Moviebase 300
Der Tod auf dem Schlachtfeld als einzige Option. 300 ist Epos und Tragödie zugleich, beides verpackt in einen Look, der sich am treffendsten als eine testosterongeschwängerte Mischung aus propagandistischen Körperkult-Filmen und dem ebenfalls vollständig vor Green Screen abgedrehten Sky Captain and the World of Tomorrow umschreiben lässt. Was Regisseur Zack Snyder hier über 117 Minuten an visuellen Spielereien und bombastischen Larger-than-Life-Bildern abbrennt, sucht im modernen Kino seinesgleichen. Sogar Millers Sin City und dessen überstilisierte Film Noir-Ästhetik ziehen gegen die visuelle Wucht von 300 den Kürzeren. Die moderne Computertechnik macht es möglich, Ideen umzusetzen, die das Genre des Sandalenfilms revolutionieren wird.
Dabei ist das Endprodukt eigentlich überhaupt kein Film im Sinne von Klassikern wie Spartacus oder Gladiator. Snyders Style-Orgasmus kennt nur noch einzelne Szenen, Einstellungen und Bilder. Bereits beim ersten Sehen zerfällt 300 in seine Bestandteile. Und das ist erst einmal wertfrei gemeint, denn eine herkömmliche Dramaturgie würde sich an der Grandezza seiner Optik ohnehin erfolglos abarbeiten. In visueller Hinsicht zieht Snyder sämtliche Register. Surreale Verfremdungseffekte, eine desaturierte Farbpalette, perfekt getimte Licht- und Schattenspiele, Unmengen an CGI-Bombast und Zeitlupen-Aufnahmen. Alles, was dazu beiträgt, die antike Schlachtplatte in ein wahres Fest für die Netzhaut zu verwandeln, wird von ihm auch genutzt.
Synder treibt die Ästhetisierung bis zum Exzess. Sogar das digitale Blut spritzt in 300 mit einer nur noch von japanischen Revenge-Movies übertroffenen Finesse. Dazu nackte durchtrainierte Männerkörper, wohin man blickt. Das kann einen als Normalsterblicher schon gehörig einschüchtern. Mit schmerzverzerrten Gesichtern, fest entschlossen das eigene Leben zu opfern, kämpfen sie bis zum letzten Atemzug für ihre Heimat und ihre Freiheit. Ehrfurchtsvoll, beinahe anbetungswürdig nähert sich die Kamera diesen Kolossen in ihrer martialischen Uniform. Leni Riefenstahl wäre begeistert. Der Vergleich – das gilt es klar festzuhalten – beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Inszenierung. Faschistoides Gedankengut findet sich in Millers Comic-Schlacht nicht. Allein das Gerede von Ehre, Ruhm und der Liebe zur Heimat macht aus 300 noch kein Triumph des Willens für das 21. Jahrhundert.
Denn auch wenn dem Film aus jeder Pore ein unglaubliches Pathos quillt, eignet er sich denkbar schlecht, für eine ideologische Sezierung oder Analyse des politischen Status Quo. Leonidas ist nicht George W. Bush und sein Heer führt keinen Kreuzzug gegen den Terror. Miller beschreibt wie schon in Sin City vielmehr fundamentale Wesenszüge, die sich in uns allen in unterschiedlichem Maße wiederfinden. Er glorifiziert die Würde des Individuums und outet sich damit – so paradox es zunächst klingen mag – ein weiteres Mal als waschechter Humanist und Moralist. 300, der über seine gesamte Laufzeit reichlich Angriffsfläche für spöttische Bemerkungen und gesellschaftlich salonfähig gewordenen Zynismus bietet, mag eine Geschichte erzählen, die dünner als ein Blatt Papier ist. Aber wenigstens steht er fest zu seinem eigenen liberalen Koordinatensystem in einer ansonsten von Relativismus und Opportunismus verseuchten Zeit.
>> verfasst von Marcus Wessel