Moviebase Onibi - Feuerkreis
Eine Liebesgeschichte. Ein Mafiadrama. Aber definitiv kein Actionfilm. Sehr ruhig, teilweise fast meditativ erzählt, handelt es sich bei dem 1997 entstandenen ONIBI um ein klassisches Yakuza Drama, welches mitunter an die Filme Takeshi Kitanos (SONATINE, HANA BI, ebenfalls 1997 inszeniert, DOLLS) erinnert, aber von Regisseur Mochizuki noch um einiges langsamer erzählt wird. Auch hier kommt es immer wieder zu Stimmungswechseln, wenn dramatische Szenen ironisch gebrochen werden, oder plötzliche Gewaltausbrüche den Betrachter schockieren.
Auch hier gibt es einen markanten Hauptdarsteller, Yoshio Harada (Veteran von über 100 Filmen, unter anderem 9 SOULS, AZUMI und LADY SNOWBLOOD 2), welcher für seine hervorragende Darstellung schon einige Preise einheimsen konnte. Sein Noriyuki Kunihiro ist ein wirklich faszinierender Hard Boiled Charakter, eine Killer-Legende, die im Gefängnis für ihre Taten büßen musste und gelernt hat, mit den Gewalteskapaden der Vergangenheit zu leben. Wenn er, betrunken, auf fast sentimentale Art davon erzählt, wie er einen Mann mit einem Samuraischwert quasi halbiert hat, ahnt man, dass dieser Charakter noch lange nicht mit den Dämonen seiner Vergangenheit abgeschlossen hat und das die Gewalt immer noch ein fester Bestandteil seines Lebens ist, und nur darauf wartet, wieder hervorzubrechen.
„In dunklen Nächten stehen die Opfer an der Bettkante ihres Mörders.“
Doch er versucht, sich zu ändern. Fängt in einer Druckerei an. Ganz bescheiden. Aber die Freundin, der vermeintliche Neubeginn, stellt sich eher als Wiederkehr in den Kreis des Todes dar: Sie will Rache für die Erniedrigungen, die sie durch einen anderen erfahren musste, der Bondage-Fotos von ihr machte. Doch der von Noriyuki eingefädelte Racheakt misslingt, sie kann ihren Peiniger nicht töten, was sich als verhängnisvoller Fehler erweist. Noriyukis schwuler Mitbewohner (in der deutschen Version mit einer unerträglichen Synchro gestraft) wird das erste Opfer dieses Fehlers. Und er selbst mutiert zum Racheengel.
Rokuro Mochizukis ONIBI beeindruckt am meisten während der Momente puren Kinos. Dialoglosen Sequenzen von großer Finesse, an Originalschauplätzen gedreht und meistens unterlegt von trauriger Geigen- oder Klaviermusik: Nachdem Noriyuki die Sexfotos (POV Bilder aus der Sicht ihres Peinigers) seiner Freundin gesehen hat, tauchen diese Bilder in abgewandelter Form immer wieder vor seinem geistigen Auge auf, beim Sex mit ihr, oder wenn sie kriechend den Boden putzt. Der Regisseur wählt geschickt dieselben Einstellungen und ruft somit ein unangenehmes Déjà-vu-Erlebnis beim Betrachter hervor.
Oder das gemeinsame Kochen: Er kocht für sie, auf dem Soundtrack ertönt ein anschwellendes, orientalisch klingendes Stück und man hört einen Monolog, in dem er seine früheren Taten bereut, sie lacht, er erzählt etwas unverständlich Lustiges, das Gericht ist fertig. „Morgen töten wir ihn.“ Ihr Lachen verstummt. Des Öfteren nutzt Mochizuki solch abrupten Stimmungswechsel, um den Betrachter auf subtile Art aus dem einlullenden Tempo des Films wachzurütteln. Wir sollen uns nicht in Sicherheit wiegen. Die letzten Bilder des Filmes zeigen Noriyuki, wie er mit beiden Händen eine Pistole formt. Die Gewalt hat ihn wieder.
ONIBI ist ein langsamer Film. Aber niemals langweilig.
>> verfasst von Marc Ewert