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Ob Ridley Scott 1979 ahnte, welchen Einfluss sein Space-Albtraum „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ auf das Sci-Fi-Genre haben würde, darf durchaus bezweifelt werden. Seit der Veröffentlichung des Films, in dem Sigourney Weaver als taffe Actionheldin brillierte, haben sich viele Regisseure an einer ähnlich furchteinflößenden Erzählung über den Kontakt mit außerirdischem Leben versucht – erfolgreich waren nur wenige. Unverkennbar inspiriert von „Alien“ ist auch der kammerspielartige Weltall-Thriller des in Schweden geborenen Filmemachers Daniel Espinosa, der international bislang solide Spannungsware wie „Safe House“ und „Kind 44“ abgeliefert hat. Mit „Life“ legt er nun einen Sci-Fi-Schocker vor, der dem Zuschauer kontinuierlich den Atem raubt. Erwarten sollte man hochgradig effektiven Nervenkitzel in ansprechenden Bildern.
Auf einer Marsmission macht die sechsköpfige Crew der Internationalen Raumstation ISS eine Entdeckung, die die Vorstellung der Menschen vom Universum grundlegend verändern könnte. Aus einer Bodenprobe vom Roten Planeten isoliert der Mikrobiologe Hugh Derry (Ariyon Bakare, „Jupiter Ascending“) einen winzigen Organismus und beobachtet sein Wachstum im Labor. Das kleine Lebewesen, das medienwirksam auf den Namen „Calvin“ getauft wird, ist ein echtes Wunder, da es über höchst anpassungsfähige Zellen verfügt. Die Begeisterung des Forscher- und Astronautenteams, dem außerdem Miranda North (Rebecca Ferguson, „The Girl on the Train“), David Jordan (Jake Gyllenhaal, „Nightcrawler“), Rory Adams (Ryan Reynolds, „Deadpool“), Ekaterina Golovkina (Olga Dihovichnaya, „House of Others“) und Sho Murakami (Hiroyuki Sanada, „The Wolverine“) angehören, schlägt allerdings in Entsetzen um, als Calvin plötzlich zum Angriff übergeht und aus dem Labor entkommen kann.
Eine ausgeklügelte Geschichte oder differenzierte Figuren hat „Life“ nicht zu bieten. Vielmehr arbeitet der Film mit Versatzstücken und Andeutungen, während im Hintergrund stets „Alien“ als großes Vorbild durchschimmert. Gerade weil es dem Science-Fiction-Horror an Originalität mangelt, ist es umso erstaunlicher, dass uns Espinosa geschlagene 100 Minuten gefangen nehmen kann. Obwohl die Protagonisten nur skizzenhaft entworfen sind, geht uns ihr Schicksal an die Nieren – zumal die Macher, gemessen am Hollywood-Standard, überraschend schonungslos mit ihren prominenten Darstellern umgehen. Nichts und niemand ist vor Calvin sicher, der – wie Derry an einer Stelle anmerkt – keinen Hass empfindet, sondern lediglich seinem Überlebensinstinkt folgt.
Gibt es im Auftaktdrittel neben aufregenden Momenten auch ruhigere Phasen, in denen die Gefühlslage der Crewmitglieder und ihr Zusammenhalt kurz in den Blick geraten, regiert nach der ersten Attacke des fremdartigen Lebewesens der blanke Terror. Verschnaufpausen streut das Drehbuch der „Deadpool“-Autoren Rhett Reese und Paul Wernick nun nur noch zaghaft ein. Und der Regisseur erweist sich schon zu Beginn der tödlichen Auseinandersetzung zwischen Forscherteam und Alien als Spannungsvirtuose, wenn er eine der Figuren im Quarantäne-Labor verzweifelt um ihre Hand kämpfen lässt. Ist Calvin einmal entwischt, legt sich endgültig eine beklemmend-unheimliche Stimmung über das Geschehen, da sich der schnell wachsenden, intelligenten Kreatur in der verwinkelten Raumstation unzählige Schlupflöcher bieten.
Einige Konfrontationen sind derart intensiv in Szene gesetzt, dass es einen regelrecht in den Sitz presst. Für großes Unbehagen sorgt nicht zuletzt die alles andere als zimperliche Art und Weise, mit der das außerirdische Geschöpf die menschlichen Widersacher befällt. Calvin dringt bevorzugt durch den Mund in seine Opfer ein, was „Life“ recht früh schonungslos bebildert. So schmerzlich der erstmalige Anblick dieser Tötungsmethode auch sein mag, hat das Sterben des hilflosen Besatzungsmitglieds zugleich etwas Anmutiges, wenn der aus dem Rachen schießende Blutschwall durch den schwerelosen Raum gleitet.
Trotz seiner dünnen Handlung, die auf existenzielle Reflexionen verzichtet, und seiner eindimensionalen Figuren funktioniert der packende Science-Fiction-Thriller auch deshalb so gut, weil sich die verschiedenen Gewerke wunderbar ergänzen. Jon Ekstrands dröhnende Musik treibt die Anspannung immer wieder in die Höhe. Seamus McGarveys Kamera, die schon zu Anfang eigenwillige Drehungen vollzieht, schwebt, einem Astronauten gleich, durch die ISS. Die beengte Raumstation mit ihren Tunneln und Schleusen wirkt angemessen realistisch. Und der clevere Alien, der nach einigen Wachstumsschüben an einen durchsichtigen Kraken erinnert, ist absolut furchteinflößend. Technisch und inszenatorisch treffen Espinosa und seine Mitstreiter erfreulich oft ins Schwarze, weshalb man inhaltliche Beschränkungen und den nicht allzu überraschenden Schlusspunkt leicht verzeihen kann.
>> von Christopher Diekhaus