Moviebase Legion
Neben der biblischen Tradition gibt es ihn auch ihn auch im Genrefilm, den ewigen Bösewicht, der niemals müde wird, die Menschen zu versuchen, zu täuschen und zu quälen. Mal tritt er mit Hörnern und Ziegenhufen in Erscheinung, mal in Form einer wunderschönen Frau, mal als scheinbar unschuldiges Kind. Klar, die Rede ist von Luzifer, dem Teufel. Hollywood hat in schon lange als den ultimativen Superschurken ausgemacht, der oft als boshafte Urgewalt und manchmal auch als charmanter Verführer dargestellt wird. Scott Stewarts Debütfilm "Legion" möchte ein Horrorfilm mit biblischen Motiven sein und - oh Graus! - verzichtet komplett auf den Gehörnten. Tatsächlich sind es hier gar die himmlischen Heerscharen, die der Menschheit an den Kragen wollen...
Warum, mag man sich fragen, wünschen uns die geflügelten Wesen den Untergang? Ganz einfach: Ihr Boss befiehlt es ihnen, er hat die Nase offenbar gestrichen voll von dem ganzen "Bullshit" (Krieg, Mord, Umweltverschmutzung) auf Erden, so zumindest die einführende Erklärung. Deshalb muss die Menschheit fortan mit Hilfe zombieartig besessener Erdenbewohner ausgelöscht werden; verhindern kann das nur noch die Geburt eines ganz bestimmten Kindes und der gefallene Engel Michael... Das klingt weit hergeholt und reichlich absurd? Ist es auch, ohne Zweifel; dennoch gelingt es "Legion" zumindest in der ersten guten halben Stunde, solide Fantasy-Action in der Richtung eines "Constantine" zu bieten, die mit einigen gelungenen, schrägen Effekten aufwartet. Da verwandeln sich alte Damen und scheinbar harmlose Eisverkäufer plötzlich in blutrünstige, geifernde Monstren, gegen die man sich nur mit geballter Feuerkraft zu wehren vermag. Diese ersten dreißig Minuten sind uneingeschränkt unterhaltsam, das leicht selbstironische Augenzwinkern der Machart vermag über die krude Story hinwegzutäuschen.
Dann aber vollführt "Legion" plötzlich eine 180°-Drehung in die komplett falsche Richtung: Kläglich wird nun versucht, den eindimensionalen Figuren durch pathetische Monologe und unendliche Heulkrämpfe Tiefe zu verleihen und vor allem ein vor widerlichem Religionskitsch triefender Plot in den Mittelpunkt gestellt, der einem die Schamesröte ins Gesicht treibt. Das vormals zwinkernde Auge blickt dem Zuschauer nun ernst und bedeutungsschwanger entgegen und fordert ihn tatsächlich dazu auf, die hanebüchene Story bereitwillig zu schlucken. Gleichzeitig rutscht "Legion" dabei mit wehenden Fahnen in die Untiefen der unfreiwilligen Komik und vor allem der bodenlosen Peinlichkeiten ab. Was als liebevoller Hochglanz-Trash mit hohem Entertainmentfaktor beginnt, mutiert etwa im zweiten Drittel zum komplett misslungenen, todlangweiligen Spiel mit christlichen Motiven, gegen das selbst "End Of Days" wie anspruchsvolles Arthouse-Kino wirkt.
Daran kann auch die hochkarätige Besetzung nichts ändern. Zwar macht es wie immer Spaß, Dennis Quaid eine gebrochenen, aber dennoch stolzen Mann spielen zu sehen; wie man allerdings den an und für sich brillanten Paul Bettany davon überzeugen konnte, den fürchterlichen Part des gefallenen Erzengels Michael einzunehmen, bleibt ein Rätsel. Bettany hat nämlich die höchste Quote an schwachsinnigen Monologen vorzutragen und mimt seinen Charakter als eine Mischung aus Elitesoldat und Moralapostel. Die restlichen Schauspieler bleiben blass, sind vielleicht aber auch nur peinlich berührt ob der Dialoge, die ihnen das Drehbuch in den Mund legt. Immerhin die nüchterne Optik des Films und das gut gewählte Setting der Mojawe-Wüste tragen recht stimmungsvoll zur apokalyptischen Atmosphäre bei.
"Legion" hätte ein zwar recht hirnloser, aber dafür abgedrehter und schneller Fantasy-Kracher werden können; die ersten 30 Minuten lassen dieses Potential klar erkennen. Ob es die Produzenten oder Studiobosse waren, die dies erfolgreich verhindert haben, oder ob Stewart schlichtweg jede Inspiration abhanden gekommen ist - man weiß es nicht. Fakt ist, dass sein Debütfilm als Ganzes betrachtet ledilich kruder, kitschiger, dümmlicher Religionstrash ist, der mit seinen Bibelzitaten laut Eigenaussage des Regisseurs zwar provozieren will, am Ende aber nur langweilt. Das letzte gesprochene Wort in diesem Film lautet übrigens "Bullshit"... Dem ist nichts hinzuzufügen.
>> verfasst von Tim Lindemann