Moviebase Dying Breed
Es gibt viele Gründe, Menschenfleisch zu verspeisen. Kannibalen gibt es einen besonderen Kick, auf einem halbgaren Fuß herumzukauen. Bergsteiger verwursten bisweilen andere Mitglieder ihrer Seilschaft, um in eisigen Höhen nicht zu verhungern. Und Hannibal braucht ganz einfach ein keck angebratenes Stück Humanleber, um seine klassischen Streichquartetts wirklich genießen zu können. Alles schon gesehen, angeknabberte Gliedmaßen und delikate Leberhäppchen sind ganz offiziell Schnee von gestern. Doch nun offenbart der Killer in Jody Dwyers Dschungel-Slasher „Dying Breed“ einen unerwarteten Antrieb für sein Kannibalengehabe: Der tasmanische Hinterwäldler ist Menschenfresser aus Tradition. Klingt zunächst einmal vielversprechend, doch abseits des erfrischenden Motivs offenbart sich dem geneigten Zuschauer so gar nichts Neues von der Redneck-Front.
Tasmanien diente nach seiner Entdeckung zunächst als britische Strafkolonie. Kaum einem Gefangenen gelang die Flucht. Und wenn doch einmal einer entkommen konnte, verhungerte er in den Wäldern der Insel elendig. Nicht so Alexander Pearce, der sich auf der Flucht ganz einfach von britischen Soldaten ernährte, bis er 1824 wegen Kannibalismus erhängt wurde. Fast 200 Jahre später: Zoologin Nina (Mirrah Foulkes) schlägt sich gemeinsam mit ihrem Freund Matt (Leigh Whannell, „Saw“), dessen Machokumpel Jack (Nathan Phillips, „Wolf Creek“) und dessen neuer Bettgespielin Rebecca (Melanie Vallejo) in die tasmanischen Wälder, um nach einer ausgestorben geglaubten Tigerart zu suchen. Dumm nur, dass die Forschertruppe dabei ausgerechnet auf ein abgelegenes Redneck-Nest stößt, dessen Bewohner mehr als stolz darauf sind, zu den direkten Nachfahren Alexander Pearces zu gehören.
Ausgedehnte Einführungen können sich auszahlen, müssen es aber nicht. Auf „Dying Breed“ trifft leider eher Zweiteres zu. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich Schwung in die Expedition kommt. Zunächst begleitet man die vierköpfige Reisegesellschaft auf ihrem Weg in die Wildnis. Das ist ansprechend fotografiert, langweilt aber auch, weil die Figuren allein den Film keinesfalls tragen. Jack ist ein sexistisches Arschloch - das wirkt sich in dem Moment positiv auf das Sehvergnügen auf, in dem er das Zeitliche segnet, bis dahin ist sein Machogehabe aber vor allem nervig. Rebecca ist ein kleines Dummerchen, das die männliche Zuschauerschaft mit rein körperlichen Attributen bei Laune halten soll. Die eigentlichen Hauptfiguren Nina und Matt kommen sogar noch nichtssagender daher. Beide sind irgendwie ganz sympathisch, doch zum Mitfiebern reicht es dann auch wieder nicht. Zudem wird die Düstere-Vergangenheit-Karte (immerhin ist Ninas Schwester vor einigen Jahren in eben jenem Gebiet bei einer anderen Tiger-Expedition angeblich ertrunken) nie stimmig ausgespielt - zumindest aus dieser Konstellation hätte man ein wenig mehr Dramatik herausholen müssen.
Richtig los geht es dann mit einer extrem lustigen Crossbow-meets-Rabbit-Szene, die zumindest all denen hervorragend gefallen dürfte, die sich früher immer darüber geärgert haben, dass Bugs Bunny in den Cartoons stets zu schlau für Jäger Elmar und sein Schießgewehr war. Allerdings täuscht diese Szene ein wenig, was die weitere Ausrichtung des Films betrifft. Denn nach dieser kurzen humorigen Einlage kehrt „Dying Breed“ zu seinem düsteren, ernsthaften Grundton zurück. Der folgende Survival-Horror ist routiniert inszeniert und bietet einige ansprechend blutige Tötungsszenarien. Nur hätte es sich spätestens hier positiv ausgewirkt, wenn in der ersten Hälfte ein wirklicher Sympathieträger etabliert worden wäre. So hält sich die Spannungskurve zwar auf einem insgesamt ordentlichen Niveau, doch Ausreißer nach oben sind auch Fehlanzeige, weil einem das Schicksal der vier Stadtmenschen am Allerwertesten vorbeigeht.
Hinzu kommen dann noch einige schwach konstruierte Wo-kommt-der-denn-jetzt-plötzlich-schon-wieder-her-Momente, die einen immer wieder aus der Handlung reißen und über Sinn und Unsinn der ganzen Angelegenheit nachgrübeln lassen. Auch die finalen zehn Minuten, in denen der Film seinem Publikum zum Abschluss noch ein paar Storytwists an den Kopf schmeißt, können dann nicht wirklich überzeugen. Zu eindeutig sind die Wendungen dem Genre geschuldet und entwickeln für sich allein kaum einen Effekt - ein gemurmeltes „Das musste ja noch kommen!“ wabert in diesen Momenten durch das Publikum. Alles in allem ist „Dying Breed“ gerade so noch durchschnittliche Horrorware, die vor allem Australien-Fans hinter dem Ofen vorlocken dürfte. Für alle anderen gilt: Kann man sich ansehen, muss man aber definitiv nicht.
>> verfasst von Marcel Clerici