Moviebase Red Eye
Wer kennt denn bitte nicht Wes Craven? Für alle, die mit diesem Namen nichts verbinden können: Craven erschuf unter Anderem die legendäre Kult-Horror-Reihe "Nightmare On Elm Street" mit Pizza-Gesicht Freddy Krueger, die wohl beliebteste Teenie-Schlitzer-Serie "Scream" sowie den Werwolf-Streifen "Verflucht!" und, und, und... Die Liste ließe sich zwar noch um etliche Filme erweitern, aber jeder Laie dürfte wohl verstanden haben, dass Herr Craven im Horror-Suspense-Bereich ein ganz Großer ist. Offenbar wollte er deshalb davon einmal los kommen, um etwas Anderes auszuprobieren. Dabei bewegt er sich zwar immer noch im Thriller-Genre, Blut und schreiende Masken sucht man allerdings vergebens. Wer bei "Red Eye" einen klassischen Wes Craven erwartet, befindet sich auf dem Holzweg.
Lisa Reisert (Rachel McAdams) hasst das Fliegen - aber dieser Nachtflug, in den USA "Red Eye" genannt, sprengt ihre bisherige Vorstellungen von einem Horror-Trip... Ihr Flieger nach Miami hat seine Flughöhe noch nicht erreicht, als Lisas charmanter Sitznachbar Jackson (fies: Cillian Murphy) sein wahres Gesicht zeigt: Er ist Teil einer Gruppe, die den Mord an einem einflussreichen Politiker plant - und Lisa ist der Schlüssel zum Erfolg dieses Anschlags! Weigert sie sich mitzumachen, genügt ein Anruf von Jackson, und ihr Vater wird erschossen. Lisas schlimmster Albtraum wird wahr: Gefangen in 10.000 Meter Höhe und zum Schweigen verdammt, gibt es für sie keinen Ausweg. Verzweifelt versucht sie, ihren kaltblütigen Kidnapper zu stoppen. Doch mit jedem zurückgelegten Kilometer wächst Lisas Panik. Je näher sie Miami kommen, desto kleiner werden ihre Chancen, Jacksons teuflischen Plan noch zu durchkreuzen...
Flugzeug-Thriller scheinen in Zeiten von Terroranschlägen und anderen Vorkommnissen an Beliebtheit zu gewinnen, wurde doch in der letzten Zeit mit "Flight Plan", "Flug 93", ganz aktuell "Snakes on a Plane" und eben auch "Red Eye" auf das Thema "Angst vorm Fliegen" gesetzt. Das muss nicht immer gut gehen. In Cravens Thriller funktioniert jedoch zumindest gerade der Part des Films im Flugzeug, da sich durch die aussichtslose und einengende Situation Spannung recht gut aufbauen lässt. Aber fangen wir vorne an.
Der Film lässt sich in vier Stücke einteilen. Die ersten 20 Minuten verbringt der Regisseur damit, die Charaktere und deren Lebenssituation vorzustellen. Das geschieht zwar recht hektisch und schnell, man bekommt dennoch genug mit, um im weiteren Verlauf nicht auf der Strecke zu bleiben. Lisa zeigt sich als Workaholic und Familienmensch, ihre Kollegin Cynthia als aufgeregte Hotelempfangsdame und auch der charmante Jackson Rippner - Gemeinsamkeiten im Namen mit einem Serienkiller sind beabsichtigt - macht zunächst einen sympathischen und hilfsbereiten Eindruck. Nach dieser Einführung, die dem Zuschauer das ganze Szenario erst einmal näher bringt, begibt sich der Film dann in die Startlöcher und hebt ab - für knappe 30 Minuten. Das zweite Stück des Film beginnt.
Wie es der Zufall oder auch das geschickte Handeln vom eben angesprochenen Jackson so will, begegnen sich Lisa und Mister Rippner im "Red Eye", dem letzten Nachtflug. Natürlich teilen sie sich auch eine Sitzreihe und schon kann der Horror beginnen. Es ist durchaus spannend zu sehen, wie der eben noch so freundliche Kavalier Jackson die junge Dame Lisa immer mehr unter Druck setzt, dabei aber vor anderen Passagieren stets die Ruhe bewahrt und seine ganze Job-Routine ausspielt. Die Flucht- und Befreiungsversuche von Lisa sind zwar nicht neu, aber unterhalten dennoch. Wer als Zuschauer bereits Flugangst hat, wird sich mit dem Film wohl nicht auf Heilkur begeben. Der Protagonistin gelingen sogar ein paar wenige Versuche, sich von dem freundlichen Täter zu lösen, aber dieser ist im Gegenzug so überraschend und schnell zur Stelle, dass die Versuche allesamt im Sande verlaufen. Der zweite Part ist zugleich der stärkste des Thrillers. Spannend, teilweise turbulent und für die ein oder andere Überraschung gut. Der präzise Stich Lisas mit einem Stift in ein schmerzliches Körperteil ihres Peinigers lässt Cravens Sinn für Horror ein wenig aufblitzen. Dieser Stich beendet den Flug und nun begibt sich der Streifen in seine schwache Phase.
Denn kaum gelandet, ist die Spannung - Wortspiel hin oder her - verflogen. Was sich in diesen 20 Minuten ereignet, kann man als Action ansehen. Furchteinflößend oder gar spannend wird es kaum noch, ein Katz- und Mausspiel des Opfers mit dem Täter bestimmt diesen Part. Knapp bemessen ist die Vereitelung des Anschlags auf den Politiker im Hotel, die aber erneut die Möglichkeiten heutiger Terroristen deutlich macht, fast schon überdeutlich. Nun ja, Hektik und schnelle Schnitte sind die herausstechendsten Merkmale dieser 20-minütigen Hetzjagd, die dann endlich auch einmal zu einem Ende kommt. Dieses allerdings kommt über den 08/15-Schluss eines jeden Action-Thrillers nicht hinaus, was sehr schade ist. 3 Minuten gibt sich Craven im letzten Teil des Films nicht mehr wirkliche Mühe, schludert alles schnell hin. Hier hätten auch die Drehbuchautoren etwas kreativer sein dürfen. Das schadet dem Film, der so gut begonnen hat, merklich. Die restlichen satten 7 (!) Minuten gehören übrigens niemand Geringerem als - dem Abspann.
Fazit: Nicht schlecht, nicht recht. Wes, das kannst du besser! Die erste Hälfte des Films ist top, danach folgt der Absturz ins Bodenlose. Eine gute Idee mit einem zum Ende hin schwachen Drehbuch und 08/15-Action. Mehr als etwas über dem Durchschnitt ist da nicht drin.
>> geschrieben von Janosch Leuffen