Wie lebt man ein Leben, das bereits beendet ist? Und wie soll man sich verhalten, wenn man fälschlicherweise für einen Mörder gehalten wird? Solch tiefgründige Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen/alten Zeitreise-Mystery-Thrillers „The Jacket“. Bereits Anfang 2005 in den amerikanischen Kinos gestartet, blieb diesem erstklassigen Film hierzulande ein Kinostart leider verwehrt. Ein Glück, dass Constantin Film/Highlight Video nun endlich eine DVD-Premiere nachschiebt. Regisseur John Maybury wagte sich bisher nur an kleinere Produktionen. Auch liegt sein letztes Werk bereits ein paar Jährchen zurück. Dennoch versteht er es, was es heißt, einen tollen Film zu drehen, was er mit diesem Spielfilm eindeutig unter Beweis stellt.
Der Krieg kann eine schwere Zeit für einen Menschen sein. Vorallem wenn dabei Freunde ums Leben kommen und man hautnah dabei ist. Adrian Brody ergeht es in seinem neusten Streifen nicht anders. Dem Tot konnte er nur durch großen Zufall noch einmal von der Schippe springen. Kaum zu glauben, dass ihm frisch in der Heimat angekommen, schon wieder etwas Schreckliches zustößt. Nichts ahnend, steigt er bei einem Fremden ins Auto, der sich freundlicherweise als Chauffeur zur Verfügung stellt. Wenige Minuten und eine Schießerei mit der Polizei später, steht Jack im Gerichtsaal und muss sich seiner Haut erwehren. Durch sein schwindendes Gedächtnis, kann sich Jack jedoch nicht mehr an den Verlauf der Tat erinnern. Prompt landet er in der Psychiatrie und muss mit merkwürdigen Behandlungsmethoden der Ärzte zu Recht kommen, die Patienten in Leichenschächte stecken.
Die Story mag vielleicht nicht das Originellste sein, was man als Zuschauer je lesen durfte. Dennoch hat dieser Film das Glück, eine dermaßen stimmige Darstellerriege sein Eigen nennen zu dürfen, dass man auch über den holprigen Anfang schnell hinweg kommt. Neben Owen Willson, der hauptsächlich im komödiantischen Genre angesiedelt ist, gibt es noch einen Mann mit einer markanten Nase. Genau, ich meine natürlich Adrian Brody. Durch viele großartige Filme zu Ruhm gelangt, durften wir sein Können zuletzt eindrucksvoll in Shyamalans „The Village“ und Jacksons „King Kong“ bestaunen. Intensiv spielt er seinen Charakter, dass gar kein Zweifel besteht, er könnte nicht Jack sein. Mit Brody hört es jedoch noch nicht auf. Wir haben noch Starlet Keira Knightley und „eXistenZ“ Jennifer Jason Lee. Knightley spielt die Rolle der Jackie, einer heruntergekommen, trinkenden Kellnerin, die nicht über den Tot ihrer Mutter hinweg kommt und sich hinter Drogen und Alkohol versteckt. Dabei wirkt ihre Verkörperung einer leicht verletzlichen Person so intensiv, dass man sich direkt vergucken möchte.
Fast aggressiv wirkt der Wechsel der optischen Palette. Zum einen Teil wird auf helle, trostlose Settings gesetzt, die im nächsten Abschnitt dreckigen, dunklen Bildern weichen müssen. Jacks Zeitreisen werden von tollen optischen Effekte begleitet, die im ersten Moment, unterstützt durch wuchtigen Sound, recht verstörend wirken können. Wie würde man sich verhalten, wenn man beengt in einem Leichenschacht im Krematorium liegt, keine Luft mehr bekommt und nicht weiß, was man eigentlich verbrochen hat? Bei „The Jacket“ gestaltet es sich sehr schwierig, etwas von der Story zu vermitteln die man benötigt, um Euch Lesern den Film näher zu bringen, aber nicht zu viel man eigentlichen Verlauf verraten möchte. Ich kann nur sagen, wirklich sehr gelungen und aufschlussreich, auch wenn es zu Beginn nicht gerade den Anschein hat, man würde es hier mit einem logischen (soweit man logisch mit diesem Film in Zusammenhang bringen kann) Geschichte zutun haben.
Soundtechnisch spielt dieser Streifen durchaus in gehobener Klasse. Jacks und Jackies Szenen werden durchgehend von fröhlicher Musik untermalt, bei der die Liebe praktisch schon in der Luft schwebt. Sehr gegensätzlich zu den restlichen Abschnitten, in denen es eher düster zugeht. Maybury kann dabei wirklich nur zugute gehalten werden, dass er trotz seiner langen Abstinenz, die er vom Film hatte, immernoch einen solchen Blick für das Wesentliche hat. „The Jacket“ ist gespickt mit erstklassigen Einstellungen und Stakkatoschnitten, die dem Zuschauer die Charaktere noch näher bringen. Zudem wird das Geschehen im Laufe der Zeit immer klarer und warmherziger, dass man sich über jedes Detail freut, dass einem preisgegeben wird.
„The Jacket“ ist eine ganze Ecke vor „The I Inside“, auf etwa der gleichen Ebene wie „The Butterfly Effect“, anzusiedeln. Um den genial hintergründigen „Donnie Darko“ vom Zeitreise-Thron zu schubsen, fehlt ihm jedoch das gewisse Etwas. Optisch hervorragend in Szene gesetzt, werden die einzelnen Figuren toll in die Handlung eingebettet, um in einem wunderbaren Finale zu glänzen. Störend ist hier wirklich nur der triste Anfang, der dem willigen Filmfan zu wenig vermittelt. Schauspielerisch spielt man nämlich in der ersten Liga. Jeder Darsteller kann positiv erwähnt werden, auch wenn Adrien Brody, Keira Knightley und Jennifer Jason Lee die größten Glanzpunkte darstellen. Wer sich drauf einlässt, bekommt einen überzeugenden Mystery-Thriller präsentiert, der sein ganzes Können erst gegen Ende entfaltet. Unbedingt ansehen!
>> geschrieben von Torsten Schrader