Moviebase Frau in Schwarz, Die
Was hat Mark Hamill eigentlich nach seinen Auftritten in "Krieg der Sterne" gemacht? Es fällt schwer, sich an weitere Rollen zu erinnern. Stattdessen wird er vermutlich ewig Luke Skywalker bleiben, eine Figur, die für ihn sicherlich Fluch und Segen zugleich war. Daniel Radcliffe hat da erkennbar andere Pläne. Nachdem die "Harry Potter"-Reihe kürzlich ihr lang erwartetes Finale erlebte, sieht sich der Teenie-Schwarm nun nach neuen Herausforderungen und Projekten um. Seine Wahl fiel dabei auf dieses angenehm altmodische, fast schon nostalgische Gruselmärchen um einen geheimnisvollen Fluch und dessen durchaus wortwörtlich zu verstehenden langen Schatten. Ein kleines, beschauliches Küstendorf namens Cryhin Gifford bietet die perfekte Kulisse für die ganze Palette des Oldschool-Horrors. Dort ist es wie gewünscht meist nebelig und wenn es einmal nicht gerade regnet, dann lässt der nächste Niederschlag zumindest nicht allzu lange auf sich warten.
An dieses auf den ersten Blick wenig einladende Fleckchen England verschlägt es Radcliffes jungen Rechtsanwalt Arthur Kipps. Der Nachwuchsadvokat soll sich im Auftrag seiner Kanzlei um den Nachlass der verstorbenen Alice Drablow kümmern. Diese lebte bis zu ihrem Tode sehr zurückgezogen in ihrer viktorianischen Villa weit außerhalb des Dorfes. Auf einer kleinen Anhöhe im Watt liegt das besagte Anwesen, das Arthur erkunden soll, um so den letzten Willen der Verstorbenen zu ermitteln. Dass sich gleich nebenan ein kleiner Friedhof befindet, dürfte nicht nur erfahrene Gruselfreunde misstrauisch machen. Bei Flut ist das Haus regelmäßig vom Ort abgeschnitten. In diesen Stunden fühlt es sich dort noch einsamer und unheimlicher an – nur umgeben von der rauen englischen See.
Die Handlung bleibt konzentriert auf wenige Schauplätze und Personen. So wird Kipps Besuch von den meisten Dorfbewohnern mit Misstrauen oder offener Ablehnung betrachtet. Einzig der Gutsbesitzer Sam Daily (Ciarán Hinds) zeigt sich dem Fremden gegenüber offen. Er lädt Kipps zu sich nach Hause ein, wo der junge Anwalt auf Dailys Frau (Janet McTeer) und eine unerwartete Familientragödie trifft. Die Dailys haben vor vielen Jahren ihr einziges Kind verloren. Es ist ein Tod, der bis heute viele Fragen wirft und der für die Mutter längst noch nicht verarbeitet scheint. Sie ist vielmehr überzeugt davon, dass ihr Sohn noch lebt.
Mit Unterstützung der legendären Hammer-Studios und basierend auf dem Bestseller von Susan Hill erarbeiteten Regisseur James Watkins ("Eden Lake") und Drehbuchautorin Jane Goldman ("X-Men: Erste Entscheidung") eine Geschichte, die nach der Logik klassischer Gruselfilme funktioniert. Schon die Einleitung, die im englischen Nebel beinahe unterzugehen scheint, deutet an, welche Richtung Arthurs Reise letztlich nehmen soll. Hier dreht sich alles um das Zelebrieren eines alten Geheimnisses, eines erst nach und nach sichtbaren Unglücks, bei dem wir als Zuschauer mit Arthur zusammen die Detektivarbeit aufnehmen. Dabei sind die von Watkins eingesetzten Waffen trotz des Verzichts auf Blut oder martialische Horrorbilder alles andere als stumpf. Szenen wie die im Puppenzimmer sorgen bei aller Berechenbarkeit selbst heute noch für einen wohligen Schauer.
Wie in jedem guten "Haunted House"-Streifen übernimmt das Geisterhaus auch hier irgendwann die eigentliche Hauptrolle und damit die Kontrolle über den Film. Selbst wenn Daniel Radcliffe seinen Job wirklich ordentlich macht und überzeugend den verunsicherten Ermittler mimt, so stehen er und seine Rolle die meiste Zeit doch im Schatten der wunderschönen Gothic-Bilder. Regisseur James Watkins zelebriert den Grusel in eleganten, düsteren Einstellungen, bei denen man sich unweigerlich an die lange Tradition dieses Subgenres erinnert fühlt. Bei aller Konzentration auf Folterschocker wie "Hostel" oder "Saw" vergisst man womöglich, dass auch der klassische Gruselfilm nie tot war. Mit bescheidenen Budgets und kleineren Zuschauerzahlen lebte er – wenngleich meist in Form von Direct-to-Video-Veröffentlichungen – weiter. Dann kamen Werke wie "The Others" und "The Devil’s Backbone" und plötzlich sprach jeder von einem Comeback.
"Die Frau in schwarz" ist mit Sicherheit kein Film, der etwas neu erfindet. Alles was Goldman und Watkins machen, ist das Altbewährte möglichst kunstvoll zu arrangieren. Ihr Werk ist zunächst einmal Ausstattungskino, handwerklich stark und inhaltlich mit keinen allzu großen Überraschungen. Aber gelegentlich macht es ja Spaß, einen Bekannten wiederzusehen. Watkins Film liefert dafür den Beweis.
>> verfasst von Marcus Wessel