Kiss Kiss Bang Bang, doppelt abgeknutscht und zwei mal erschossen - ungefähr so fühlt man sich sobald der Bildschirm nach 99 Minuten Film schwarz wird und die Credits zu "rollen" beginnen. Dieser Film ist real - aber doch nicht realistisch. Eine irre Komödie für eine irre Welt, selbstverständlich mit der notwendigen Prise Action und Erotik, denn was wäre Hollywood ohne? Wo wir auch schon unser Stichwort hätten: "Hollywood" ist in diesem Streifen nämlich mehr als nur Schauplatz, er ist gleichzeitig Geburtsort und Grabstätte jeglicher Moral.
Harry Lockhart (genial: Robert Downey Jr.) ist ein Kleinkrimineller, der seinen Neffen und Nichten zu Weihnachten ihre Geschenkwünsche erfüllen will. Mit dem feinen Unterschied, dass seine Einkaufszeit sich auf die Stunden nach Ladenschluss beschränkt - "Einbrecher & Dieb" lautet seine Berufsbezeichnung. Als bei einem Einsatz versehentlich der Alarm ausgelöst und sein Kollege anschließend von einer Zivilcourage zeigenden, übermütigen Mitbürgerin erschossen wird, findet er Zuflucht in einem Gebäude, in dem zufällig gerade ein Filmcasting stattfindet. Logisch, befinden wir uns doch in Hollywood. Wie passend, dass er perfekt in die Rolle des Ganoven schlüpft, der geradeeben seinen Komplizen verloren hat. Method Acting at its best! Um seine Rolle zu entwickeln bekommt er Hilfe von Gay Perry (noch genialer: Val Kilmer). Dieser ist Privatdetektiv und soll Harry beraten. In bester Film Noir-Manier, sozusagen als Dritte im Bunde, kommt Harmony (sweet: Michelle Monaghan) ins Spiel und mit ihr zwei Aufträge, die Anfangs nichts miteinander zu tun haben. Anfangs...
Küsschen auf die Backe oder hochromantischer XXL-Züngler?
Was Kiss Kiss Bang Bang ausmacht, ist die gnadenlose Satire, die blitzschnellen Dialoge und die Tatsache, dass er uns mithilfe von schrägen Bildern und Situationen vor Augen führt, wie schräg die (Hollywood'sche) Wirklichkeit tatsächlich ist. Und hierbei punktet er auf voller Linie! Regisseur Shane Black, der sich bereits für die Drehbücher solcher Filme wie Lethal Weapon 4 und Last Boy Scout verantwortlich zeigte, zaubert hier wirklich eine Pointe nach der anderen aus dem Zylinder. Die bitterböse Satire, die sämtliche Szenen im Film wie auf Kommando ad absurdum führt, ist für das Hollywood-gewohnte Auge zwar zunächst gewöhnungsbedürftig, frisst sich aber wie eine Made nach nur wenigen Minuten derart ins Gehirn des Zusehers ein und kappt dort sämtliche Hollywood-Gewohnheiten. Verpackt in einer postmodernen Hommage an den Film Noir der 30er und 40er Jahre macht dieser Stil Kiss Kiss Bang Bang zu einem einzigartigen Meisterwerk. Harrys Stimme aus dem Off, die gleichzeitig als eine Art Audiokommentar-Erzähler fungiert, führt beabsichtigt stolper- und stümperhaft durch das Geschehen des Films. Das ist auch genau der Grund weshalb einem die Charaktere von der ersten Minute an, in denen man sie sieht, ans Herz wachsen. Der tollpatschig-naive Harry, der bitterzynisch-schwule Perry oder die liebenswert-spontane Harmony - genial, wie Charaktere so flach und gleichzeitig so interessant sein können. Großes Lob an die Schauspieler! Deren Beziehung untereinander geht nämlich in dem Gagfeuerwerk keineswegs unter. Im Gegenteil, jeder kann verstehen wie sich die Figuren verhalten und weshalb sie sich so verhalten - aller Überzogenheit zum Trotz.
Wenn derartig viel Wert auf Sprachwitz gelegt wird, ist natürlich eine gelungene Synchronisation unumgänglich. Und auch hier punktet der Film kräftig: zwar besitzt die deutsche Sprachfassung nur einen Bruchteil des Humors der Originalversion, ist aber dennoch schon ein Knaller für sich. Man hat wirklich das Beste aus der Vorlage gemacht: Respekt an die Stimmgeber! Sollte man allerdings Herr der englischen Sprache sein (und damit meine ich wirklich "Herr"), dann sollte man sich diese Perle nicht im Originalton entgehen lassen. Gespickt mit Wortwitzen die unmöglich in unsere Landessprache zu übersetzen wären, entdeckt man bei jedem erneuten Ansehen einen Wortdreher, den man bisher noch gar nicht entdeckt hat.
Streifschuss oder Fleischwunde?
Kiss Kiss Bang Bang ist definitiv ein Muss für jeden Filmliebhaber, der Hollywood gerne mal auf die etwas unkonventionellere Art kennenlernen möchte. Allerdings sollte man Fan von makaberen Witzen und herzhafter Polemik sein. Aber keine Sorge: sollten diese Eigenschaften nicht auf euch zutreffen, seid ihr spätestens nach 5 Minuten so in das Tempo des Films gezogen, dass euch gar keine Zeit mehr bleibt um Zweifel zu äußern. Definitiv der witzigste Film des Jahres 2005, dessen Bekanntheitsgrad wesentlich höher sein dürfte. Den Punkt Abzug gibt es übrigens für den einen oder anderen kleinen Logikfehler (und die Tatsache, dass der Film mit einer Lauflänge von 99 Minuten ruhig noch 60 Sekunden mehr vertragen hätte) - aber nicht mal ein Shane Black ist perfekt. Allerdings ist er fast perfekt, was bedeutet: Shane, schmeiß dich wieder auf den Regiestuhl und drehe deinen nächsten Film. Wir warten alle gespannt darauf! Also: holt euch die Scheibe, denn Kiss Kiss Bang Bang ROCKT!
>> geschrieben von Dominic Stetschnig