Moviebase Parfum - Die Geschichte eines Mörders, Das
Patrick Süskinds Roman „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“ zählt neben Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ zu den erfolgreichsten in deutscher Sprache verfassten Romanen. Der 1985 erschienene Roman führte einen langen Zeitraum die deutschen Bestsellerlisten an und wurde 1986 von der New York Times zum Buch des Jahres gekürt.
Nach den ganzen Erfolgen, die dem Buch nach kurzer Zeit beschieden waren, stand das Interesse an einer Verfilmung des Stoffes außer Frage. Süskind allerdings weigerte sich vehement die Rechte zu verkaufen. Einzig und allein war er zu jenem Zeitpunkt bereit diese an Stanley Kubrick (u.a. „Clockwork Orange“) abzutreten, der auch sein Interesse mehrmals an der Verfilmung äußerte, aber letztendlich zu dem Schluss kam, dass „Das Parfum“ zu jenen Werken gehört, die gemeinhin als unverfilmbar gelten. Erfolgsproduzent Bernd Eichinger und Freund von Süskind blieb standhaft und sicherte sich die Rechte 15 Jahre nach der Veröffentlichung des Romans. Als Regisseur konnte er sich niemand geringeren als Tom Tykwer (u.a. „Heaven“) vorstellen, einen Regisseur der sowohl über die künstlerisch-innovative Ader als auch über das Verständnis des populären Kinos verfügt, so Eichinger in einem Interview.
Das ist sie also, die Verfilmung eines als unverfilmbar geltenden (wenn auch noch jungen) Meilensteins der deutschen Literaturgeschichte. Die Frage die sich dem Publikum gemeinhin stellt ist folgende: Besteht die Möglichkeit einen Roman, der vor allem auf die explizite Darstellung von Sinneseindrücken aufbaut, die nicht über die Leinwand erfahrbar gemacht werden können, diese konsequent für diese zu adaptieren? Ein jeder, der die Romanvorlage gelesen hat, wird diese Frage mit einem klaren „Nein!“ beantworten. Dem stimme ich als großer Fan des Süskind Romans ohne weiteres zu, doch muss ich auch einlenken, dass man sich dieser filmisch annähren kann. Bei Literaturverfilmungen gehen die Meinungen in der Regel weit auseinander, denn ein jeder interpretiert eine Literaturvorlage anders. Egal ob es sich um „Der Herr der Ringe“, „Der Pate“ oder „Per Anhalter durch die Galaxis“ handelt – eine Literaturadaption findet immer mehr Kritiker, als es den Filmemachern lieb ist. So wird es auch der Süskindverfilmung ergehen, die die Lager spalten wird.
Wir schreiben das Jahr 1760, mit der die Einleitung der Verfilmung beginnt. Tausende Menschen in der südfranzösischen Stadt Grasse warten auf die Hinrichtung des Parfumeur-Gesellen Jean-Baptiste Grenouille (Ben Wishaw). Im Dunkeln des Verlieses wartet dieser auf die Vollstreckung des Todesurteils. Dunkelheit bestimmt die Szenerie. Die Kamera nähert sich dem Schattenschnitt des Verurteilten. Ein einziger Lichtstrahl durchdringt die Dunkelheit und Grenouille richtet sich diesem entgegen – die Nase des Mörders durchschneidet das Licht und die Nasenflügel bewegen sich rhythmisch riechend auf und nieder. Kurze Zeit später betreten die Häscher das Verlies, um das Todesurteil zu vollstrecken. Der eigentliche Film beginnt.
Wir begleiten die Figur des Antihelden Grenouille, der von dem Newcomer Ben Wishaw verkörpert wird, fast über die gesamte Laufzeit von rund 147 Minuten. Wishaw adaptiert den Charakter des Jean-Baptiste Grenouille glaubhaft und souverän. Er ist natürlich entgegen der Buchvorlage nicht dementsprechend hässlich und entstellt, aber auch nicht die Schönheit, die man gemeinhin in solchen Produktionen antrifft. Wie auch im Roman hat der Charakter des Jean-Baptiste nur wenige Passagen in denen er spricht. In der Vorlage werden die Emotionen und die Gedankengänge vor allem durch den Erzähler geprägt, so auch in der Verfilmung. Eine Stimme aus dem Off begleitet den Zuschauer über viele Passagen des gesamten Films und übernimmt dabei viele Phrasen der Vorlage – meiner Meinung nach eine großartige Lösung, dem Zuschauer einige Sinneseindrücke und vor allem Grenouilles Gedankengänge greifbarer zu machen. Die Erzählerstimme ist mit Otto Sanders (u.a. „Das Boot“) einfach genial besetzt.
Eine weitere wichtige Rolle bekleidet Dustin Hoffman (u.a. „Rain Man“) in der Rolle des alternden Parfumeurs Giuseppe Baldini, der schon frühzeitig das Talent des Gerbergesellen Grenouille für Gerüche und die Welt der Düfte erkennt. Dabei wird der Parfumeur recht eigenwillig interpretiert und sorgt für den einen oder anderen Lacher, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen, nein nach Überlegungen sogar vortrefflich passen. Dennoch und das gilt für den Großteil der Darstellerriege, bleibt die Gestalt des Baldini doch recht blass. Dies ist wohl auch die größte Schwäche der Verfilmung – so bleiben einige Charaktere einfach auf der Strecke. Das führt dazu, dass der Zuschauer nur wenig Sympathie für die Nebencharaktere entwickelt. Vor allem Alan Rickman (u.a. „Dogma“) in der Rolle des Antoine Richis kann sein Talent nicht frei entfalten. Natürlich bekleidet auch Tykwers „Talisman“ Corinna Harfouch eine Nebenrolle, hier als Madame Arnulfi. Zu schade, dass ihr in der Verfilmung nur sehr wenig Platz zur Entfaltung gegeben wird, da dieser Charakter in der Romanvorlage doch so schön beschrieben wird. Hier ist sie nur stiller Nebencharakter. Manche Rollen sind einfach nicht der Rede wert, wie beispielsweise, die der Jessica Schwarz als Natalie, abgesehen davon, das man die Dame nackt bewundern darf.
Was dem Literaturkundigen sauer aufstoßen mag, sind zudem einige Buchpassagen, die im Endprodukt nur wenig oder gar keinen Platz fanden. Schade ist, dass Grenouilles Exilleben nur recht kurz angeschnitten wird – jeder kundige Leser wird sich an die Szene erinnern in der der Protagonist auf einen Berg schreitet und erhaben seinen Namen in die menschenleere Wildnis ruft. Desweiteren entfällt beispielsweise die Passage in der Grenouille nach seiner Verwilderung in die Zivilisation zurückkehrt und von dem Marquis de la Taillade-Espinasse „re-kultiviert“ wird, völlig. Dieser Verlust tut dem allgemeinen Gesamtbild aber keinen Abbruch und man sollte Eichinger und Tykwer diesen nicht nachtragen, da der Film die wichtigsten Stufen des Romans aufnimmt – es ist unmöglich alle Details aufzugreifen, ist der Film mit seinen knapp 147 Minuten Spielzeit schon recht lang.
Die Filmsettings sind allen Zweifeln erhaben, so wurde beispielsweise der Pariser Fischmarkt an dem Grenouille das Licht der Welt erblickt adäquat umgesetzt – so gesellt sich neben den visuellen Reizen, die Erzählerstimme zum Setting und macht dieses förmlich greifbar. Dem Film der komplett in Europa produziert wurde (Deutschland, Frankreich und Spanien), merkt man in keiner Sekunde, das für Hollywoodverhältnisse schmale Budget von weniger als 50 Millionen Euro an. Die Drehorte sind dabei wunderschön gefilmt und lassen das historische Paris und Grasse greifbar werden. Wie Süskind, der detailliert auf das Aussehen der Orte und der Charaktere in seinem Roman eingeht, finden wir auch hier vor allem eines wieder: Schmutz und Dreck soweit es uns die Kamera gewährt.
Der Film lässt über die gesamte Spielzeit keine Längen aufkommen, wirkt aber an manchen Stellen zurechtgeschnitten, was den Genuss ein wenig schmälert. Einige Handlungsstränge werden binnen weniger Minuten sprichwörtlich „abgeharkt“. Auch die düstere Atmosphäre, wie man sie in der Romanvorlage erfährt, wird gegeben – meiner Meinung nach, aber nicht genug vertieft. Verspricht der düstere Trailer doch ein wirklich atmosphärisches Werk. Leider hält der Film zu wenig dieser Momente fest. „Das Parfum“ gehört sicherlich zu den wichtigsten Produktionen in diesem Jahr und so ist eine Auseinandersetzung mit dieser Verfilmung unerlässlich. Es handelt sich um keinen Arthausfilm, wie wir sie bislang von Herrn Tykwer kennen und lieben gelernt haben – aber ist das bei der Umsetzung eines international bedeutenden Werkes verwunderlich? Meiner Meinung nach „Nein!“.
Ein Fazit ist schwer zu verfassen, werden die Meinungen doch sehr weit auseinandergehen. Die Verfilmung von „Das Parfum“ ist kein Desaster, nein mitnichten, es ist vielmehr ein stiller europäischer Hollywoodblockbuster im historischen Gewand. Wir erleben keinen Totalreinfall. Die endgültige Meinung sollte sich jeder selbst bilden. Ich war nach der Sichtung zwar nicht trunken vor Euphorie einen neuen filmischen Meilenstein gesehen zu haben, aber auch nicht enttäuscht sondern eher zufrieden. Mit genügend Abstand zur Buchvorlage, wie auch zu älteren Tykwer-Filmen wird der Kinozuschauer gewiss nicht enttäuscht. Natürlich rate ich eher zum Roman zu greifen, denn die Vorlage ist ein Meisterwerk und dem kann ich mich mit einem Zitat der französischen Zeitung „Le Figaro“ nur anschliessen: „Anders als alles bisher Gelesene. Ein Phänomen, das einzigartig in der zeitgenössischen Literatur bleiben wird.“
>> geschrieben von Daniel Wangler