Das war 2016 – Die besten Horrorfilme und größten Enttäuschungen des Jahres

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2016 war ohne Frage ein gutes Jahr, um sich in Angst und Schrecken versetzen zu lassen – im Kino ebenso wie im echten Leben. Dass es einen Zusammenhang zwischen realen gesellschaftlichen Krisen und einer Konjunktur von fiktiven Genre-Filmen gibt, wurde an dieser Stelle schon öfter vertreten; aber selten war es so wahr wie in diesem Jahr. Horror- und Science-Fiction-Filme finden auf unsere Ängste und Unsicherheiten unterschiedliche Antworten: Sie mögen uns brachial mit ihnen konfrontieren, sie gewissermaßen zu ihrem grausigen Endpunkt durchspielen; sie vermögen ihnen aber auch durchaus konstruktive Alternativen entgegenzusetzen, ohne dabei an realweltliche Wahrscheinlichkeiten gebunden zu sein. Gesellschaftstherapie mit Aliens und Ungeheuern! Beide Varianten sind in den wunderbaren Filmen unserer hier folgenden Liste zu finden. Eine kleine Anmerkung: Bis auf unseren „Geheimtipp des Jahres“ sind in diesem Jahr erfreulicherweise alle aufgezählten Filme in Deutschland regulär im Kino gestartet und/oder fürs Heimkino erschienen. Wie immer freuen wir uns natürlich über Kritik und Meinungen zu unserer Auswahl im Anhang.

The WitchEin Auszug aus unserer Filmkritik:

Naturalistische, stimmungsvolle Aufnahmen des Wald-Settings treffen auf mysteriöse Bilder wie die eines Hasen, in dessen stechendem Blick etwas Bösartiges zu liegen scheint. Unerlässlich für das Gefühl der Beklemmung, das Eggers mit seiner Gruselmär hervorrufen will, ist die variantenreiche, bedrohliche Musik- und Sounduntermalung, die sich unter anderem aus Klagegesängen, dissonanten Geigenklängen und einem nervösen Rasseln zusammensetzt. Der Regisseur und seine Mitstreiter wissen, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums gewinnen kann, und zeigen, dass dafür keine ausufernden Budgets oder großen Exzesse notwendig sind.“

Im schnelllebigen Genre-Universum ist es schwierig, etwas von Dauer zu schaffen – wie keine andere Spielart des Films sind Horror, Science-Fiction und andere Genres aktuellen Trends und Vorlieben unterworfen. So wird der Begriff „zukünftiger Klassiker“ mittlerweile vollkommen beliebig verwendet und geradezu umhergeworfen. The Witch, das Spielfilmdebüt des Amerikaners Robert Eggers, aber ist genau das: ein zeitloses Werk des Horrors, das spannende neue Akzente setzt und völlig ohne Zweifel auch in vielen Jahren noch neue Fans dazugewinnen wird.

Das Geheimnis der geradezu hypnotischen Wirkung dieses beeindruckenden Erstlings liegt dabei in seinem simplen und doch effektiven Aufbau: Eine schutzlose Familie, der dunkle Wald und das unheimliche Andere darin. Dazu kommt eine präzise Inszenierung des kargen Lebens im Neuengland des 17. Jahrhunderts und ein grandioses Gespür für familiäre Dynamik im Schatten des frühneuzeitlichen Aberglaubens. Eggers kombiniert in The Witch mühelos Psychogramm, Okkult-Horror und Religionskritik – und hat sich damit auch ganz oben auf der „To-Watch“-Liste für junge Genre-Filmemacher platziert.

Der Trailer:


ArrivalEin Auszug aus unserer Filmkritik:

Die Gefahr, das wird im Verlauf des Films mehr und mehr deutlich, geht aber weniger von den fremden Wesen, als von den verhärteten Fronten zwischen den Menschen aus. Villeneuve gelingt so ein echter Coup: Wo die Ankunft von Außerirdischen in Filmen wie Independence Day patriotischen Zusammenhalt unter der (vor allem amerikanischen) Bevölkerung auslöst, werden in Arrival die Brüche innerhalb und zwischen den Nationen erst so richtig sichtbar. Schließlich wird sogar wütend der Kontakt zwischen den Regierungen abgebrochen und die Welt steht kurz vor einer Katastrophe.

Denis Villeneuve (Enemy und Sicario) kann alles. Auf die Idee kann man zumindest kommen, wenn man sich durch seine bombastische Filmographie schaut, die vom politischen Familiendrama bis zum Drogenkartellthriller alle möglichen Spielarten abdeckt – und dabei konstant auf höchstem Niveau operiert. Eigentlich keine Überraschung also, dass auch sein erster Ausflug ins Science-Fiction-Genre ein Hit ist. Aber was für einer: Arrival läutet nicht weniger als eine entscheidende Zeitenwende im Genre ein. Denn er verabschiedet sich klar vom simplen „Shoot’em Up“-Prinzip klassischer Alien-Invasionsfilme und stellt diesem Konzept einen viel komplexeren Ansatz gegenüber: Was, wenn die Lösung von extremen Krisen in der Kommunikation und nicht der Aggression liegt – und zwar nicht nur in der Auseinandersetzung mit den Außerirdischen, sondern vor allem auch zwischen den Menschen? Die Spannung hält der kanadische Regisseur trotz dieses pazifistischen Ansatzes konstant hoch.

Der Trailer:


Green RoomEin Auszug aus unserer Filmkritik:

Aus einem beunruhigenden Kammerspiel in der Tradition von John Carpenters Belagerungsfilm Assault – Anschlag bei Nacht entwickelt sich mit der Zeit eine blutig-brutale, überaus grausige Auseinandersetzung, die auch über das düster-verwinkelte Club-Setting Spannung generiert. Handwerklich gut gemachte Splatter-Effekte kommen wiederholt zum Einsatz und dürften bei sensiblen Zuschauern ein starkes Unwohlsein hervorrufen. Mit seinen Hauptfiguren geht Saulnier alles andere als zimperlich um und orientiert sich an der für den Backwood-Slasher typischen Body-Count-Dramaturgie, die bis ins hypnotisch-entrückte Finale gnadenlos zur Anwendung kommt. “

Nach dem Ende von Green Room braucht man dringend eine warme Dusche und mindestens einen Pixar-Film, um die Nerven wieder zu beruhigen. In der Tradition von John Carpenter entfesselt Regisseur Jeremy Saulnier hier ein brutales Backwoods-Massaker, dessen Effektivität in seiner Beiläufigkeit begründet liegt: Die Gewalt wirkt grauenhaft real, eben weil sie nicht ausgewalzt oder beschönigt wirkt. Man merkt außerdem, dass der Filmemacher mit dem Hardcore-Punk-Kosmos, in dem der Film spielt, durchaus vertraut ist. Die räudige, asoziale und vor allem auch komplett hoffnungslose Stimmung, die Saulnier in seinem Nachfolger zu Blue Ruin heraufbeschwört, passte wie Faust aufs Auge zur dumpfen Panik, die sich in diesem Jahr bei so manchen einschlich.

Der Trailer:


The Neon DemonEin Auszug aus unserer Filmkritik:

Elle Fanning besitzt trotz ihres eher durchschnittlich hübschen Gesichtes ein ungeheures Charisma und schafft es mittels kleiner Gesten und Regungen, ihre Black Swan-artige Wandlung vom Neuankömmling zum selbstbewussten Vamp greifbar zu machen. Verrenkungen der Hände drücken in einer Szene großes Unbehagen aus, während der Anflug eines Lächelns in einem anderen Moment ihre zunehmende Souveränität andeutet. Neben Fannings facettenreicher Performance stechen auch die hyperästhetischen, bis in den letzten Winkel durchkomponierten Bilder hervor. Schon das Auftakt-Shooting, das Jesse als Leiche mit blutverschmiertem Hals zeigt, ist ein echter Augenschmaus, der eine abgehobene, unwirkliche Stimmung erzeugt.“

Man liebt ihn oder hasst ihn: Der Däne Nicolas Winding-Refn bleibt seinem einzigartigen Stil-Mix in dieser psychedelischen Groteske treu und lässt Hexenhorror auf Glamour-Parodie prallen. Das Ergebnis ist ebenso visuell berauschend wie konsequent geschmacklos: In Winding-Refns Los Angeles verwandeln sich schöne Frauen in schwarze Panther, lauern schmierige Motelbesitzer, erbrechen kannibalistische Models menschliche Körperteile. Dazu kommt ein treibender Soundtrack und eine Lust am inszenatorischen Experiment, die sich in wunderbar trippigen Neon-Sequenzen äußert. Ein Fest für Fans, ein Affront für alle anderen – genau so, wie es sein muss also.

Der Trailer:


The InvitationAuszug der Synopsis:

Will (Logan Marshall-Green) und Eden (Tammy Blanchard) waren einst ein glückliches Pärchen. Nachdem die beiden jedoch ihren gemeinsamen Sohn auf tragische Weise verloren hatten, hat sich Eden ohne jede Vorwarnung und irgendwelche Spuren zu hinterlassen aus dem Staub gemacht. Zwei Jahre später taucht sie urplötzlich mit einem neuen Ehemann (Michiel Huisman) im Gepäck wieder auf und möchte sich als neuer Mensch mit ihrem Ex und all jenen, die sie einst hinter sich gelassen hat, aussöhnen. Bei einer Dinner-Party in dem Haus, das früher auch ihm gehört hat, wird Will allerdings das ungute Gefühl nicht los, dass Eden und ihr neuer Mann in Wahrheit weitaus finsterere Pläne für ihre geladenen Gäste haben. Spielen ihm seine Sinne einen Streich oder ist Eden wirklich nicht das, was sie vorgibt zu sein?“

Das Kammerspiel bleibt ein im Horror-Genre hochgradig beliebtes, weil ungemein effektives Mittel der Verunsicherung. Hier ist das Setting ein todschickes Anwesen in den Hollywood Hills, die Beteiligten eine Gruppe alter Freunde, von denen einige Übles im Schilde führen. So scheint es zumindest. Regisseurin Karyn Kusama gelingt es, ihren Cast zu Höchstleistungen zu bringen: Kleine Gesten, kurze Momente der Irritation sorgen dafür, dass im Kopf des Zuschauers immer neue, grausige Theorien über das Geschehen im Haus zu wuchern beginnen. Kusama baut die Spannung beinahe unerträglich lange auf; wenn der Film dann endlich umkippt, trifft es einen umso härter. The Invitation ist eine beeindruckende Demonstration dafür, dass ein guter Horrorfilm weder teure Effekte noch großes Blutvergießen, sondern vor allem eines braucht: ein begnadetes Skript.

Der Trailer:


Blair WitchEin Auszug aus unserer Filmkritik:

Ähnlich wie Myrick und Sánchez baut auch Wingard auf die Angst vor der Dunkelheit und die Verstörungskraft unheimlicher Geräusche. Gelegentlich wagt sich der Genre-Enthusiast allerdings weiter aus der Deckung und zeigt uns für kurze Augenblicke schemenhafte Impressionen des Grauens, die jedoch nicht weiter aufgelöst werden. Viele Rätsel bleiben. Oder aber es tun sich neue auf. Vor allem gegen Ende greift Wingard tiefer in die Effektkiste, kreiert dabei aber durchaus eine intensive Terroratmosphäre mit mindestens einem schönen Einfall, der Klaustrophobiker den Atem rauben dürfte. Obwohl es im Finale meistens laut und wenig subtil zugeht, fiebert man mit den nicht übertrieben dämlichen Protagonisten mit, die von den Darstellern solide verkörpert werden.“

Wer, wenn nicht wir hätte sich auf einen neuen Teil in der Sage der Hexe von Blair gefreut? Die Zeichen für eine gelungene Fortsetzung standen gut: Mit Simon Barrett und Adam Wingard, dem Team hinter You’re Next und The Guest, zeichneten kompetente Horror-Handwerker für das lange geheimgehaltene Projekt verantwortlich. Auch mit dem zuletzt generell ermüdenden Found-Footage-Genre hatten die beiden in V/H/S bereits erfolgreich experimentiert. Was konnte also schiefgehen? Einiges, wie sich herausstellte. Nicht nur, dass Wingard und Barrett wohl glaubten, es genüge, die alten Analogkameras des Originals durch GoPros zu ersetzen; nein, sie begingen sogar den katastrophalen Fehler, die Hexe direkt vor die Kamera zu zerren. Damit scheiterten sie an der bis heute unerreichten, unheilschwangeren Atmosphäre des Originals und produzierten letztlich nicht mehr als ein herzloses Reboot, das wohl als gescheiterter Versuch in die Geschichte eingehen wird, ein Franchise wiederzubeleben.

Der Trailer:


Burying the ExEin Auszug der Synopsis:

„Das Paar Louise und Kasper führt ein zurückgezogenes und naturverbundenes Leben. Ihr Haus liegt einsam im Wald an einem See, es gibt weder Strom noch Handyempfang. Daran muss sich Elena, die junge Haushaltshilfe aus Rumänien, erst einmal gewöhnen. Im Haus gibt es nur ein Telefon, das sie manchmal benutzt, um ihren kleinen Sohn anzurufen, der weit weg bei ihren Eltern aufwächst. Louise ist sehr schwach, sie hat eine Fehlgeburt hinter sich und kann keine Kinder mehr bekommen. Damit ihr größter Wunsch, Mutter zu sein, doch noch in Erfüllung geht, schließt sie einen Pakt mit Elena: Sie soll als Leihmutter ihr Kind austragen und dafür gut bezahlt werden. Elena willigt ein. Doch als der fremde Embryo in ihrem Körper viel zu schnell heranwächst, wird klar, dass dies keine normale Schwangerschaft ist.“

Nach seiner Weltpremiere bei der diesjährigen Berlinale verschwand der dänische Horrorfilm Shelley leider in der Versenkung. Zu verstörend und uneindeutig vermutlich seine konsequente Verwischung der Grenzen zwischen klassischem Horror und Psychodrama. Die Story um eine junge Leihmutter, die scheinbar monströsen Nachwuchs in sich trägt, spielt sich in einer isolierten Waldhütte ab und zitiert gekonnt offensichtliche Vorbilder wie Rosemary’s Baby ohne dabei jedoch zum Abklatsch zu verkommen. Shelley schwankt zwischen Bodyhorror und Psychoanalyse, bleibt durchweg stockdüster und kommt zum Glück ohne jedes ironische Augenzwinkern aus. Wir hoffen auf eine Veröffentlichung 2017…

Der Trailer:


An dieser Stelle wünschen wir ein besinnliches Weihnachtsfest und ein erholsames Restjahr 2016!

Eure Redaktion,

Torsten Schrader
Carmine Carpenito
Christopher Diekhaus
Tim Lindemann

Geschrieben am 23.12.2016 von Tim Lindemann
Kategorie(n): News



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