Moviebase Sublime
Krankenhäuser – seit jeher Ort unerträglichen Leids, erschöpfender Krankheiten und stetiger Isolation. Und wahrscheinlich gerade deshalb für diverse Genrevertreter als Spielstätte bestens geeignet. Auch Tony Krantz, der sonst als Produzent („Rest Stop 2“) tätig ist und mit SUBLIME sein Spielfilmdebüt als Regisseur ablegt (seine zweite Regiearbeit nennt sich „Otis“), verfrachtet den Zuschauer nach einem Skript von Eric Jendresen ins Hospital. Doch anders als vielleicht vermutet, reiht sich seine Horrorvision nicht in die übliche Spur purer Gemetzel-Orgien mit roter Farbe, sondern baut auf eine ruhige Erzählweise und den immer näher kommenden und unaufhaltbaren Psycho-Horror.
Es hätte ein so wundervoller Tag für George Grieves (Thomas Cavanagh) werden können. Sein 40. Geburtstag steht vor der Tür – und gleichzeitig eine Routineuntersuchung im Mt. Abaddon Hospital. Während die Party im kleinen Kreis zwar gut, aber auch nicht ganz ohne Reibungen verläuft, wird der folgende Besuch im Krankenhaus für George zu einer einzigen Tortur. Durch eine Verwechslung mit einem Patienten, dessen Nachname ähnlich dem von George ist, passiert das Unglaubliche: George erwacht und stellt fest, dass ihm etwas fehlt. Eine dicke Narbe ziert seinen Bauch. Voller Panik und Entsetzen versucht der operierte 40-Jährige in seinem desolaten Zustand herauszufinden, was denn eigentlich genau passiert ist. Dabei gerät er zwischen die Fronten des hinterhältigen Krankenhausmanagements, einem mysteriösen Krankenpfleger sowie einer Krankenschwester, die mit ihrem Aussehen überall anders besser aufgehoben wäre. Je mehr Grieves über die tatsächlichen Umstände in Erfahrung bringen kann, desto enger zieht sich die Schlinge um seinen Hals…
Die FSK 18-Freigabe und das Cover der DVD lassen zunächst nur einen Schluss zu: Hier fließt das Blut in Strömen. Umso angenehmer, dass dem ganz und gar nicht so ist. Krantz denkt in seinem Debüt überhaupt nicht an Hektik oder Effekthascherein, setzt auf ruhige und zugleich intensive Bilder. Durch diese angespannte Erzählweise fühlt man sich direkt zu Beginn in SUBLIME eingelullt, kann eine Beziehung zum späteren Opfer aufbauen. Der Score untermalt die Szenerie mit melancholischen Klängen überaus treffend. Der Regisseur verinnerlicht genau die Punkte, die teure Fließbandproduktionen aus Hollywood in der letzten Zeit vermissen lassen: Eine interessante Geschichte, bei der der Zuseher mit dem Protagonisten leidet, forscht und der kränkelnden Psyche hilflos ausgesetzt ist. Das Ganze gelingt ohne erzwungene Gruselatmosphäre, der wahre Horror passiert aus der Situation, in der sich der Patient befindet und nicht dank schneller Kamerafahrten durch lange Flure, an denen am Ende ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren merkwürdige Geräusche von sich gibt.
Während George gefesselt ans Bett seine Zeit im Krankenhaus verbringt, dringen wir durch Rückblenden in die Gedanken des Mannes ein. Details des Partyabends verdeutlichen, dass auch Georges Leben nicht makellos und sorgenfrei ist. All seine Ängste, die er vor der Untersuchung gehabt hatte, sind nun Wirklichkeit geworden. Unterbrochen werden die Flashbacks immer wieder durch skurrile und spannende Szenen im Krankenzimmer. Verbirgt sich hinter der sexy Schwester Zoe, die mit weißen High-Heels und kurzem Kleidchen durch die Flügel stolziert, vielleicht doch ein hinterhältiges Miststück? Was treibt der farbige Pfleger hinter dem Trennvorhang mit dem Zimmergenossen, der eben noch gar nicht da war? Was hat Jennifer, die Frau von George, mit Doktor Charazi im gegenüber liegenden noch nicht fertiggestellten Flügel verloren? Welche Dinge entstehen in Georges Kopf, welche sind Realität? All diese Fragen stellt Krantz dem Zuschauer, ohne wirklich eine zufrieden stellende aufklärende Antwort zu geben. So tappen wir mit Grieves im Dunkeln, wissen immer so viel wie er selbst.
SUBLIME ist ein Psycho-Drama, durch das der Horror im Laufe der Spielzeit erst entsteht. Diejenigen, die sich vom Aufdruck der DVD-Hülle zum Kauf verleiten lassen und auf ein Splatterfestival hoffen, sind hier absolut falsch. Was nicht heißen soll, dass es hier weniger schmerzhaft zugeht. Wenn die Finger- und Zehzwischenräume mit einer Zange bearbeitet werden und George plötzlich mit nur noch einem Bein da liegt, erreicht das eine höhere Emotionalität als es in anderen Werken der Fall ist. Krantz steigert die Geschichte von Minute zu Minute und gibt von Szene zu Szene weitere pikante Details, die die Gefühlslage und den Zustand von George erbarmungslos nach unten ziehen, bekannt. So muss er in seiner schlimmen Lage auch verkraften, dass seine Tochter lesbisch und sein Sohn Betrachter von obszönen Videos ist.
Das Finale entpuppt sich als konsequentes und schockierendes Ende eines dramatischen Films. Man will nicht wahrhaben, was wahr ist. Auch hier baut Krantz auf die vorausgegangene Story, greift Punkte aus den Rückblenden wieder auf. Ein wirkungsvoller Schluss ohne großes Tamtam. So erschreckend SUBLIME hier endet, eine andere Auflösung kommt gar nicht in Frage. Das wusste Jendresen, das wusste Krantz und das weiß der Zuseher. SUBLIME beweist, dass Direct-to-DVD-Produktionen mitnichten immer schnell runtergekurbelte Machwerke zum Zwecke des Geldbeutels sein müssen. Eine kleine und stille Offenbarung an die restliche Horrorwelt, die SUBLIME mehr aufmerksam schenken sollte.
>> verfasst von Janosch Leuffen