In Zeiten aufkeimender Liebeskomödien, die einer Schauspielerin durchaus zu Ruhm und Erfolg verhelfen, jedoch kein Standbein sind, um sich als ernsthafte Schauspielerin am Markt zu etablieren, kommt ein Film wie The Cell gerade recht. Jennifer Lopez dachte wohl ähnlich, als sie für die Hauptrolle im Horror-Thriller des indischen Regisseurs Tarsem Singh unterschrieb, der so gar nicht zu ihrem sonstigen Portfolio passen sollte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Oder doch nicht?
Catharine Deane (Jennifer Lopez) arbeitet in einem Forschungslabor als Psychologin. Das Besondere an ihrer Therapie ist, dass sie sich per Computer in den Geist des Patienten begeben kann, um in dessen Fantasie Hinweise auf die Krankheit zu finden und diese gleich zu behandeln. Das Projekt ist jedoch wegen mangelnden Erfolges gefährdet. Just als sich eine allgemeine Depression breit macht, bekommt das Team einen besonderen Auftrag vom FBI. Catharine muss sich in den komatösen Serienkiller Carl Stargher (Vincent D´Onofrio) einklinken, um dessen verstecktes Labor zu finden, wo er Frauen in einer abgeschlossenen Zelle einen grausamen Ertrinkungstod sterben lässt. Dabei steht Catharine der Täterprofilspezialist Peter Novak (Vince Vaughn) zur Seite, der Stargher schon lange auf den Fersen ist und ihn schließlich gestellt hat. Da der Serienkiller kurz vor seiner Verhaftung noch eine junge Frau entführt hat, drängt nun die Zeit, da sich die Zelle, in der sich die Frau zu befinden scheint, langsam mit Wasser füllt. Catharine versucht nun, Hinweise auf den Aufenthaltsort des letzten Opfers zu erfahren, bemerkt jedoch schon bald, dass im Geist des Killers andere Gesetze herrschen.
Die katatonische Schizophrenie des Täters ermöglicht dem Regisseur die Inszenierung einer höllenartigen Gedankenwelt, die in ihrer Pracht förmlich zu erschlagen droht. Durch die Einführung eines Zeitlimits, denn das letzte Opfer steckt noch immer im Glaskasten, der sich langsam aber sicher mit kühlem Wasser füllt und zugleich auch die Lungen der Dame, gewinnt The Cell ordentlich an Fahrt. Es gilt, den Aufenthaltsort so schnell wie möglich zu finden und die entführte Frau zu retten. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich Drehbuchautor Mark Protosevich eine Methode ausgedacht, die Lopez in die Gedanken des erkrankten Killers dringen lässt, unterbewusste Empfindungen entschlüsselt und letztendlich in einer Welt landet, die so fernab von unserer im Kopf des Täters existiert. Aus zwei mach eins.
Hier liegt die eigentliche Stärke von The Cell. Visuell umwerfend, gelingt es dem Clip-Regisseur Tarsem Singh in seinem Erstlingswerk bizarr-surreale Traumsequenzen auf die Leinwand zu zaubern und den Zuschauer in einer unglaublich penetranten Form zu fesseln. Lopez gastiert in dieser Welt, die von ihrem Schöpfer kontrolliert und regiert wird. Fortwährend auf der Suche nach dem Ursprung allen Übels. In der Zwischenzeit tauchen immer wieder Einspieler auf, die vom Schicksal des noch immer eingesperrten Opfers erzählen. Als Ermittlerin Catherine Deane macht sich Lopez daran, die Kindheit des Täters zu ergründen, die Ursprünge zu erforschen und in den noch jungen Carl Rudolph Stargher einzudringen und seine Psyche zu erforschen. Schwer lastet der Werdegang Jennifer Lopez' auf dieser Produktion. Engstirnig, kühl, fast zu unterkühlt, spielt sie in ihrer Rolle, um sich zu profilieren und der ganzen Welt zu zeigen, was in ihr steckt.
Als ermittelnder Kommissar steht ihr ein aalglatter Vince Vaughn zur Seite, der eher durch Tollpatschigkeit als Mut und Stärke überzeugt. Das kennen wir deutlich besser. Derweil steigt das Wasser unaufhörlich und schürt die Angst des in Lebensgefahr schwebenden Opfers. Kostüme, Masken und Setdesign fügen sich bei einem Budget von rund 30 Millionen Dollar annähernd bombastisch in das Gesamtbild ein. Einige Szenenbilder erinnern in ihrerer Aussage und Gestaltung an Kunstwerke, die hier in bewegter Form zur Sichtung freigegeben sind. Selten aussagekräftig, immer umwerfend. Trotz vorhandener Pracht sollten wir uns nicht vom Schein trügen lassen. Schönheit ist schließlich nicht alles, als netter Bonus aber verschmerzbar.
The Cell präsentiert sich noch immer als typischer Krimi-Thriller. In einem noblen Gewand zwar, doch das Gerüst ist und bleibt thrillerstämmig. In Folge dessen präsentiert sich die New Line Cinema Produktion auch in zwei Facetten. Auf der einen Seite die handelsübliche Ware aus dem Nachtschrank, auf der anderen Seite eine Traumwelt, so düster, mysteriös und gefährlich, wie sie die Welt zuvor selten erblicken durfte. Ein zwiespältiger Eindruck, der auch nach der Sichtung einen fahlen Geschmack hinterlässt. Welches Element überwiegt, liegt im Betrachtungsfeld des Zuschauers. Auf Touren kommt Lopez schließlich erst, als die madonnenhafte Erscheinung in ihr gefragt ist, die Welt gerettet scheint und das Böse dem Guten weicht. Der Nebenplot ist wahrlich Nebensache und in der flutartigen Welle der Standartkost wahrlich keine Offenbarung.
>> verfasst von Carmine Carpenito