Moviebase WΔZ - Welche Qualen erträgst du?
Hach, diese Serienmörder! Nach Jahren des SCHWEIGEN DER LÄMMER und SE7EN Recyclings, der immer wieder aufklaffenden SAW Reihe und zuletzt David Finchers gelungenem, schön untypischen Mediendrama ZODIAC ist man zurecht müde. Meinetwegen können sich alle Serienmörder des Filmuniversums für ein längeres Nickerchen zurückziehen.
Aber vorher sollte man sich noch den wirklich überraschend effektvollen WAZ anschauen. Dieser fängt wie der übliche Killerthriller an: Düstere Atmosphäre (hervorragende Kameraarbeit von Morten Soborg), ein gebrochener, wortkarger Held, ein ominöser Soundtrack- und eine grausame Mordserie, deren Opfer allesamt die Buchstaben WAZ eingeritzt bekamen. Interessanterweise gibt es zwei Arten von Toten: Die einen wurden durch eine gewaltige Ladung Strom getötet, während die anderen gefoltert wurden und meistens einen verbrannten Zeigefinger aufweisen. Zudem handelt es sich bei einem Teil der Ermordeten um die Mitglieder der selben Straßengang. Der ermittelnde Polizist Eddie Argo (wie immer großartig: Stellan Skarsgard) und seine junge Partnerin Helen Westcott (zerbrechlich: Melissa George, TURISTAS; ALIAS) werden immer tiefer in eine hundsgemeine Geschichte hineingezogen, deren Wurzeln in der Vergangenheit liegen. Offenbar wurden die Opfer vor die Wahl gestellt, eine enge Bezugsperson per Stromschlag zu exekutieren, oder selbst Höllenqualen zu erleiden. Unmenschlichen Qualen, denen der Täter einst selbst ausgesetzt war...
WAZ beginnt als Serienkillerfilm, entwickelt sich dann zum Polizeithriller mit Gang-Thematik, um dann am Ende in ein richtig übles Folter-/Rachedrama umzukippen. Knallhart, aber hervorragend ausgearbeitet. Fast alle Figuren werden mit kleinen Schnipseln von Hintergrundinformationen charakterisiert, und gerade die Geschichte des Killers (es ist schwierig, nicht zuviel zu verraten) erschüttert mit ihren kurzen, traumatischen Flashbacks. Zudem baut sich zwischen Eddie und Helen eine interessante Mentor/Schüler Situation auf, welche die Tatsache, dass Eddie in die vergangenen Ereignisse mit verwickelt ist, umso emotionaler treffen lassen.
Als wenn die durchgehend intensive Atmosphäre mit ihren versteckten Gemeinheiten und rasant gefilmten Verfolgungsjagden noch nicht genug wäre, sind es vor allem die letzten zwanzig Minuten, die einen dann mit offenem Mund sitzen lassen: Nackt, auf einen Stuhl gefesselt, muß Eddie sich der Folter des Killers unterziehen, während jemand, der ihm sehr viel bedeutet, auf einem elektrischen Stuhl gegenüber hockt. Die Werkzeugpalette ist furchteinflössend, und der Wahnsinnige hört mit seinem Programm erst auf, wenn Eddie den Auslöser drückt...
„There are shades of fuckin’ grey.”
Das klingt jetzt vielleicht fast nach HOSTEL 3, ist aber meilenweit davon entfernt. WAZ ist ein beeindruckend homogener und erschreckend realistisch durchgespielter Thriller. Hier sind es keine schablonenhaften Teenie-Charaktere, die wie dummes Vieh auf die Schlachtbank befördert werden. Hier regiert nicht der Selbstzweck und die SAW Gemeinde wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Denn TV Regisseur Tom Shanckland erweist sich als Meister der Manipulation, oftmals glaubt man mehr gesehen zu haben, als tatsächlich stattfindet. Kurze Bilder nutzt er für maximale Wirkung, ohne stundenlang draufzuhalten. Allein die Andeutung eines spitzen Gegenstandes, der in ein Nagelbett gehauen wird, reicht aus, um einem die Nackenhaare aufzurichten: Der Film baut intelligent und konsequent auf das harte Finale hin. Es gibt keine Schwarz/Weiß Typisierung in diesem Thriller, alle haben auf die ein oder andere Weise Dreck am Stecken und das Ende ist ein angemessener Schlussakt für ein wirklich beeindruckendes, sehr erwachsenes Drama.
Zum Schluss hatte ich Tränen in den Augen. Man fühlt mit den Charakteren wahrlich mit.
Aber keine Angst: Das ist nicht TITANIC. Sondern einer der feinsten Thriller des Jahres.
Anschauen, aber sofort!
>> verfasst von Marc Ewert