Moviebase Rage, The
Es ist noch gar nicht lange her, da haben Quentin Tarantino und Robert Rodriguez versucht, mit ihrem „Grindhouse“-Projekt die legendären, aber leider ausgestorbenen Bahnhofskino-Doppelvorstellungen wieder zum Leben zu erwecken – mit gemischtem Erfolg: Zum einen gab es das Problem, dass die Filme außerhalb Nordamerikas einzeln in die Kinos kamen, weshalb der Double-Feature-Charakter der Veranstaltung schon mal ins Wasser viel. Aber auch die Beiträge selbst konnten – unabhängig von ihrer Qualität - den Geist der längst vergangenen Ära des Schmuddelkinos nur bedingt von Neuem heraufbeschwören.
Während sich Tarantinos sexy Frauenpower-Thriller „Death Proof“ als rein intellektuelle Spielerei entpuppte, erinnerte Rodriguez´ spaßige Splatterorgie „Planet Terror“ schon bedeutend eher an die originalen Grindhouse-Trashfeste, doch auch der „Spy Kids“-Erfinder kam über die Metaebene von Zitaten und Anspielungen im Endeffekt nicht hinaus. Was das kultige Regie-Duo nicht zustande gebracht hat, ist dem Filmemacher Robert Kurtzman nun jedoch mit Bravour gelungen: Sein aberwitziger Underground-Zombie-Mad-Scientist-Tierhorror-Splatter-Streifen „The Rage“ ist keine Grindhouse-Kopie, kein Grindhouse-Zitat, keine Grindhouse-Reminiszenz, sondern waschechter Grindhouse-Trash, der aus irgendeinem Grund nun halt mit 30-jähriger Verspätung entstanden ist.
Im Sinne des wahren Grindhouse-Geistes gibt es natürlich keinerlei störenden Regeln, an die es sich zu halten gilt: Erlaubt ist, was Spaß macht! Und so präsentiert sich „The Rage“ auch von der ersten Sekunde an als gewagtes Genre-Cross-Over: Alles beginnt mit einer blutigen Operation am offenen Schädel im rostig-schäbigen Labor eines Mad Scientist. Dr. Viktor Vasilienko (Andrew Divoff) hat einst ein Mittel gegen Krebs entwickelt, doch fiese Pharmakonzerne haben ihm die Rezeptur entrissen und ihn in eine Irrenanstalt gesteckt. Deshalb arbeitet der übergeschnappte Wissenschaftler nun an einem Wut-Virus, mit dem er die kapitalistische Gesellschaft in die Knie zwingen will. Dummerweise kann eines seiner Versuchsobjekte entkommen.
Nun gibt „The Rage“ ein Gastspiel im Zombiegenre, das jedoch nur von kurzer Dauer ist, denn der Entflohene krepiert elendig in einem kleinen Waldstück, wo sich sofort eine Horde hungriger Geier an seinen infizierten Eingeweiden labt. So entpuppt sich das zweite Drittel als gewitzte Tierhorrorvariation mit Zombieeinschüben. Die letzten 25 Minuten sind dann einfach nur noch purer absurder Aberwitz, der am ehesten noch mit den surrealen Kaninchenszenen aus Rob Zombies „Das Haus der 1000 Leichen“ vergleichbar ist. In diesem Abschnitt kristallisiert sich schließlich auch der heimliche Star des Films heraus: Vasilienkos Assistent ist ein kleinwüchsiger Irrer mit blonder Perücke und einer „Leatherface“-Gedächtnismaske aus Menschenhaut, der Frauenkadaver vergewaltigt und lebenden Exemplaren ein morbides Stofftier ins Gesicht drückt, während er dabei wiederholt lautstark „Kiss the Monkey!“ brüllt – alles klar?
Doch Regisseur Kurtzman („Wishmaster“, „Buried Alive“) pfeift nicht nur auf grundlegende Regeln des Storyaufbaus, sondern auch auf Political Correctness und den guten Geschmack: Hauptdarstellerin Erin Brown alias Misty Mundae („Masters of Horror: Sick Girl“), die sich als Softporno-Aktrice in der New Yorker Underground-Filmszene einen Namen gemacht hat, wird in ihrer Rolle der Kat mit einem flotten Dreier mit Freund Josh (Ryan Hooks) und der rassigen Schönheit Olivia (Rachel Scheer) eingeführt, dem sie nur zugestimmt hat, weil das eingeschmissene Ecstasy eine etwas stärkere Wirkung als erwartet entfaltet.
Frei nach dem Motto „Sex, Drugs & jede Menge Gore“ schlägt „The Rage“ nach dieser betörend-berauschenden Einführung jedoch schon bald deutlich blutigere Töne an, die das Eintrittsgeld des gemeinen Gorehounds sicherlich ohne weiteres rechtfertigen: Denn mit gespaltenen Schädeln, abgeschlagenen Köpfen, ausgerissenen und genüsslich verspeisten Augäpfeln ist es hier noch lange nicht getan – auch vor Tieren und Kindern wird nicht halt gemacht: Die Zombiegeier werden mitsamt ihrer Brut zu Mus gestampft. Und während die kleine Sadie von Vögeln ausgeweidet wird, schlägt ihr Zombieonkel Ben (Reggie Bannister) ihren Bruder bei einem Angelausflug mit einem Ast zu Brei.
Da Kurtzman diesen Splatter-Wahnsinn auch noch in einem Wahnsinnstempo präsentiert, kommt das geneigte Publikum gar nicht dazu, über Sinn und Unsinn des wilden Leinwandtreibens nachzudenken. Statt unnötiger Reflexionen gibt es vielmehr Fun pur, der Szenenapplaus en masse garantieren dürfte. Damit hat „The Rage“ auch schon den perfekten Platz für sich gefunden: Für die „Midnight Madness“-Sektion des Fantasy Film Festes könnte man sich nämlich wohl kaum einen passenderen Film vorstellen. Also: Zwei, drei, vier, fünf oder auch sechs Biere gezischt, gemütlich in den Kinosessel gefläzt und ordentlich mitgegrölt – fertig ist der launige Gindhouse-Abend!
>> verfasst von Marcel Clerici