Moviebase Pulse - Du bist tot, bevor Du stirbst!
Oder auch "Are you infect?". Infiziert von uninspirierten Remakes, die gute Ideen bis in die Unendlichkeit ausreizen, nur um ein paar Millionen auf das wachsende Konto der Studios zu tragen. Auch wenn "Pulse" der größte Hoffnungsträger dieser Art von Filmen war und für einige Kritiker wohl heute die größte Enttäuschung in der neuerlichen Geschichte der Horror-Remakes darstellt, sind positive Anzeichen zu erkennen. Eine völlige Katastrophe ist dieser Film, auch wenn uns die versammelte US-Gemeinschaft dies glauben lassen möchte, mit großer Warscheinlichkeit nicht. Und doch fing alles so unscheinbar an, mit einer einfachen Idee. Veteran Wes Craven war ganz angetan von einem kleinen asiatischen Horrorfilm mit dem Namen "Kairo", der dann auch zugleich auf seiner To-Do List landete. Durch einen großen Streit, die Rechte am Remake lagen mittlerweile bei den Weinsteins, der im Zusammenhang mit den Dreharbeiten seiner Werwolf-Farce "Cursed" entstand, sprachen sich die Studiobosse letztendlich für ein Werk ohne Wes Craven und mit Jim Sonzero aus. "Pulse" war geboren.
Mattie (Kristen Bell) ist schockiert: Ihr Freund Josh hat sich umgebracht. Doch als sie Emails mit seinem Absender erhält, wird aus dem Schock schnell nackte Angst. Sie und ihre College-Freunde versuchen, Joshs Computer zu finden und stoßen auf den Bastler Dexter (Ian Somerhalder), der von ungewöhnlichen Ereignissen berichtet. Schattenhafte Gestalten kommen und gehen, Geister, die nicht in unsere Welt gehören. Im ganzen Land gibt es immer mehr Selbstmorde, immer mehr Menschen verschwinden oder verhalten sich seltsam. Mattie und Dexter kommen schließlich einem Experiment auf die Spur, das auf schreckliche Weise fehlgeschlagen ist. Datentransfer in Hochgeschwindigkeit, überall erreichbar sein, überall ins Internet können - willkommen in der Welt der kabellosen Kommunikation. Doch was, wenn die Funknetze die Grenzen öffnen zu Welten, die uns besser verschlossen geblieben wären?
Es gibt eine Sache, und hier möchte mir sicher niemand widersprechen, die das Original in besonderer Art und Weise auszeichnete. Diese unglaubliche Trostlosigkeit, die den Zuschauer über die komplette Spielzeit in Beschlag nimmt, das Herz mit kalter Hand umfasst und es in die tiefsten Regionen der Dunkelkeit zieht, macht "Kairo", 2001 unter der Leitung von Kiyoshi Kurosawa entstanden, zu einem gefühlsechten Filmerlebnis. Schleichende Angst, schleichende Geister und schleichende Spannung. Was kann Anno 2006 an diesem Konzept verbessern werden, ohne den Grundgedanken zu zerstören? Nichts, so viel ist sicher. Ist "Pulse" deshalb bereits im Vorfeld schlecht zu bewerten? Mitnichten."The Ring" veranschaulichte eindrucksvoll, was aus einem ursprünglichen Konzept werden kann. Und doch folgen alle Neuverfilmungen, die auf der Thematik eines asiatischen Gruslers beruhen, der gleichen Vorgehensweise. Ein Fluch, Opfer und Geister. Ob nun Videotapes, Handys oder wie bei "Pulse" das Internet, ist in diesem Zusammenhang zweitrangig, denn die Umsetzung muss in erster Linie stimmen.
"Pulse" steht in sicherer Hinsicht nicht ganz auf verlorenem Posten. Was das Drehbuch nicht hergab, macht die einwandfreie Inszenierung wieder wett. Es ist bereits zu Beginn erkennbar, dass sich Jim Sonzero seine Brötchen als Werbefilmer verdiente. Schnelle Schnitte, passend ausgeleuchtete Settings und Licht und Schattenspiele vermitteln bereits ein Teil dessen, was das Universum des Virus ausmacht. Fehlender Lebenswille und allein für sich zu sterben. Diesen Gedanken auf die große Leinwand zu übertragen, ohne dabei gekünstelt und aufgesetzt zu wirken, war wohl die größte Herausforderung für das Team, denn "Kairo" machte es bereits vor. Ohne große Umschweife: "Pulse" bietet diese Art vom Erlebnis leider nicht. Vielmehr baut Sonzero auf die Leistungen der Darsteller, wo wir dann bereits beim nächsten Punkt angekommen wären.
Für die Qualität eines "Be cool" mag das Können von Christina Millian, die sich neben ihrer Filmkarriere als Sängerin verdingt, vielleicht reichen, doch hier, wo Gefühle und Ängste eine große Rolle spielen, scheint ihr Limit erreicht. Kristin Bell, schnüffelnd als Privatdetektivin in der Serie "Veronica Mars" unterwegs, trägt mit ihrem Auftreten den gesamten Film. Die gezeigten Leistungen sind zu Beginn stark schwankend, pendeln sich im Mittelfeld jedoch auf gehobener Klasse ein. Ian Somerhalder macht das, was er als Inselopfer in "Lost" ausreichend zeigte - er fällt einfach nicht auf, weder in positiver noch in negativer Hinsicht. Für einen Horrorfilm ist das vornehmlich aus Serien-Darstellern bestehende Ensemble recht ansehnlich. Die klischeebehafteten Charaktere spielen da schon in einer ganz anderen Liga, weit unter der eines typischen Highschool-Movies. Rollen vom Schlage eines Afro-Amerikaners, dessen größte Leidenschaft darin besteht, Programme illegal aus dem Netz zu saugen, sind nur ein Schatten ihrer Selbst.
Bei den Schocks und der Gestaltung der Geisterwesen langt "Pulse" dann aber ordentlich zu. Weiße Wesen und verzerrte Gesichter herrschen in den Endzeit-Großstädten vor. Nebenbei wird die beste "Ich steig aus der Waschmaschine" Szene präsentiert, die sich natürlich offenkundig beim großen Vorbild "The Ring" bedient und den Spieß in saubere Regionen umdreht. Dies alles ist natürlich kein Vergleich zum schleichenden Horror aus "Kairo", doch haben wir wirklich eine 1:1 Umsetzung des Films vor Augen gehabt? "Pulse" versteht sich als Unterhaltung für die breite Masse und bedient dieses Klientel auch sehr anständig. Für die Genialität eines Kiyoshi Kurosawa reicht es deshalb natürlich trotzdem nicht und die Absicht bestand auch nie.
Den größten Schlag in die Magengegend verpassten sich die Drehbuchautoren bei der Gestaltung des Finales. Sind die Straßen erst einmal menschenleer, tritt das dynamische Duo, bestehend aus Bell und Somerhalder, auf den Plan und vernichtet nebenbei die gesammelte Sympatie, die sich "Pulse" im Lauf der Zeit hart erkämpfte. War das Geschehen zuvor noch ansehnlich, driftet der Film hier endgültig in die Belanglosigkeit ab und wirft wertvolle Prozentpunkte in den Gefriertrockner. Etwas Eigenständigkeit, von einem Film, dessen Atmosphäre das Wort "Endzeit" geradezu hinausschreit, wäre sicher nicht zu viel verlangt. Bei den Screenings, die in den USA stattfanden, galt dieser Abschnitt als größtes Manko. Trotz Nachdrehs bleibt es beim gleichen Effekt - das Ende fügt sich nicht schlüssig in das Konzept ein und wirkt daher unpassend. Filmfans, die "Kairo" nichts abgewinnen konnten, werden in "Pulse" sicher keinen Meister entdecken. Umgedreht funktioniert diese Gleichung natürlich ebenso. Kinogänger, die jedes Remake mit Kusshand empfangen, werden gut unterhalten, während jene Hasser mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kinosaal verlassen.
>> verfasst von Torsten Schrader