Moviebase Virus Undead
Wenn es um deutsche Filmproduktionen geht, gehören Vertreter des phantastischen Genres zu schemenhaften Einzelfällen. Auch in der Neuzeit hat sich diese Tatsache nicht grundlegend gewandelt, obwohl Deutschland nach vielen Kultklassikern durchaus das Zeug zum Vorreiter gehabt hätte. So ist es an ausländischen Produzenten, kleinen Financiers, an die Filmstiftung ist gar nicht zu denken, eine Produktion wie Virus Undead in ihrer Vielfältigkeit zu stemmen. Dabei bewies die Deutsche Columbia TriStar mit dem Schaffen eines Anatomie durchaus Mut, und wurde letzten Endes redlich belohnt. Über zwei Millionen Zuschauer wagten sich anno 2000 in die hiesigen Lichtspielhäuser, um Franka Potente bei ihrem gefährlichen Studium zu begutachten. Wird Virus Undead dieses Wunderwerk wiederholen?
Aus den Medien ist es schon wieder verschwunden, doch das Vogelsterben geht weiter, verbreitet sich lautlos im ganzen Land. Der Medizinstudent Robert Hansen fährt mit seinen Freunden Patrick und Eugen für ein Wochenende aufs Land ins Brandenburgische Alt Landsberg, um sich um den Nachlass seines vor kurzem verstorbenen Großvaters Professor Bergen zu kümmern. In der Tat finden sich schon auf der Fahrt in das gottverlassene Dorf einige seltsam verkümmerte Tierkadaver am Straßenrand, und auch das Haus des Professors birgt mit dessen versteckten Forschungslabor Anlass für geheimnisvolle Entdeckungen. Inwieweit hat die Politik und die Pharmaindustrie ihre Hände im Spiel.
"Aus den Medien ist es schon wieder verschwunden, doch das Vogelsterben geht weiter...". Es ist wagemutig, dieses wenig fiktive Szenario als Hauptstandbein eines Horrorfilms etablieren zu wollen, immerhin ist ein Bezug in der Bevölkerung durchaus umfangreicher gegeben als zu einer Gruppe verseuchter Mutanten aus der Wüste in Texas. Einen globalen Schrecken stellt VIRUS UNDEAD in seiner Gesamtheit nicht dar. Die Wahrnehmung ist wesentlich realer und weniger beängstigend, da eine über Jahre entwickelte Vertrautheit im Wege steht. In dieser Form gelingt es nicht, das Virus als breitflächige Pandemie zu verklären, zumal sich das Geschehen auf einen kleinen Ort in Brandenburg beschränkt.
Die Sichtweise konzentriert sich auf die Handlungen der fünf agierenden Hauptcharaktere. Wolf Wolff vereint einen bunten Mix internationaler Schauspieler, was das Spiel zu unserer Freude erfrischend unkonventionell wirken lässt. Um den weltweiten Erfolg bereits im Vorfeld in die Zone des Erreichbaren zu navigieren, wurde der Dreh in deutscher und englischer Sprache abgehalten. Vertreten sind alle Stereotypen des Horrorfilms. Nikolas Jürgens brilliert in der Rolle des krankhaft eifersüchtigen und vom Wahnsinn getriebenen Eugen, während Anna Sophia Breuer durch ihre weiblichen Reize zu überzeugen weiß. Alle standardisierten Faktoren sind also auch hier vertreten. VIRUS UNDEAD startet beschaulich.
Robert, Patrick und Eugen kommen im brandenburgischen Hinterland an, um die Beerdigung von Prof. Bergen zu verfolgen, seines Zeichens Opa und verbissener Wissenschaftler. Fernsehausschnitte, Nachrichten und verzehrte Videobilder der aufkeimenden Krankheit bringen die Materie näher. Alte Bekanntschaften werden in der Heimat aufgefrischt, eine Party organisiert, und Grenzen abgesteckt. In der Villa angekommen soll das Abenteuer aber erst beginnen. VIRUS UNDEAD bedient sich zugleich ungeniert bei großen Vertretern des Genre, mischt die morbide Stimmung von 28 Days Later mit der Actionslastigkeit eines Dawn of the Dead, und verpackt die Zutaten in ein modernes Gewand. Das Vögelgrippe-Virus nimmt im Verlauf einen immer bedrohlicher werdenden Stellenwert ein. Krähen fallen vom Himmel und verbringen die letzten Minuten ihres Lebens zuckend auf dem Asphalt, wilde Tiere streifen durch die Büsche, Aas wird in einem Imbiss zu Hackfleisch verarbeitet.
Die Mutation vollzieht sich auf diesem Wege unmerklich und lautlos. Von einem Anflug an Idiotie kann sich der Film von Wolf Wolff und Co-Regisseurin Ohmuthi nicht vollends freisprechen. Es bleibt ungewiss, weshalb die infizierten Lebewesen wie von einem Magneten angezogen auf das Grundstück der Villa wanken, während das Gespür der feiernden Gruppe noch immer im Argen liegt. VIRUS UNDEAD mag dieses Manko überspielen, indem sich der Film selbst nicht allzu ernst nimmt, vollends verwischt das Fragezeichen über den plötzlichen Sinneswandel dennoch nicht. Die Produktion zieht ihre Kraft jedoch aus wundervoll fotografierten Aufnahmen, brachialen Effekten und energischen Schauspielern. Das Gefühl von Chaos und Bedrückung will sich erst zum Finale entfalten.
Doch wollen wir diesen Anspruch tatsächlich an die erste deutsche Produktionen im Bereich des Horrorfilms stellen, die sich seit acht Jahren daran wagte, das Publikum großflächig zu unterhalten? VIRUS UNDEAD unterhält durch direkte Action, für ihren Reifegrad überzeugende Akteure und Spannung, weil zu keiner Sekunden im Klaren liegt, was in der nächsten Szene passiert. Dieser Film macht schlicht und ergreifend Spaß. Welche Produktion kann diesen Punkt in der heutigen Zeit schon noch für sich verbuchen? Virus Undead markiert den besten deutschen Horrorfilm seit Anatomie. Punkt.
>> verfasst von Torsten Schrader