Filme über Weltraumreisen, die daneben gingen, gibt es viele. Geht man etwas tiefer und sortiert nach Qualität, bleiben allerdings schon deutlich weniger übrig. Unangefochten vorne: Stanley Kubricks Meisterwerk "2001: Odyssee im Weltraum". Aber auch Werke wie Danny Boyles „Sunshine“ oder der etwas blutigere „Event Horizon“ überzeugten durch eine gute Geschichte, dichte Atmosphäre und tolles Setting. Mit "Cargo" kommt nun der erste Science-Fiction-Film aus der Schweiz. Und diesem sieht man seine Vorbilder von der ersten Minute an. Leider kommt hier zu einer schleppenden und uninspirierten Geschichte auch noch eine katastrophale Schauspielleistung hinzu.
Seit dem Öko-Kollaps der Erde lebt der größte Teil der Menschheit im All, in hoffungslos überfüllten Raumstationen. Die einzige Hoffnung, diesem Chaos zu entkommen, ist RHEA, ein paradiesischer Planet, fünf Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Geschichte von Cargo spielt auf dem heruntergekommenen Raumfrachter KASSANDRA, auf seinem Weg zur abgelegenen Station 42. Die junge Ärztin Laura (Anna-Katharina Schwabroh) ist als einziges Mitglied wach an Bord. Der Rest der Besatzung: tiefgefroren im Kälteschlaf. Erst in vier Monaten wird Laura ihre lange Schicht überstanden haben. Während ihrer täglichen Kontrollgänge durch das gespenstisch leere Schiff hat Laura immer mehr das Gefühl, nicht alleine an Bord zu sein. Eine Erkundungsmission in den dunklen und eiskalten Frachtraum endet in einem Fiasko. Der Rest der Besatzung wird geweckt. Ein Katz- und Mausspiel beginnt, in welchem nichts so ist, wie es erscheint. Was verbergen die geheimnisvollen Frachtcontainer und wer oder was ist noch an Bord..?
Wenn in einem Genre schon alles dagewesen ist, gibt es für Filmemacher, die es trotzdem versuchen möchten, zwei Möglichkeiten: Entweder erfinden sie etwas Neues, Bahnbrechendes, Spektakuläres, oder sie klauen sich aus den bisherigen Werken allerlei Ideen zusammen und verwursten diese zu etwas Eigenem. So geschehen bei "Cargo", dem die Ähnlichkeit zu Genrevertretern wie "Moon", "Sunshine", "Event Horizon" und auch "Matrix" deutlich anzusehen ist. Ausstattung und Effekte sind zwar durchaus ansehnlich, aber eben auch nicht neu. Vom Hocker reißt die Geschichte über ein Raumschiff, auf dem irgendetwas nicht stimmt, schon lange nicht mehr. So ist der Aufwand der Schweizer Regisseure Ivan Engler und Ralph Etter sicherlich lobens-, aber kaum lohnenswert.
Was sich Casting Directorin Ruth Hirschfeld bei ihrer Darstellerauswahl gedacht hat, ist allerdings schleierhaft. Entweder überzeugte Anna-Katharina Schwabroh ("Tatort", "Notruf Hafenkante") im Casting als scheue Laura – die den Flug nur mitmacht, um Geld für die Reise auf den einzig bewohnbaren Planeten RHEA zu erhalten – und erlitt dann während des Drehs einen kompletten Blackout oder aber es gab einfach niemanden, der diese Rolle spielen wollte. Schwabroh muss ihren Charakter als Roboter angelegt haben wollen, anders lässt sich die Steifheit, das hölzerne Sprechen ihrer Sätze nicht erklären. Wenig Unterstützung erhält sie von ihren Schauspielkollegen, die allesamt auf niedrigem Niveau agieren. Claude-Oliver Rudolph markiert den wortkargen Arbeiter, sein Kumpane ein nerviger Möchtegern-Cooler, der Sky-Marshall ein arrogantes Arschloch, der Captain ein typischer Captain und zwei Frauen, eine eher burschikos und taff, die andere zurückgezogen und ängstlich. So sind alle Stereotypen schnell ausgemacht, spannende Konflikte ergeben sich darauf aber nicht.
Der Musikeinsatz gibt sich dem gewöhnlichen Mustern hin. Vermeintlich interessante und aufregende Momente werden mit anschwellenden Geigen angetäuscht und gleichzeitig zerstört. Der immerwährend präsente Musikteppich fällt nach einiger Zeit merklich auf die Sehlaune. Weniger wäre hier viel mehr gewesen. Den recht spannungsarmen Handlungsverlauf kann die Tonspur nicht auffangen, schlimmer: sie unterstützt ihn. Obwohl ein beengtes Raumschiff viele Möglichkeiten bieten würde, eine klaustrophobische und beklemmende Atmosphäre zu kreieren, fehlen diese entscheidenden Elemente hier völlig. Dafür ist das Geschehen einfach zu konfus und verwirrend. In welchem Zeitraum sich das Gezeigte abspielt, lässt sich einzig durch die versendeten Videobotschaften nachvollziehen. "Cargo" ist noch dazu mit seinen knapp zwei Stunden deutlich zu lang ausgefallen. Hier hätte man dem Film einen Gefallen getan, etwas kürzer zu treten.
Das Bild der vorliegenden Blu-ray weist ein deutliches Rauschen auf, gerade bei den dunklen Szenen, die in "Cargo" überhand haben. Als Specials bringt die Scheibe die 3D-Version des Films, ein Making Of, eine Behind the Scenes-Featurette, entfallene Szenen & Bloopers, Fotogalerien, Originaltrailer & TV-Spots, exklusive TV-Berichte über H. R. Giger und einen Audiokommentar der Regisseure und dem Produzenten mit. Mit "Cargo" begibt sich der Zuschauer auf eine langatmige Raumfahrt-Schnitzeljagd mit wenigen Überraschungen. Auch wenn das Produktionsdesign und mancher Effekt gar nicht verkehrt ist, krankt der Film an der spannungsarmen Story und einer schlechten schauspielerischen Leistung. Schade.
>> verfasst von Janosch Leuffen