Moviebase Box, The - Du bist das Experiment
Bist Du bereit, das Wohl anderer Menschen über dein eigenes zu stellen? Was würdest Du für eine Million Dollar tun? Mit diesen Fragen sieht sich ein junges Ehepaar, Norma (Cameron Diaz) und David Lewis (James Marsden), konfrontiert, als eines Tages eine mysteriöse Box mit einem großen, roten Knopf vor ihrer Tür steht. Denn schon bald erscheint der fürchterlich entstellte Eigentümer (Frank Langella) dieser rätselhaften Schachtel und erklärt der fassungslosen Norma, was es mit dem Objekt auf sich hat: Wenn der rote Knopf binnen 24 Stunden gedrückt wird, stirbt irgendwo auf dieser Welt ein Mensch, und die Lewis' erhalten eine Million Dollar in bar. Was den beiden zunächst als dummer Streich erscheint, wächst bald darauf zur moralischen Bestehensprobe für das junge Paar...
Dies ist die Ausgangssituation von Richard Kellys drittem Film nach dem gefeierten "Donnie Darko" und dem eher enttäuschenden "Southland Tales". Schon bald überschlägt sich die Handlung jedoch immer mehr, nimmt Wendungen und zusehens auch surrealistische Züge an. Norma und David fühlen sich plötzlich überall beobachtet, nichts scheint mehr sicher zu sein. Wie in seinen vorherigen Werken huldigt Kelly in "The Box" erneut dem Großmeister David Lynch, insbesondere der Look und die Grundstimmung sind stark an "Mullholland Drive" und "Lost Highway" angelehnt. Rein storytechnisch bleibt Kelly allerdings auf deutlich konventionellerem Boden als der Kanadier, es sind die kleinen Momente, in denen sich sein Film tatsächlich mit dem Werk Lynchs messen kann: Das durchdringende, bösartige Starren einer alten Frau, das dämonische Gelächter eines zwielichtigen Kellners - auch ohne konkrete Schockeffekte fühlt man sich permanent unbehaglich und von düsteren Vorzeichen umgeben.
Zu der überwältigend finsteren Stimmung des Films tragen noch weitere Faktoren bei. Zum einen der atmosphärisch dichte, drohende Soundtrack der kanadischen Band Arcade Fire, der an den richtigen Stellen auszusetzen oder aber pompös zu grollen vermag. Vor allem aber tragen die Schauspieler diesen Film, allen voran Frank Langella als teuflischer, wenn auch stets beherrscht nüchterner Versucher im schwarzen Anzug. Zwar scheint Langella seit "Die neun Pforten" auf derartige Rollen festgelegt zu sein, füllt sie aber eben auch mit Bravour aus. Zudem überrascht Cameron Diaz mit ihrer besten Performance seit "Being John Malkovich". In einer Nebenrolle kann außerdem noch der häufig zu Unrecht unterschätzte James Rebhorn (unter anderem "The Game") glänzen.
"The Box" ist neben vielem anderen vor allem auch ein Film über die Wunder und Schrecken der Technik. Die Handlung ist im Amerika der siebziger Jahre angesiedelt, und Normas Mann David, der bei der NASA als Techniker arbeitet, zeigt sich immer wieder berauscht von den neuesten technischen Errungenschaften, sein es nun Weltraumteleskope oder mechanische Prothesen. Immer wieder begegnet dem Zuschauer in diesem Zusammenhang das Zitat des britischen Erfinders Arthur C. Clarke, welches besagt, dass ab einem gewissen Punkt der Entwicklung, Technik nicht mehr von Magie zu unterscheiden sei. Während die von David gepriesenen Erfindungen also eine Art "weiße Magie" darstellen, lässt der Regisseur und Drehbuchautor Kelly jedoch auch keinen Zweifel daran, dass es immer eine Kehrseite dessen, eine "schwarze Magie", geben muss, in "The Box" vor allem durch das titelgebende Objekt verkörpert.
Trotz all dieser cleveren Einfälle bleibt "The Box" klar hinter Kellys Erstling "Donnie Darko" zurück. Vor allem deshalb, weil ihm die Leichtfüßigkeit abhanden gekommen zu sein scheint, mit der er in "Donnie Darko" noch ein ebenso absurdes wie düsteres Mystery-Märchen geschaffen hat. In seinem neuen Werk wirken viele der Wendungen verkrampft und konstruiert; immer wieder versucht der Film, noch einen draufzusetzen, eine weitere Ebene hinzuzufügen. Das sorgt zwar einerseits dafür, dass "The Box" zu keinem Zeitpunkt langweilig wird, vor allem das zweite Drittel wirkt dafür aber auch arg an den Haaren herbeigezogen und vermag nicht an die bedrohliche Stimmung zu Beginn anzuknüpfen. Gegen Ende beweist Kelly zum Glück, dass er die Handlungsfäden doch noch fest in der Hand hält; mit einer allumfassenden Auflösung sollte man aber dennoch nicht rechnen. Auch das kommt "The Box" jedoch zu Gute: Nicht nur seitenlange Auseinandersetzungen in diversen Internetforen beweisen, dass der Film zum Diskutieren und Überlegen anregt, verschiedene Interpretationen ermöglicht.
Auch wenn der alte Spruch "Weniger wäre mehr gewesen" sich für Richard Kellys neuen Film erneut bewahrheitet, ist "The Box" ein sehenswerter Mystery-Thriller, der mit einer packenden Stimmung, tollen Schauspielern und einem perfekten Soundtrack zu überzeugen weiß.
>> verfasst von Tim Lindemann