Moviebase Collector, The
"Nichts für schwache Nerven", "wir können euch nur warnen", "Vorsicht: Hochspannung": Klappentexte von Horror-Veröffentlichungen warnen gerne und häufig vor dem ach so grausigen Inhalt. In manchen Fällen mag das durchaus angebracht sein, aber nur allzu häufig soll so die Käuferschar auf einen eigentlich langweiligen Film neugierig gemacht werden. "The Collector", das Debütwerk des Amerikaners Marcus Dunstan, ist allerdings so ein Film, der eine vorausgehende Warnung durchaus rechtfertigt. Und das nicht nur deshalb, weil hier wirklich manigfaltige Scheußlichkeiten und Brutalitäten zu betrachten sind, sondern vor allem auch der atemlosen Spannung wegen, die über den gesamten Film aufrecht erhalten wird.
Plötzliche finanzielle Not zwingt den Sicherheitstechniker Arkin bei einem seiner eigenen, steinreichen Kunden einzubrechen: Am Vormittag hat er noch das neue Sicherheitssystem installiert, in der Nacht steht er mit allerlei Einbruchswerkzeug erneut vor der Tür. Leider ist schon jemand anderes in das Haus der Familie eingedrungen: Ein perverser Serienkiller, der alle Zimmer mit unzähligen tödlichen Fallen bestückt hat und auch vor brutalsten Folterungen nicht zurückschreckt, um seine mysteriösen Ziele zu verfolgen... Das mag zunächst einmal nach einem "Saw"-Rip off erster Güte klingen, bedenkt man dazu noch, dass Regisseur Dunstan für alle "Saw"-Drehbücher seit Teil 4 verantwortlich zeichnet. Auch die moderne, hektische Machart des Films lässt an die populäre Serie denken. Nichtsdestotrotz ist "The Collector" allen Nachfolgern des ursprünglichen "Saw"-Films in Sachen Spannung, Look und Story haushoch überlegen und schlägt letztendlich auch inhaltlich andere Pfade ein.
Der trendige Videoclip-Look wird hier konsequent durchgezogen; von Anfang an stellt der Film nicht den Anspruch der visuell realistischen Darstellung, sondern präsentiert sich mit allerlei Farbfiltern, Überblendungen und kurzen, unzusammenhängenden Einsprengseln als reines Kunstprodukt. Dunstan verfolgt ein ganz deutliches visuelles Konzept, zum Beispiel indem immer wieder Aufnahmen von Spinnen und andere Insekten in extremer Nahaufnahme eingeblendet werden, die die Unmenschlichkeit des "jagenden Sammlers" – des "Collectors" – metaphorisch widerspiegeln. Dazu passt der technoide Elektro-Soundtrack, der die kühle, harte Stimmung des Films treffend unterstreicht. Generell gelingt es Dunstan bravourös, eine ultimative Atmosphäre der Gewalt und der Bedrohung zu schaffen, was eine der größten Stärken des Films ausmacht.
Bei all der Konzentration auf reine Form kommt der Inhalt leider etwas zu kurz. Die minimalistische Ausgangslage ist noch durchaus stimmig, vor allem gegen Ende des Films verweigert sich "The Collector" aber doch zu sehr jeder Erklärung für die Motive des Täters. An düsteren Andeutungen mangelt es zwar nicht, aber gerade deshalb gibt man sich mit dem ausschließlichen Verweis auf die offensichtlich schwere psychische Störung des Killers nicht ganz zufrieden. Die verschiedenen Hinweise wollen nicht recht greifen, und man bekommt das Gefühl, dass hier zugunsten von Tempo und Spannung auf "störende" Erklärungen verzichtet wurde. Angesichts der wirklich perfekt inszenierten, rasend schnellen Storyentwicklung kann man mit einigem Wohlwollen über die Plotlöcher hinwegsehen.
Die dargestellte Gewalt, die oft an der Grenze des Erträglichen kratzt, trägt dabei größtenteils positiv zum Spannungsaufbau hinzu: Wüsste man nicht, zu welchen Grausamkeiten der mysteriöse "Collector" fähig ist, würde man mit den (teilweise glaubwürdigen, teilweise recht platten) Figuren auch nicht annähernd so stark mitfiebern. Dunstan erzeugt hier also weitaus mehr als eine simple Slasher-Struktur, die ja meist nicht mehr als nur eine einzige Frage zulässt: Wer ist der Nächste? Dennoch verkommt die Gewaltdarstellung vor allem gegen Ende szenenweise zum reinen Selbstzweck. Dabei lässt Dunstan einige widerliche Foltermethoden vom Stapel, bei denen selbst Eli Roth erblassen müsste und die "The Collector" gefährlich nah an ein blutgeiles Abfeiern von Grausamkeiten führt. In Deutschland dürfte es der Film jedenfalls schwer haben, in seiner ungekürzten Version zu erscheinen.
Insgesamt ist "The Collector" dennoch empfehlenswerter Hardcore-Horror, der im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Vertretern des sogenannten "Folterfilms" mit perfekt inszenierter Spannung und einem anspruchsvollen visuellen Konzept überzeugen kann. Dass bereits eine Fortsetzung angekündigt wurde, lässt allerdings nichts Gutes ahnen: Jetzt, wo die "Saw"-Reihe (hoffentlich) kurz vor ihrem Ende steht, sehen manche Produzenten in Dunstans Werk möglicherweise den legitimen Nachfolger der Jigsaw-Foltershow und hoffen auf ein ähnlich erfolgreiches Franchise. Wir können euch nur warnen...
>> verfasst von Tim Lindemann