Erste Meinung...
So sehr man die Remakes der Michael Bay-Produktionsfirma Platinum Dunes auch ablehnen mag (oder muss?): Man kommt nicht umhin, ihnen ein gewisses künstlerisches Konzept zu attestieren, das mit dem dritten Teil ihrer "Horror-Ikonen-Trilogie" nun endlich klare Formen annimmt. Ja, richtig gelesen: Die Remakes der Klassiker "Texas Chainsaw Massacre", "Freitag der 13te" und nun eben "Nightmare On Elm Street" sind unverkennbar miteinander verknüpft und ergeben zusammen betrachtet eine interessante Interpretation des Horrorfilms der Siebziger und Achtziger. Gemeinsam haben die drei Vorlagen, dass sie jeweils einen bösartigen Gesellen zur Haupt- und Kultfigur erhoben haben: Leatherface, Jason und Freddy Krüger. Interessant ist dabei, dass jede dieser Figuren exemplarisch für einen anderen Aspekt, eine andere Facette des Genrefilms steht: Wo Leatherface den wahnsinnigen Hinterwäldler und damit den aktuell so beliebten Backwoods-Horror vertritt, steht Jason für hirnfreie Slasher-Unterhaltung und Freddy für den zynisch-satirischen, aber umso unheimlicheren Psycho-Horror. Ob es nun an dieser Ausgangsposition oder schlicht an dem Wechsel auf dem Regiestuhl liegt: Mit "Nightmare On Elm Street" erreicht die Trilogie ihren qualitativen Höhepunkt.
Die Erwartungen an die Neuverfilmung des Wes Craven-Klassikers waren nach dem abgrundtief schlechten ″Freitag der 13.″ allgemein mehr als niedrig: Wenn es dem Team um Produzent Michael Bay und vor allem Regisseur Marcus Nispel schon nicht gelang, die recht simple Struktur der Jason-Filme stimmungsvoll zu reproduzieren, was für ein Desaster sollte erst der sowohl visuell als auch psychologisch viel anspruchsvollere ″Nightmare″ werden? Mit dem Regisseurswechsel scheint man sich aber einen großen Gefallen getan zu haben, denn Samuel Bayer gelingt es tatsächlich, den berühmten Look des ersten Teils der ″Nightmare″-Reihe gekonnt zu modernisieren, ohne sich dabei zu sehr vom Original zu entfernen. Unangenehm fallen nur einige etwas zu krampfhafte Modernisierungsversuche auf, in denen gewollt iPhone und YouTube bemüht werden. Letzteres bringt zumindest eine recht amüsante Anspielung auf ″Paranormal Activity″ mit sich.
Die ursprüngliche Handlung bleibt dabei weitestgehend unangetastet: Die Jugendlichen einer US-amerikanischen Kleinstadt werden in ihren Träumen von einem dämonischen Mann mit verbranntem Gesicht und Klauenhandschuhen verfolgt. Schon bald stellt sich heraus, dass die Alpträume erschreckend real sind und fordern erste Todesopfer unter den Teenagern. Wie schon in Cravens Original müssen die Kinder hier für die Taten ihrer Eltern leiden, was auch damals schon sowohl als politisches Element als auch psychologische Metapher für das Erwachsenwerden und die Pubertät verstanden wurde. Regisseur Bayer visualisiert diese Deutungsebene mit offensichtlichen, jedoch eindrucksvollen Bildern, lässt seine jungen Darsteller in regelrechten Tümpeln aus Blut versinken und seine Hauptfigur Freddy frivol über die Wange eines seiner Opfer lecken, bevor er gnadenlos zusticht. Zudem wird das im Original höchstens angedeutete Element des Kindesmissbrauchs und seine psychologischen Auswirkungen in dem Remake viel expliziter thematisiert, womit der Film eine beunruhigende Aktualität erreicht.
"Nightmare on Elm Street" entkräftet außerdem die zahlreichen Unkenrufe aus Presse und Internetforen, ein Freddy Krüger ohne Robert Englund sei schlichtweg undenkbar. Mit Jackie Earle Haley hat man nun aber einen mehr als würdigen Nachfolger gefunden, der mit seinem diabolischen Charme einen großen Teil des Erfolgs des Filmes ausmacht. Die Mehrheit der auftretenden Nachwuchsschauspieler tritt dafür umso blasser und ungelenker in Erscheinung und drängt den Film in manchen Szenen gar ins unfreiwillig Komische; etwa dann, wenn als Reaktion auf eine in drei Metern über dem Boden schwebende Freundin, die bei lebendigem Leibe aufgeschlitzt wird, nicht mehr als ein lapidares "Fuck" gestammelt wird.
"Nightmare on Elm Street" beweist erneut, dass sich Remakes großer Klassiker durchaus mit Coverversionen bekannter Songs vergleichen lassen: Auch eine nur durchschnittlich begabte Band kann die tolle Melodie nicht "kaputt spielen". Und so überzeugt auch im Jahre 2010 das geniale Grundkonzept hinter den Nightmare-Filmen erneut: Die ständige Angst, die Ausweglosigkeit der Situation (denn irgendwann schläft jeder ein) und der gleichzeitig bissige, bösartige Humor verkörpert durch Horrorikone Freddy. Fairerweise muss Regisseur Bayer jedoch auch zugestanden werden, dass er eine ambitionierte, visuell einwandfreie Version des Klassikers erschaffen hat, die allerdings an einer etwas zu flachen Charakterzeichnung und teilweise talentfreien Jungschauspielern krankt. Nichtsdestotrotz ein überraschend cleverer Abschluss der inoffiziellen "Horror-Ikonen-Trilogie" aus dem Hause Platinum Dunes, die trotz aller vorhandenen Mängel auch viel, viel enttäuschender hätte ausfallen können.
75%
>> verfasst von Tim Lindemann
Zweite Meinung...
Früher war alles besser. Zumindest ist das die Meinung vieler, die zurückblicken und das idealisieren, was sie vielleicht vor 10, 20 oder 30 Jahren erlebt haben. Die Wahrheit ist indes eine andere – auch im Kino. Manche Horrorklassiker lassen sich, nüchtern betrachtet, mit den heutigen Sehgewohnheiten nur sehr bedingt in Einklang bringen. So nagte der Zahn der Zeit recht unerbittlich an Wes Cravens „Last House on the Left“ oder Tobe Hoopers „Blutgericht in Texas“, während sich andere, bis heute stilbildenden Vertreter wie Alfred Hitchcocks „Psycho“ oder „Halloween“ ihre düster-schaurige Grundstimmung bewahrt haben.
Zu den beliebtesten Ikonen des modernen Horrorkinos zählt die Person des Freddy Krueger. Alles an ihm, angefangen von seinem verbrannten Gesicht, über den Hut, den rot gestreiften Strickpulli bis hin zu seinen Messer-Fingerchen, ist Kult. Er besitzt sogar seinen eigenen Lockruf („1,2 Freddy kommt vorbei...“) und die vielleicht größte Fanbase unter allen Filmpsychopathen. Insofern ist das Unterfangen, den von Robert Englund verkörperten Kindermörder einem „Facelift“ zu unterziehen, gleich doppelt gefährlich. Man könnte einerseits die Anhänger des „alten“ Freddy vergraulen und andererseits an den immensen Erwartungen, die der Schriftzug „Nightmare on Elm Street“ auch heute noch hervorruft, sang- und klanglos scheitern.
Die Remake-Maschinerie von Michael Bays Produktionsfirma „Platinum Dunes“ hat jedoch eines gewiss nicht: Angst vor großen Namen. Sonst hätten sich die Macher wohl kaum bereits an einem Reboot solcher Horrorikonen wie Leatherface und Jason Vorhees versucht. Das Resultat fiel dabei mal mehr („Texas Chainsaw Massacre“) und mal weniger („Freitag der 13.“) überzeugend aus. Nun also Freddy, der ungekrönte Herrscher über unserer Träume.
Die Handlung orientiert sich lose am Original von 1984. Nancy (Rooney Mara) heißt immer noch Nancy, ansonsten entsprechen die Rollen der anderen Teens und Twens exakt dem, was vergleichbare Slasher-Geschichten so anzubieten haben. Vor allem bei den männlichen Darstellern ist der Einfluss des von Filmen wie „Twilight“ propagierten Bildes des Emo-Sensibelchen unverkennbar. Man(n) greift offenkundig auch schon mal ganz gern zum Cajal-Stift. Auf Freddys (Jackie Earle Haley) ersten Auftritt muss indes nicht lange gewartet werden. Noch ehe der Titelschriftzug unter lautem Getöse erscheint, hat unser aller Liebling sein erstes Opfer mit einem sicheren Kehlenschnitt geschächtet. Damit ist die Jagd eröffnet, bei der die austauschbare Teenie-Truppe dem Prinzip der „10 kleinen Negerlein“ folgend scheibchenweise dezimiert wird. Wer das Original nicht kennt und nicht weiß, dass Nancy die eigentliche Hauptfigur ist, für den hält das Remake an dieser Stelle sogar eine kleine Überraschung bereit.
Kommen wir nun auf den oftmals schiefen Blick auf die Vergangenheit zurück. Kritik ist nie objektiv. Und im Fall eines „Nightmare“-Neustarts kann sie es überhaupt nicht sein, zumindest dann nicht, wenn man selber mit dem Original aufgewachsen ist, es mit 10 oder 11 Jahren das erste Mal heimlich und ziemlich unvorbereitet gesehen hat, als die Eltern mal nicht zu Hause waren, und man das Geschehen – wie passend – anschließend in den eigenen Träumen verarbeiten musste. Man hat Schwächen großzügig übersehen, weil die empfundene Spannung das eigene Urteilsvermögen für 90 Minuten zum Erliegen brachte. Soviel kann auch das beste Remake niemals leisten.
Ist man sich dessen erst einmal bewusst, so muss man Regisseur Samuel Bayer zumindest für die visuelle Umsetzung Respekt zollen. Der erfahrene Videokünstler setzt die Morde rund um die Elm Street in ein atmosphärisches, düsteres Licht, das abseits aller obligatorischen und meist recht durchschaubaren lauten Schockmomente ein wohliges Gefühl von Gefahr und Suspense zu erzeugen vermag. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich die stärksten Bilder vornehmlich aus Zitaten des Originals zusammensetzen: Das Mädchen im Leichensack, Nancys Versinken im Hausflur, Freddys erster Auftritt im Heizungskeller. Eine eigenständige Idee, die über Cravens Vorlage hinausginge, ist in diesen Szenen kaum auszumachen. Allein die CGI-Effekte verdeutlichen die technische Weiterentwicklung des Mediums in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten. Ein bisschen wenig ist das schon.
Immerhin wagen es die Autoren, an Kruegers Vergangenheit einige nicht ganz unerhebliche Änderungen vorzunehmen. Über die hieraus abzuleitende, im Kern reaktionäre Botschaft darf munter gestritten werden, was man vom übrigen Film nicht gerade behaupten kann. Hierfür verläuft das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Freddy und seinen weitgehend profillosen Opfern viel zu sehr in den erwarteten Bahnen. Sogar die multiplen Traum-im-Traum-Verästelungen, die Bayer für die eine oder andere nette Finte nutzt, werden in ihrer Redundanz irgendwann langweilig.
Wenn man diesem Neustart abseits der schicken Präsentation etwas zu Gute halten muss, dann ist es der Respekt vor der Figur des Freddy Krueger. Eigentlich ist Jackie Earle Haley – anders als Robert Englund – ein viel zu guter Schauspieler, um ihn die meiste Zeit mit einer hässlichen Latexmaske herumrennen zu lassen. In den wenigen Szenen, die ihn unmaskiert zeigen, portraitiert er Krueger als einen introvertierten, stillen und zugleich seltsam unreifen Mann, dessen schreckliches Geheimnis wie ein Schatten über dem Film liegt. Sein bei Craven noch dominanter Sarkasmus wurde hier merklich reduziert. So wie Haley in die Rolle hineinwächst, würde man ihm eine Fortsetzung wünschen. Dann allerdings mit einem besseren Skript und charismatischeren Kollegen.
50%
>> verfasst von Marcus Wessel
Produzent Michael Bay versteht sich auf kommerziell vermarktbaren Hochglanz Horror der zwar düster bzw. dreckig genug ist um den Mainstream Konsumenten in Angst zu versetzen jedoch nicht so dreckig dass dieser sich dadurch in irgendeiner Weise abgeschreckt fühlt. (siehe „The texas chainsaw massacre“ und Friday the 13th“).
Mit der Neuinterpretation des 1984er Klassikers um Kultfigur Freddy Krueger komplettiert Bay seine Ode an die Horrorhelden der 80er und schickt ein weiteres Remake aus dem Hause Platinum Tunes ins Rennen. Handwerklich markiert der Film zweifellos den bisherigen Höhepunkt der Firmen eigenen Remake Welle. Der Film schafft was den meisten Remakes nicht gelingt: Er transportiert die Atmosphäre des Klassikers ins Jetzt. Atmosphärisch dicht und in starken Bildern bleibt der Film stets sehr nahe am Original. Dieser Umstand markiert sowohl die Stärken als auch Schwächen des Films.
Hat man den Flair des Originals zwar optisch eindrucksvoll reproduziert, so bleibt allerdings auf Grund mangelnder Kreativität ein fader Nachgeschmack zurück wenn es um den Verlauf des Films geht. Der Film wirkt wie eine lieblose Aneinanderreihung einzelner Szenen, was es dem Zuseher unmöglich macht wirklich ein zu tauchen. Auch die Tatsache dass man viele der Schlüsselszenen des Originals einfach kopiert hat ohne ihnen neue Elemente bei zu fügen ist da nicht sonderlich hilfreich und ein weiteres Anzeichen für die Einfallslosigkeit der Autoren. Kennt man das Original so besteht die eindeutige Gefahr sich bei dem Remake heftig zu langweilen. (Wie man es besser macht – siehe – Rob Zombies Halloween)Das Remake wirkt im Aufbau zu geradlinig, zu bieder wenn man so will, zu festgefahren, zu sehr auf Nummer Sicher arrangiert. Auf Grund des zu berechnenden Aufbaus wirkt der Film nicht wie „aus einem Gus“. Und Spannung kommt hier erst recht nie auf. Die Stärken des Films liegen hingegen eindeutig in der edlen Optik und darüber hinaus eben in der Atmosphäre an sich und einem starken Cast. Jackie Earle Haley wird der Figur Freddy Kruger mehr als gerecht, versprüht bitter bösen Zynismus wo sein Vorgänger eher albern wirkte und gibt generell einen äußerst charismatischen Überschurken ab. Auch der Charakter der Nancy (gespielt von Rooney Mara) wirkt sehr charismatisch und hat durchaus Widererkennungswert. Gut besetzt.
FAZIT: A Nightmare on Elm Street definiert sich eindeutig über dessen gelungene Optik, trumpft mit charismatischen Darstellern auf, lässt jedoch Spannung und Einfallsreichtum im Ablauf beinahe völlig vermissen.