie einst das Phantom der Oper, das sein Gesicht aus Scham verhüllte, läuft er herum; nur dass er es nicht nur freiwillig tut, sondern die Maske für ihn das eigentlich Schöne, das Erstrebenswerte ist. Wir haben bisher nur Botox, aber das ist womöglich nur eine Frage der Zeit. Hoffentlich ist dann wenigstens auch in unserer Zukunft die Musik so gut.
>> verfasst von Rochus Wolff