Dark Glasses – Filmkritik: Dario Argento enttäuscht auf ganzer Linie

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Ruhig war es um Dario Argento geworden seit dem Desaster, das der frühere italienische Spannungsmeister mit seiner Dracula-Adaption aus dem Jahr 2012 erlebt hatte. In letzter Zeit ließen allenfalls seine abfälligen Äußerungen über das Remake seines Kulthorrorstreifens Suspiria aufhorchen. Mit eigenen Projekten wollte es bei dem zu den stilprägenden Giallo-Regisseuren gehörenden Filmemacher aus Rom partout nicht klappen. Bis vor kurzem. Auf der Berlinale 2022 feierte Argento nach zehnjähriger Abwesenheit mit dem Thriller Dark Glasses – Blinde Angst sein Comeback hinter der Kamera. Eine Rückkehr auf bestens vertrautes Meuchelterrain, die jedoch, so gerne man sie auch mögen möchte, erneut beweist: Vom alten Glanz ist nur noch wenig übrig. Im hohen Alter scheint dem einstigen Maestro selbst das Gespür für einprägsame Bilder abhandengekommen zu sein.

Im Zentrum des von Argento und Franco Ferrini verfassten Drehbuchs steht die Edelprostituierte Diana (Ilenia Pastorelli), die wie einige Sexarbeiterinnen vor ihr die Aufmerksamkeit eines in der italienischen Hauptstadt wütenden Serienmörders weckt. Als der Killer sie attackiert, kann sie die Flucht ergreifen, kracht während der wilden Verfolgungsjagd aber in ein anderes Auto. Die Konsequenzen des Unfalls sind gravierend: Während die junge Frau ihr Augenlicht verliert, steht der kleine Chin (Andrea Zhang), dessen Vater verstirbt und dessen Mutter schwerverletzt im Koma landet, plötzlich ohne Eltern da. Mit Unterstützung von Rita (Asia Argento), die für einen Blindenverein tätig ist, tastet sich Diana langsam an ihr neues Leben heran und findet in der Schäferhündin Nerea einen ebenso zuverlässigen wie wachsamen tierischen Begleiter. Als sie den in einem Heim untergebrachten Chin heimlich bei sich aufnimmt, bekommt sie Stress mit den Ermittlungsbehörden. Und auch der Täter hat Diana weiter im Visier…

DARK GLASSES bewegt sich nur an der Oberfläche

Ungewöhnliche Paarungen sind in der italienischen Thriller-Ausprägung namens Giallo, die in den 1960er und 1970er Jahren ihre Hochzeit hatte, keine Seltenheit. Schon in Argentos zweitem Spielfilm Die neunschwänzige Katze von 1971 taucht ein blinder Ex-Journalist auf, der zusammen mit seiner Nichte und einem anderen Reporter in einer mysteriösen Mordserie ermittelt. Eine Prostituierte, die unvermittelt ihrer Sehkraft beraubt wird, mit einem auf sich allein gestellten Jungen zusammenzustecken, der außerdem einen chinesischen Hintergrund hat, ist per se keine schlechte Idee. Der Regisseur und Koautor versäumt es allerdings, diesem ungleichen Gespann wirkliches Leben einzuhauchen. Dass ihre unterschiedliche Herkunft zum Motor der Handlung würde, wie Argento selbst betont, bleibt bloße Behauptung, da wir in beide Welten nur sehr oberflächlich eintauchen. Wenig hilfreich ist sicher auch das manchmal steif wirkende Spiel Pastorellis und Zhangs, das uns nicht zu einer tieferen emotionalen Ebene vordringen lässt.

Ins Auge sticht zudem die – freundlich ausgedrückt – sehr luftig konstruierte Geschichte. So braucht es mehrere markante Zufälle, um den Killer auf die Spur Dianas und Chins zu bringen. Zwei Kripobeamte sind mit ihren Nachforschungen anfangs noch regelmäßig präsent, verschwinden dann aber völlig in der Versenkung. Die eingangs noch geheim gehaltene Identität des Täters, eines frauenverachtenden Psychos, wird zur Hälfte erstaunlich lustlos preisgegeben. Manche Figuren, etwa die nach dem Jungen suchenden Polizisten, verhalten sich himmelschreiend dämlich. Und überhaupt hapert es mitunter gewaltig an der Logik. Dass beispielsweise der Bösewicht nach dem ersten gezeigten Mord seinen Lieferwagen umlackiert, im Anschluss an die fehlgeschlagene Attacke auf Diana jedoch schön weiter mit der nun bekannten Farbe durch die Gegend fährt, ist schlichtweg lachhaft.

Ein unspektakulärer Bösewicht. ©Urania/Vision

Weder atmosphärisch noch visuell überraschend

All dies wäre, wie in so vielen erzählerisch hanebüchenen Giallo-Arbeiten, halbwegs verzeihlich, wenn Argento denn formale Ausrufezeichen setzen würde. Macht die geisterhaft gefilmte und mit entrückten Klängen unterlegte Auftaktsequenz, in der Diana in einer Vorortgegend einer Sonnenfinsternis beiwohnt, noch Hoffnungen auf einen atmosphärisch und visuell überraschenden Film, lässt Dark Glasses – Blinde Angst danach viele Wünsche offen. Hier und da werden subjektive Perspektiven des Mörders eingestreut, die kurz Unbehagen hervorrufen. Und einige Gewaltexzesse fallen recht grafisch aus. Ansonsten gibt sich der Regisseur stilistisch aber wenig ambitioniert. Von den expressiven, eigenwilligen Gestaltungsideen seiner alten Gialli ist er meilenweit entfernt. Der Virtuosität früherer Werke nähert sich einzig Arnaud Rebotinis zwischendurch kräftig pulsierender Elektro-Score an, der einige Szenen spannungstechnisch ein bisschen aufzumöbeln vermag.

Dass Dark Glasses – Blinde Angst zum Teil noch recht wohlwollende Kritiken erhalten hat, lässt sich eigentlich nur mit der früheren Reputation des Schöpfers begründen. So schmerzhaft es auch sein mag, verglichen mit dem, was Argento vor allem in den 1970er Jahren auf die große Leinwand gebracht hat, ist sein jüngster Streich eine herbe Enttäuschung. Vielleicht sollte der Römer einfach seine Regiekarriere beenden und sich verstärkt dem Schauspiel widmen. In Gaspar Noés Sterbedrama Vortex, das Ende April 2022 in den deutschen Kinos anlief, ist er immerhin erstmals in einer Hauptrolle zu sehen – und löst diese Aufgabe mit Bravour.

>> von Christopher Diekhaus

©Alamode Film

Geschrieben am 15.06.2022 von Carmine Carpenito



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