Moviebase Shuttle
Aller Anfang ist schwer. Ein Sprichwort, das nahezu immer dann zutrifft, wenn sich der Mensch einer Aufgabe annimmt, etwas Neues probiert. Auch Regisseur Edward Anderson dürfte bei seinem Vorhaben, einen Horror-Thriller auf die Beine zu stellen, diverse Ängste durchlitten haben. Denn speziell im Horror-Genre, dem neuartige Stoffe allmählich auszugehen scheinen, kann mit Leidenschaft, Kreativität und frischen Ideen gepunktet werden - aber ebenso gut gnadenlos versagt werden. SHUTTLE ist ein kühler Trip in die grausame Menschlichkeit, der mit stimmungsvollen Bildern und guten Darstellern überzeugt. Der Film ist dabei so routiniert inszeniert, dass man mitunter vergisst, was SHUTTLE eigentlich nämlich noch ist: Ein Regiedebüt.
Eine Story kann plump sein, die Inszenierung muss das aber nicht. Das beweist Anderson hier sehr gut. Zwei Mädels kommen aus dem Urlaub zurück und warten auf ihr Gepäck am Flughafen. Und wo schöne Mädchen stehen, sind gierige Jungs nicht weit. So werden aus zwei Personen vier, die dann noch irgendwie ins traute Heim kutschiert werden wollen. Aus Geiz steigen die vier lieber in einen kleinen Shuttlebus als in den eigentlichen Flughafentransport ein und begehen damit den größten Fehler ihres Lebens. Denn der zunächst freundliche und unscheinbare Fahrer des Busses entpuppt sich als hinterhältiger Psychopath. Damit hatte die Gruppe, die um einen ängstlichen Familienvater erweitert wurde, überhaupt nicht gerechnet. Bei einem im ersten Moment unglücklichen Unfall, bei dem Matt seine Finger verliert, eskaliert die Situation. Fortan herrscht Panik unter den Fahrgästen und der Shuttle-Fahrer hat sichtliche Freude daran, die Gruppe von einer Schandtat zur nächsten zu führen. Bis zum bitteren Ende, welches zeigt, dass Schönheit nicht immer von Vorteil sein muss…
Debütant Anderson hält sich nicht an einer ausufernden Einführung auf. Am Flughafen wird geklärt, mit wem es der Zuschauer in den folgenden 109 Minuten zu tun bekommt - und das reicht völlig. Wer die Charaktere sind und was sie sonst noch in ihrem Leben tun, wird an dieser Stelle wenig beleuchtet, zeigt sich für den weiteren Verlauf der Geschichte aber eben auch nicht als erforderlich. Anders als bei vergleichbaren Genrevertretern, bei denen wir uns ein wenig mehr Hintergrundwissen oftmals wünschen, kann auf dieses Detail gut und gerne verzichtet werden. Eine weiter gehende Ebene wird lediglich dem Übeltäter zugesprochen. Und so ist das Muster auch ganz klar gestrickt: In SHUTTLE geht es um das Böse, nicht um durchschnittlich hübsche Weiblein und Männlein.
Das Szenario kommt unterkühlt daher. Es ist kalt, es ist dunkel, es regnet ununterbrochen. Die Optik stimmt, liefert eine unwohle und farblose Fahrt im kleinen Bus. Geiz ist eben nicht geil, wie die Freunde bei ihrer Wahl des Transportmittels erkennen müssen. Geiz kann nämlich auch verdammt weh tun. Dabei ist der Busfahrer, gut gespielt von Tony Curran (Marcus Corvinus in „Underworld: Evolution“), doch in erster Linie freundlich, damit aber auch das Böse in Person. Wir wissen nicht, wie der nächste Schritt des Mannes aussieht, und so kommt der erste vermeintliche Unfall auch mehr als überraschend daher. Wo andere Horrorfilme versagen, indem sie das Übel mit Musik und Vorhersehbarkeit bereits ankündigen, punktet Anderson. Völlig unvermittelt passiert beim Reifenwechsel ein Malheur, welches ungeheuer schmerzt. Und das Drehbuch setzt diese Überraschungen fort.
Im Verlauf treten auf beiden Seiten unlogische Aktionen auf, die das Geschehen in seiner Intensität abschwächen. Auch kleinere Längen weist SHUTTLE bei seiner ausgiebigen Spieldauer auf. In erster Linie aber wird der enge Raum des Busses ausreichend für Angst und Panik genutzt; Anderson zieht sein Ding kompromisslos und trocken durch, die Bilder und der Score harmonieren und vermitteln dem Zuschauer ein Gefühl von Verzweiflung und Ausweglosigkeit. Da nimmt man den Fahrer bei seiner nächsten Bustour gleich doppelt genau unter die Lupe. So durchfahren wir mit den Protagonisten und ihrem Peiniger die Stationen des Schmerzes, die Haltestellen der Gewalt bis hin zur Endstation, bei der das wahre Vorhaben des Fahrers ersichtlich wird. War den Freunden die womöglich sichere Busfahrt zu teuer, ist es eben auch der Shuttle-Fahrer, der zusehen muss, wie das Geld in die Kasse kommt. Dafür greift er zu einer Methode, die ebenso entsetzlich als auch traurig und unglaublich verachtend ist. Dass die Opfer bis zum Finale nicht rein zufällig in jener Reihenfolge gestorben sind, muss das Publikum fortan über sich ergehen lassen. Ob es zu Überlebenden kommt, sei an dieser Stelle nicht verraten. Doch eines vorweg: Anderson greift ein unangenehmes und absolut furchtbares Kapitel der Menschheit auf.
Dass Anderson im entscheidenden Finale mit einer derartigen Aussage aufwartet, dürfte auch beim bis zu diesem Zeitpunkt hoffenden Zuseher, der sich in Sicherheit wähnt, SHUTTLE wäre ein Horror-Thriller wie jeder andere, ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Im SHUTTLE sind die Menschen das Gepäck, Gepäck ist Ware, und Ware, die am Ende keinen Abnehmer findet, landet im Müll. Eine klare Aussage, die Anderson verfolgt, und die uns in einem harten und für ein Regiedebüt fast schon perfekten Film überliefert wird. In den Bus einsteigen und ins Verderben fahren - ansehen und schockiert werden!
>> verfasst von Janosch Leuffen