Moviebase Devils Chair, The
Es kann viele Gründe haben, warum ein an sich spannendes Drehbuch dennoch in einem schlechten oder mittelmäßigen Film endet: Miese Schauspieler, verkorkste Schnitte, fürchterlicher Soundtrack, etc. Keines der drei genannten Desaster tritt bei Adam Masons' Zweitwerk "The Devil's Chair" ein und dennoch lässt einen der Film mit eben jenem Eindruck zurück: In dieser Story wäre mehr drin gewesen, das hätte man besser machen können. Und auch wenn man dem Film deutlich ansieht, dass er mit einem geringen Budget realisiert wurde, so ist das hier doch keineswegs der Kritikpunkt. Im Gegenteil: Trotz beschränkter Mittel schafft Mason eine unglaublich dichte Atmosphäre, vor allem dank der wunderbar düster-dreckigen Locations, einer tollen Musikuntermalung und einem effektgeladen Finale.
Der Film beginnt zunächst mit einer klassischen Einleitung: Ein junges Pärchen sucht das Abenteuer in einer alten, verfallenen Irrenanstalt. Wie nicht anders zu erwarten führt diese Idee ins Unglück: Die junge Frau verschwindet auf mysteriöse Art und Weise, ihr Freund Nick West bleibt blutbesudelt zurück, kann sich aber in seinem drogenvernebelten Zustand an nichts mehr erinnern. Man hält ihn für den Mörder und sperrt ihn in ein Sanatorium. So weit, so typisch. Dann jedoch nimmt die Handlung eine Wendung, die den Zuschauer ins Ungewisse stößt. Ein zwielichtiger Professor ermöglicht Nicks Freilassung, nur um mit ihm und einigen seiner Studenten zum Ort des Verbrechens zurückzukehren... Man mag nun einen formelhaften Slasher erwarten, aber was folgt könnte nicht weiter von dieser Erwartung entfernt sein. Von der Handlung soll hier keinesfalls zuviel verraten werden, denn die ist für einige Überraschungen gut. Erfrischend, dass ein Regisseur sich traut, die ausgetretenen Pfade zu verlassen, um storytechnisch etwas sehr Eigenes zu kreieren.
Aber was ist es nun, dass einem trotz aller Innovationen immer wieder sauer aufstößt bei "The Devil's Chair"? Jedenfalls nicht die durchweg unbekannten Schauspieler, die ihre Rollen zwar nicht herausragend, aber durchaus glaubwürdig und authentisch spielen. Besonders hervorzuheben ist David Gant, der die Figur des schusseligen Prof. Willard stets mit einem sinistren, dämonischen Touch verkörpert. Das, was "The Devil's Chair" so viel von seiner mysteriösen Wirkung nimmt, ist schlicht und ergreifend der nervtötende Off-Kommentar. Was zu Anfang kaum auffällt, nimmt speziell gegen Ende des Films geradezu peinliche Ausmaße an. Es ist schon schlimm genug, wenn ein Regisseur oder Drehbuchauthor seinen Schauspielern so wenig Ausdrucksfähigkeit zutraut, dass selbst eindeutigstige Momente von Protagonist Nick West kommentiert werden müssen. Aber wenn zum Schluss versucht wird, einen Einblick in das Seelenleben der Hauptfigur zu schaffen, indem diese minutenlang dümmlichste Monologe aus dem Off von sich gibt, dann möchte man vor Wut am liebsten ins Sofakissen beißen. Die Vorbilder für dieses Stilmittel sind eindeutig: "American Psycho" und "Trainspotting" lassen grüßen, nur leider erreichen die mit unzähligen "fucks" und "cunts" angereicherten Monologe in "The Devil's Chair" nie auch nur annähernd die Qualität der großen Idole sondern wirken teilweise einfach nur lächerlich. Kaum zu glauben, wie dieses Detail einem stimmigen, spannenden Film an Atmosphäre rauben kann, wenn es wie hier mit enervierender Penetranz eingesetzt wird. Ein Beispiel: In einer relativ blutigen Szene wendet sich der Off-Erzähler an uns, die Zuschauer, und fragt sinngemäß, ob alle Torture-Porn-süchtigen Freaks jetzt endlich zufrieden wären. Was in Hanekes "Funny Games" noch bedrohlich und schockierend war, wirkt hier wie ein selbstgeschriebenes Theaterstück einer neunten Klasse.
"The Devil's Chair" bietet einiges, was vielen modernen Horrorfilmen fehlt: Eine unkonventionelle Geschichte, einen durchweg überzeugenden Look und ein wirklich überraschendes, blutiges Finale, in welchem die Gewalt jedoch auch nicht zum völligen Selbstzweck verkommt. Was Regisseur Adam Mason hier mit kleinen Mitteln erschaffen hat, ist wirklich bewundernswert. Zusätzlich gibt es auf der DVD noch ein interessantes, zweiteiliges Making-Of. Hier erhält man auch noch eine ernüchternde Information: Das Drehbuch hatte den permanenten Voice-Over zunächst gar nicht vorgesehen, erst auf Anraten von Hauptdarsteller Andrew Howard wurde das nervige Gequatsche eingefügt. Über manche Ideen sollte man eben doch zweimal nachdenken, denn dieser überambitionierte Einfall kostet den Film letztlich einen Großteil seiner Spannung. Schade.
>> verfasst von Tim Lindemann