Moviebase American Mary
So manche Schauspieler haben in Hollywood nichts mehr zu lachen. Aber nicht etwa, weil die Gehälter klein sind oder Rollenangebote ausbleiben. Der Grund für eine versteinerte Miene ist immer öfter ein chirurgischer Eingriff. Das Wundermittel Botox bügelte beispielsweise das Gesicht von Meg Ryan aalglatt. Bei Action-Ikone Sylvester Stallone bewirkte es das Gegenteil. Andere lassen sich gar die Zehen verkürzen, um in High-Heels auf dem Roten Teppich ja eine gute Figur zu machen.
Diesen Schönheits- und Jugendwahn nahmen die Soska Sisters zum Anlass für ein Horrordrama. Doch die Schwestern gehen noch einen Schritt weiter ins Extreme. Neben bis zur Unkenntlichkeit operierten Modepüppchen stehen auch fragwürdige Trends wie Schmuck unter der Haut und freiwillige Amputationen im Mittelpunkt. Ein interessantes Gebiet, das sich durch die konfuse Handlung leider kaum entfalten kann.
Die junge Medizinstudentin Mary (Katharine Isabelle) hat Probleme, ihr Studium zu finanzieren. Und damit nicht genug, legen ihre scheinbar vorbildlichen Professoren ihr mehr als nur einen Stein in den Weg. Ein nächtliches „Bewerbungsgespräch“ in einem Stripclub bringt zwar nicht den erhofften Strip-Job, aber eine andere lukrative Möglichkeit, an Geld zu kommen. Mary entdeckt die blutige Welt der Untergrund-Operationen und eine etwas andere Karriere voll extravaganter Patienten beginnt.
„American Mary“ thematisiert einerseits die Macht des Geldes, ohne das Mary ihr Studium an den Nagel hängen könnte. Andererseits behandelt es den immer grotesker und perverser werdenden Drang nach Veränderung, um aufzufallen. Letzteres zeigen die Soska Sisters radikal und werfen damit beim Zuschauer Fragen auf: Gibt es so etwas wirklich und wenn ja, wer bitte macht so etwas? Zumindest die erste Frage dürfte ganz klar mit „ja“ zu beantworten sein. Über transdermale Implantate, also Schmuck unter der Haut wie etwa Teufelshörner oder Ringe, regt sich heute kaum noch jemand auf.
Schon anders sieht es mit der sogenannten „Body Integrity Identity Disorder“ aus, übersetzt „Körperintegritätsidentitätsstörung“. Diese beschreibt den Wunsch eines Menschen, mit weniger Gliedmaßen zu leben. Eigentlich eine Krankheit, die – zumindest in „American Mary“ – zum Trend wird. Doch um mit solchen Tatsachen wirklich zu schockieren oder zum Nachdenken anzuregen, fehlt den Regisseurinnen erzählerisches Geschick. Marys Werdegang von der intelligenten, aber faulen Medizinstudentin zur gefühlskalten, Geld scheffelnden Chirurgin ist holprig und krude.
Wer angesichts der Operationen auf krachende Knochen und spritzendes Blut hofft, zieht den Kürzeren. Detailliert wird bis auf eine Ausnahme nie hingeguckt – was das Szenario aber nicht weniger schlimm macht. Denn die Zwillingsschwestern kreieren in einigen Szenen eine düstere und beklemmende Atmosphäre in stimmungsvollen Bildern. Der Versuch, mit klassischer Musik während den Einstellungen auf dem OP-Tisch einen Kontrast zu erzeugen, ist dagegen zu plump geraten.
Es gibt viel Leerlauf im Film und nicht alle Horrorfans werden sich mit dem Mix aus Gesellschaftskritik, Satire und Hauptfiguren-Drama anfreunden können. Die maue Story schwächt die vielversprechend klingende Ausgangsidee deutlich ab und macht es schwierig, sich angemessen in die Situation hineinzuversetzen. „American Mary“ möchte genau wie die Charaktere, die in ihm vorkommen, extrem und anders sein. Dieses Vorhaben ist dem Geschwisterpaar, das einen Gastauftritt hat, nur ansatzweise gelungen.