Moviebase Zorn der Titanen
Die griechische Mythologie scheint die perfekte Vorlage für einen Film nach Hollywood-Maßstäben. Wie die Dramaturgie einer gigantischen Soap Opera liest sich das, was seit inzwischen mehreren Tausend Jahren als das Bild der antiken Götterwelt überliefert ist. Homers Odyssee ist Abenteuerkino, wie es auch Jerry Bruckheimer oder Steven Spielberg nicht besser erfinden könnten. Vor zwei Jahren plünderte der wenig überzeugende Antiken-Actioner „Kampf der Titanen“ die Mythen und Geschichten des alten Griechenlands. Dabei surfte der Film auf der durch „Avatar“ plötzlich so populären Welle der 3D-Technik. Leider geschah dies jedoch ziemlich halbherzig. Die erst nachträglich eingefügte dritte Dimension war nicht mehr als ein vollkommen überflüssiges, technisch misslungenes Gimmick.
Bei der nun startenden Fortsetzung wurde dieser Fehler nicht wiederholt. So ist „Zorn der Titanen“ von Beginn als echtes 3D-Spektakel konzipiert und geplant worden. Die Aufnahmen sind demzufolge plastischer, die Farben satter, die Kontraste schärfer. Der Unterschied zu den verschwommenen Bildern des Vorgängers könnte kaum größer sein. Das erfolgreich vollzogene Facelifting scheint auch die Darsteller motiviert zu haben. Zumindest geben sich Sam Worthington, Liam Neeson, Bill Nighy und Ralph Fiennes mit großer Leidenschaft dem von Regisseur Jonathan Liebesman verlangten Overacting hin. Für Zwischentöne ist hier ohnehin kein Platz. Über gut 90 Minuten leistet das Soundsystem echte Schwerstarbeit. Es kracht, rummst, poltert und das praktisch ohne Unterbrechung. Alte Gamer werden sich dann auch an die Dauerfeuer-Option ihres Joysticks erinnert fühlen.
Da passt es, dass viele Szenen ohnehin mehr einem Videospiel ähneln. Schon die Wahl der Perspektive verrät so manches über Liebesmans filmischen Ansatz. Kaum einmal befindet sich die Kamera wirklich auf Augenhöhe mit den Charakteren. Um die zumeist gott- oder halbgottgleichen Figuren zusätzlich zu überhöhen, schauen wir in vielen Momenten geradezu ehrfurchtsvoll zu ihnen auf. Es ist der Blick eines kleinen Kindes auf seine Eltern, der hier auf das Verhältnis von Göttern und den ihnen allmählich abtrünnigen Menschen angewandt wird. Dabei kommt „Zorn der Titanen“ über weite Strecken mit gerade einmal drei Einstellungen aus. Neben der eindrucksvollen Totalen, die immer wieder das Monumentale der Schlacht zwischen Göttern, Menschen und Titanen betont, und dem kindlichen, bewunderungsvollen Blick setzt Liebesman auf eine ebenfalls dem Videospiel entlehnten Ansicht von schräg oben. Der Effekt ist verblüffend. Fast instinktiv möchte man zum Controller greifen, um Perseus und seine Getreuen durch das tödliche Labyrinth des Minotaurus oder die gigantischen Gewölbe der Unterwelt zu dirigieren.
Nach dem monströsen Kraken bekommt es der Zeus-Sprössling Perseus (Worthington) erneut mit einem „Best of“ antiker Schurken zu tun. Der Mächtigste von ihnen ist Übervater Kronos, der als Anführer der eingekerkerten Titanen nicht gut auf seinen Nachwuchs zu sprechen ist. Als Hades (Fiennes) und Zeus’-Filius Ares (Edgar Ramirez) die Seiten wechseln und Zeus in einen Hinterhalt locken, ruht die Hoffnung der Menschen allein auf Perseus. Zusammen mit Poseidons Sohn Argenor (Toby Kebbell) und der Kriegerkönigin Andromeda (Rosamund Pike) begibt er sich auf eine gefährliche Reise in die Unterwelt.
Was so klingt wie ein „Herr der Ringe“-Light, fühlt sich genauso an. Bei Perseus und seiner Mannschaft meint man gelegentlich die „Gefährten“ wiederzuerkennen. Natürlich fehlt Liebesmans mythologischer Märchenstunde die wahre Größe der Tolkien-Verfilmungen, anders als Peter Jackson lässt er aber durchblicken, dass er die Sache nicht allzu ernst nimmt. Und das ist dann wieder sehr sympathisch. Vor allem Poseidons Sohn Argenor fällt die Rolle des Sprücheklopfers und Spaßmachers zu. Mit Ironie und Witz unterwandert der Film so sein omnipräsentes Pathos, nicht ohne gleichzeitig das Bild des Mannes als Anführer und Krieger sorgsam zu pflegen. Mit Ausnahme von Andromeda bleiben Frauen hier abgemeldet und komplett unsichtbar. Dafür bestimmen ältere Herren mit zum Teil hinreißend albernen Bärten das Bild. Einzig Perseus darf sich rasieren.
Die Idee, dass Götter nur solange über Macht verfügen, solange die Menschen an sie glauben, besitzt einen durchaus modernen, aufklärerischen Charakter. Doch darum geht es „Zorn der Titanen“ allenfalls am Rande. Wie schon in „World Invasion: Battle Los Angeles“ bleibt Liebesmann ein reiner Actionarrangeur, für den das Spektakel und der Special Effect im Mittelpunkt steht. Auch dieses Mal kennt sein Film keinen Stillstand, wobei er dankenswerterweise auf den Einsatz allzu hektischer Handkameraaufnahmen verzichtete. Im Duell mit seinem Vorgänger verlässt „Zorn der Titanen“ dann auch als eindeutiger Sieger das Schlachtfeld. Zurück bleiben die Reste einer gigantischen Klopperei, vor Stolz erfüllte Männerherzen und ein halb zerstörtes Griechenland. Zumindest letzteres passt in das Jahr 2012.
>> verfasst von Marcus Wessel